Redaktor/In

Nicole Hametner

Nicole Hametner

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Tipp
Nicole Hametner

Bucasnebatshlat

Die Bcuhstbaenrehenifloge in eneim Wrot ist eagl

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Typoglycemia Generator

Alvin Langdon Coburn, Vortograph, 1917
Alvin Langdon Coburn, Vortograph, 1917
Francis Joseph Bruguière, Cut Paper Abstraction, 1925
Francis Joseph Bruguière, Cut Paper Abstraction, 1925
Manon Wertenbroek, I saw you smile yesterday, 2017
Manon Wertenbroek, I saw you smile yesterday, 2017
Milos Korecek, Blumen, 1947
Milos Korecek, Blumen, 1947
Wolfgang Tillmans, Freischwimmer 15, 2003
Wolfgang Tillmans, Freischwimmer 15, 2003
Dora Maurer, Secret Structure, 1979
Dora Maurer, Secret Structure, 1979
Walead Beshty, Untitled, 2008
Walead Beshty, Untitled, 2008
Dominique Teufen, Blitzskulpturen, 2013
Dominique Teufen, Blitzskulpturen, 2013
Rapahel Hefti, Subtraction As Addition, 2012
Rapahel Hefti, Subtraction As Addition, 2012
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Text
Nicole Hametner

Konkrete Fotografie

Wenn sich nun Fotografie, anstelle auf die Aussenwelt, ganz auf sich selbst bezieht, befreit sie sich von ihrer Aufgabe der Vermittlung. An der Grenze zwischen Repräsentation und Abstraktion, rückt ihre eigene Form in den Vordergrund und die Bildsprache selbst wird zum eigentlichen Inhalt. Hier ist Fotografie nicht mehr transparentes Fenster zur Welt, sondern opakes Medium das auf sich selbst verweist.

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Sprache und Inhalt

Seit ich mich mit Fotografie auseinandersetze liegt mein Interesse besonders stark in der Flüchtigkeit eines Bildes, in der fragilen Existenz der Bildwerdung und deren Auflösung. Vielleicht bin ich auch der Illusion verfallen, dass Fotografie eine gewisse Abwesenheit zum Vorschein bringen kann. Dieses ständige hin und her zwischen Verschwinden, latenter Präsenz bis hin zur Erscheinung zieht mich immer noch stark in den Bann. Um die Grenze der Sichtbarkeit auszuloten steht der Prozess der Bildentstehung, die Rolle der Zeit und des Lichtes dabei stets im Vordergrund. Die Mechanismen, die Materialität und das Handwerk des technischen Bildes der Fotografie führen mich unweigerlich immer wieder zu Fragen über deren Medienspezifik.

Ein Blick auf deren mediale Eigenheiten zeigt, dass Fotografie sich stets zwischen Abbildung und Inszenierung, Transparenz und Opakheit, Materialität und purem Licht, Figuration und Abstraktion befindet. Was die Fotografie neben den anderen Künsten einzigartig macht ist ihr direkter Bezug zur Realität. Diese Nähe zum Referenten steht im allgemeinen Verständnis meist an erster Stelle. Fotografie bildet ab und was sie abbildet steht im Zentrum. Es erscheint oft beinahe unmöglich der Frage nach dem Dargestellten auszuweichen. Fotografie bedient sich immer der Realität. In dieser repräsentierenden Form steht sie stets als Verweis auf etwas da. Durch ihr Versprechen der getreuen Abbildung hat sie, wenn auch mittlerweile etwas eingeschränkt, immer noch Beweiskraft, dass etwas stattgefunden oder existiert hat.

Wenn sich nun Fotografie anstelle auf die Aussenwelt, ganz auf sich selbst bezieht, befreit sie sich von ihrer Aufgabe der Vermittlung. An der Grenze zwischen Repräsentation und Abstraktion, rückt ihre eigene Form in den Vordergrund und die Bildsprache selbst wird zum eigentlichen Inhalt. Hier ist Fotografie nicht mehr transparentes Fenster zur Welt, sondern opakes Medium das auf sich selbst verweist. Als experimentelles Medium reicht sie weit über die reine Aufnahme hinaus und rückt als autoreferentielle Fotografie ihren ureigenen Prozess der Bildwerdung ins Zentrum. Losgelöst von jeglicher Repräsentation zeigt das Ergebnis nun keine puren Abb- oder Sinnbilder mehr, sondern autonome Strukturbilder.

Konkrete Fotografie

Der Britische Fotograf Alvin Langdon Coburn schrieb 1917 über seine Vortographien, dass diese auf die Fotografie selbst und deren ursprüngliche «Form und Struktur» verweisen. Somit war das Foto nicht länger reiner Verweis auf eine äussere Realität, sondern wurde zu einem eigenständigen Objekt der Betrachtung.

Beinahe ein Jahrhundert später erschien der Begriff der Konkreten Fotografie in der gleichnamigen Publikation von Gottfried Jäger, Rolf H. Krauss und Beate Reese. Laut Jäger sind Konkrete Fotografien Fotografien, die sich den elementaren ureigenen Mitteln des Mediums bedienen. Vollkommen auf sich selbst bezogen vertreten sie keine ausserbildliche Realität mehr. «Sie wollen nichts abbilden und nichts darstellen. Sie sind nichts, das sie nicht selber sind: Objekte, die auf sich beruhen, eigenständig, authentisch, autonom, autogen: Fotografie der Fotografie.»[1]

Zur Klärung von Begrifflichkeiten unterscheidet der Autor Gottfried Jäger vier unterschiedliche Arten von Fotografie: Die Berichtende Fotografie, die sich der äusseren Realität bedient und das Sichtbare abbildet. Daneben die Subjektive Fotografie die Sinnbilder schafft mit dem Ziel eine innere Realität zu vermitteln. Ein Beispiel dafür sind die um das erste Drittel des 20.Jahrhunderst entstandenen Wolkenbilder von Alfred Stieglitz. Sie markieren die Grenze von direkter Interpretation des Sujets hin zur abstrakten Fotografie. Als weitere Gattung in der Fotografie reflektiert die Konzeptfotografie analytisch über die eigene mediale Realität und überprüft deren Sichtweisen. Als viertes Beispiel reiht sich die Konkrete Fotografie ein, deren Strukturbilder durch klare Konstruktion eine Erzeugung von Sichtbarkeit anstreben.[2]

Des Weiteren sieht Jäger in der Abstrakten Fotografie drei Stufen: Abstraktion des Sichtbaren durch Reduktion auf wesentliche Elemente, Visualisierung des Unsichtbaren durch spezielle bildgebende Verfahren und zuletzt Erzeugung reiner Sichtbarkeit. Die dritte Stufe, bildet weder Realität ab, noch dar, sondern stellt laut Jäger eine neue Realität her und bildet somit den Übergang zur Konkreten Fotografie.

«Fotografie, die «Realität» schafft, indem sie die eigenen Verhältnisse zu ihrem Gegenstand macht: Eine Fotografie der Fotografie. Ihre Werke sind selbstbezüglich und eigenschöpferisch. Sie thematisieren ausschliesslich innerbildliche Gesetzmässigkeiten, ausserbildliche «Realität» (Ikonik, Symbolik) ist ausgeschlossen. Konkrete Fotografien sind Objekte ihrer selbst. Als Zeichen sind sie Indizes, Symptome. Sie entstehen aus der schöpferischen Zusammenwirken ihrer ureigensten Mittel: dem Licht, dem lichtempfindlichen Material und dem fotografischen «Apparat». Neben anderen konkreten Künsten (in Malerei, der Musik, der Poesie, im Film) erweist sich Konkrete Fotografie als eigene Kunstform.»[3]

Konkrete Fotografien haben Objekt- und Zeichencharakter und damit die Fähigkeit zur Interpretation. Ihnen allen unterliegt ein unkonventioneller experimenteller Umgang mit dem Apparat selbst und der Reaktion der fotografischen Emulsion mit dem Immateriellen, Flüchtigen der elektromagnetischen Strahlung. 1967 zeigten vier Schweizer Künstler, Roger Humbert, Jean Frédéric Schnyder, Rolf Schroeter und René Mächler ihre Arbeiten in der Berner Galerie Actuelle unter dem Titel Photographie Concrète, das erste Auftreten des Begriffs der Konkreten Fotografie. Weiter waren die erste europäische Galerie für Fotografie die Galerie Form in Zürich und die erste deutsche Fotogalerie, die Galerie Clarissa in Hannover prägend für konkrete europäische Fotografie jener Zeit.[4]

Das Bewusstsein Fotografie als Kunstform zu betrachten ist laut Jäger erst durch die Akademisierung der Fotografie als Hochschulfach in Deutschland Anfang der 70er Jahre und der damit einhergehenden wissenschaftlichen Begriffs- und Theoriebildung entstanden. Gegen Ende des 20ten Jahrhunderts und mit der einhergehenden Krise der Fotografie durch den digitalen Wandel, scheint der Fokus erneut auf den eigenen Bildsystemen zu liegen und der Frage nach der Bedeutung nachzugehen, wenn Abbildungsfunktion und Symbolwirkung verschwinden. So widmen sich auch das Buch Rethinking Photography der Fotografie zwischen Fremd- und Selbstreferenz. Die Kuratorin Charlotte Cotton stellt im Bildband Photography is Magic eine Vielfalt an Positionen aus der Gegenwartsfotografie vor. Die 80 gezeigten Künstler setzen sich alle in einer experimentellen Weise mit Fotografie auseinander und geben ein Verständnis von zeitgenössischer künstlerischer Fotografie wieder. Allen gemein ist, dass sie die Mechanismen des Mediums selbst in den Fokus rücken.

Präzises Beobachten

Selbst nach dem Betrachten der angefügten Bildbeispiele, welche die Relevanz konkreter und abstrakter Fotografie in der Kunst nur anzudeuten vermögen, mag Kritik nach purem Formalismus oder einer reinen Technikspielerei aufkommen.

Wenn wir nun zurück zu deren Gegenpol, der abbildenden Fotografie, dem Fenster zur Welt kommen, stellt sich die Frage ob durch eine scheinbare Authentizität der Dokumentarfotografie die Welt in der wir leben unmittelbarer vermittelt werden kann. Können durch plakative Bildsprachen in der Werbung Inhalte kritischer und präziser einem Publikum ans Herz gelegt werden? Oder ist doch anzunehmen, dass der Betrachter durchaus die Fähigkeit besitzt in einer Darstellung von reinen Lichtstrahlen, Farbverläufen und anderen abstrakten Bildkompositionen etwas für sich Wesentliches darin zu erkennen?

Ich persönlich bin, wenn auch natürlich stark geprägt von der eigenen Faszination am Medium, überzeugt, dass mit dem Fokus auf die ureigenen Phänomene der Fotografie, unsere eigene visuelle Wahrnehmung geschärft werden kann und dass wir die Welt durch eine präzise, sinnliche Beobachtung derer, intuitiv besser verstehen können.

Als Plädoyer für Konkrete Fotografie kann ich nur abschliessend hinzufügen, dass eine weiterentwickelte Sichtweise auf die Fotografie gerade in unserem heutigen Medienwahnsinn dringend notwendig wäre. Wie auch oft aufmerksames Zuhören vor Sprechen eine Tugend sein kann, so kann es bestimmt nicht schaden, Sehen als Form von Erkennen ins Zentrum zur rücken.

[1] Gottfried Jäger, Rolf H. Krauss, Beate Reese: Concrete Photography. Kerber, 2005, S. 43

[2] Ebenda, S. 251

[3] Ebenda, S. 252

[4] Ebenda, S. 51

 

Alvin Langdon Coburn, Vortograph, 1917

Francis Joseph Bruguière, Cut Paper Abstraction, 1925

Manon Wertenbroek, I saw you smile yesterday, 2017

Milos Korecek, Blumen, 1947

Wolfgang Tillmans, Freischwimmer 15, 2003

Dora Maurer, Secret Structure, 1979

Walead Beshty, Untitled, 2008

Dominique Teufen, Blitzskulpturen, 2013

Rapahel Hefti, Subtraction As Addition, 2012

Der Fotograf Thomas in Blow Up
Der Fotograf Thomas in Blow Up
Karl Heinz Böhm als Peeping Tom
Karl Heinz Böhm als Peeping Tom
Leuchtreklame aus dem Film Enjoy Poverty
Leuchtreklame aus dem Film Enjoy Poverty
Szene aus Enjoy Poverty
Szene aus Enjoy Poverty
TV Buddha von Nam June Paik
TV Buddha von Nam June Paik
Dokumentarfilm We Live in Public
Dokumentarfilm We Live in Public
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Nicole Hametner

Sehen und gesehen werden: Der un heimliche Blick durchs Schlüsselloch

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Wohl alle kennen das Gefühl, welches ein bewusst wahrgenommener Blick des Anderen in uns auszulösen vermag. Letztens auf dem Balkon stehend habe ich gemerkt dass mich jemand vom nebenstehenden Bürogebäude her anstarrt. Trotz relativ grosser Distanz habe ich mich plötzlich nicht mehr alleine gewähnt, habe meine Haltung geändert und beschäftigt um mich gesehen.

Unser Verhalten unter Beobachtung verändert sich, lässt uns in eine Rolle verfallen. Teils ungewollt wie auf meinem Balkon und manchmal gewollt, um das Beobachtet werden zu nutzen, wie zum Beispiel George Costanza aus Seinfeld. Es gibt unzählige Situationen im Alltag in denen wir uns unter Beobachtung anderer anzupassen scheinen.

Ein Porträtshooting ist ein eindeutiges Beispiel dafür, wie wir in unterschiedliche Positionen verfallen. In seinem Essay Die Helle Kammer schreibt Roland Barthes:

„Sobald ich nun das Objektiv auf mich gerichtet fühle, ist alles anders: ich nehme eine posierende Haltung ein, schaffe mir auf der Stelle einen anderen Körper, verwandle mich bereits im Voraus zum Bild.“ „Vor dem Objektiv bin ich zugleich der, für den ich mich halte, der, für den ich gehalten werden möchte, der, für den der Photograph mich hält, und der, dessen er sich bedient, um sein Können vorzuzeigen. In anderen Worten, ein bizarrer Vorgang: ich ahme mich unablässig nach.“

Jeder kennt sie, die alte Dame, die durch den Vorhang hindurch das Treiben in der Nachbarschaft beobachtet. Obwohl sie denkt, dass niemand merkt, wer sich hinter dem Vorhang versteckt, wissen alle darüber Bescheid. Doch was wenn es dem Beobachter gelingt völlig ohne unser Wissen unser Tun zu registrieren?Der Fotograf Thomas in Blow Up

In Antonionis Film Blow Up macht der Fotograf Thomas in einem Park heimliche Aufnahmen von einem Paar. Als er später in der Dunkelkammer die Aufnahmen vergrössert entdeckt er Detail, die ihn zum Zeugen eines Verbrechens machen und als Zuschauer im Kinosaal werden wir selbst zum Komplizen. Unser Blick von aussen auf das Geschehen, unser Antizipieren was als nächstes geschehen mag, bildet die Spannung im Film.    

Unser Antrieb hinzuschauen ist ein natürliches Verlangen für das Unbekannte. In der Psychologie von Freud wird die erste Neugier am Anderen meist mit den Partialtrieben in der Sexualentwicklung in Verbindung gebracht. Weil diese Entwicklung bereits im frühen Kindesalter stattfindet ist diese Lust am Schauen so tief in uns verankert. Eine Fixierung kann später bis hin zur Perversion führen.Karl Heinz Böhm als Peeping Tom

Im Thriller Peeping Tom von Michael Powell filmt der Hauptdarsteller wie er Frauen umbringt. Powell führt diesen Voyeurismus bis hin ins Krankhafte und Karlheinz Böhm, sonst als treuer Gatte an der Seite von Sissi bekannt, steht plötzlich in völlig anderem Licht da.

Wie im Blow Up spielt das Medium Fotografie und Film hier eine zentrale Rolle. Laura Mulvey, eine Medientheoretikerin, bezieht sich in ihrer Filmtheorie Visual Pleasure and Narrative Cinema auf Peeping Tom, um den männlichen Blick im Hollywood Film zu kritisieren. Frauen werden darin oft als Objekte dargestellt. Der starrende Blick durchs Schlüsselloch fällt hier mit dem Blick durch die Kamera zusammen. Wie auch schon Roland Barthes bemerkte, macht die Photographie genau wie der Voyeurismus das Subjekt zum Objekt.

Versteckt hinter der Tür mit dem Blick durch das Schlüsselloch, können wir sehen ohne selbst gesehen zu werden. Auch eine Kamera baut Distanz zum Gesehenen auf. Der Fotograf ist geschützt hinter seiner Kamera, versteckt, wie der Voyeur hinter der Tür.

Das Fotomuseum Musée d’Elysée in Lausanne zeigte eine Installation in der sich der Zuschauer durch ein kleines Loch hindurch die Hängung von Saddam Hussein ansehen konnte. Eine Warnung neben der Werklegende machte auf die möglicherweise unerträgliche Gewaltszene aufmerksam, was die Neugier des Museumbesuchers jedoch nur noch mehr zu wecken schien.

Auch das Internet macht uns zu anonymen Zuschauern. Hier wirbt ISIS mit in Hollywood Manier erstellten, perfekt ausgeleuchteten Folterfilmen für neue Mitglieder. Diese wie auch andere sogenannte Snuff-Filme kursieren auf dem Internet. Die Möglichkeiten, die das Internet bietet sind schier unbegrenzt. Der Gedanken dass die Neugier die Menschen zum anschauen dieser Filme treibt lässt mich kalt erschaudern.Leuchtreklame aus dem Film Enjoy PovertySzene aus Enjoy Poverty

Mit Enjoy Poverty hat der holländische Künstler Renzo Martens einen Film geschaffen, der die Rolle dieses unsichtbaren gierigen Publikums selbst ins Zentrum rückt. Das Leid in Afrika wird auf eine Weise dargestellt, die keinen Zweifel daran lässt, wie krankhaft unsere Schaulust ist und dass wir uns derer Verantwortung nicht entziehen können.TV Buddha von Nam June Paik

Auch in Arbeiten wie Going around the Corner von Bruce Naumann oder TV Buddha von Nam June Paik wird die Unsichtbarkeit des Zuschauers aufgehoben. Diese Arbeiten unterstreichen, dass die Medien eine Distanz kreieren zwischen uns und der physischen Welt.

Wir befinden uns oft orientierungslos im immer komplexer werdenden allumfassenden Blick. Kaum einer ist sich der vollen Tragweite seiner Transparenz bewusst und so bleibt auch der natürliche Drang sich der Welt zu zeigen, besonders im Internet nicht ohne folgenschwere Konsequenzen.

Dokumentarfilm We Live in Public

Das Projekt We Live in Public unterstreicht, wie eng Voyeurismus mit Exhibitionismus verbunden ist. Die Dokumentation zeigt die Geschichte des Internetpioniers Josh Harris der in den 90ern die Vision hatte 100 Künstler in einer Installation mit Bewegungssensoren ausgestatteten Überwachungskameras via Liveübertragung permanent dem Publikum auszusetzen. Beraubt jeglicher Privatsphäre betont dieses Big Brother Experiment den Wunsch nach gewolltem zur Schaustellen und dem gleichzeitig unkontrollierbaren Ausgeliefertsein. Im Kapitel Der, der photographiert wird schreibt Roland Barthes:

„Privatleben ist nichts anderes als jene Sphäre von Raum, von Zeit, wo ich kein Bild, kein Objekt bin. Verteidigen muss ich mein politisches Recht, Subjekt zu sein.“

Und obwohl klar ist, dass sich Voyeurismus längst nicht mehr nur auf das Sehen alleine beschränkt, sitze ich hier vor meinem Laptop, der geschmückt mit einen kleinen Sticker auf der Kamera mich in der Hoffnung wähnt dem Blick auf der anderen Seite zu entgehen.

 

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Nicole Hametner

Ode an die Leistung

Es freut mich sehr für Dich, dass all die harte Arbeit, die Du während Deinem Studium investiert hast, erste Früchte trägt und Du obendrein mit dem Verkaufserlös von 200.– nun ein paar neue Pinsel kaufen kannst.

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Liebe Pauline, 

Herzliche Gratulation zu Deinem erfolgreichen Abschluss!

Ich habe gehört, dass dem Nachbarn Deiner Mutter Deine Diplomarbeit super gefallen hat und er das Bild im Schaufenster seiner Metzgerei im Dorf ausstellen möchte. Es freut mich sehr für Dich, dass all die harte Arbeit, die Du während Deinem Studium investiert hast, erste Früchte trägt und Du obendrein mit dem Verkaufserlös von 200.- nun ein paar neue Pinsel kaufen kannst.

Ende Sommer wirst Du ja bereits nach Berlin ziehen. Leider kann ich Dir während dem Umzug nicht helfen, aber ehemalige Mitstudenten werden Dir ja Deine schweren Kisten schleppen, für ein von Dir offeriertes Abendessen. Ich erinnere mich, gerade in der Anfangszeit nach dem Studium dankbar gewesen zu sein für jede Hilfe und jede noch so kleine Entgeltung für gratis Arbeit. So kannst Du bestimmt auch von der Webseite, die Du für den Freund Deines Bruders gestaltest, profitieren, trotz des nicht vorhandenen Budgets. All diese Arbeiten solltest Du als Chance betrachten, Dir ein Netzwerk aufzubauen. Es ist ganz normal, dass unzählige Arbeitsstunden nicht honoriert werden, zumindest am Anfang Deiner Karriere. Doch vergiss nicht, das Schöne an einem kreativen Beruf ist, dass Dein unaufhaltsames Streben etwas Gutes zu gestalten, die Ausbeutung Deiner Arbeit vergessen lässt. Junge Absolventinnen können von Glück reden mit kleinen Auftragsarbeiten in die Wirtschaft einsteigen zu können und als Studentin hast Du ja gelernt, mit wenig zurechtzukommen. Ausserdem darfst Du im Sommer an der Manifesta in Zürich aushelfen. Eine grossartige Möglichkeit, bei so einem wichtigen Event mit dem vielversprechenden Titel What People do for Money (tsri.ch) als junge Künstlerin mitwirken zu können. Denk dran, auch wenn Du nicht viel verdienen wirst, so ist es doch immer hin ein kleiner Batzen Geld.

Vergangene Woche habe ich Onkel Pauli getroffen. Er ist gerade dabei Offerten für den Bau seiner neuen Restaurantküche einzuholen. Eine der Firmen hat ihn nach seinem Budget gefragt und dementsprechend die Offerte angepasst. Die Konkurrenten waren leider nicht so clever und konnten mit ihren korrekt realistisch kalkulierten Offerten den Auftrag nicht für sich gewinnen. Dir wird es bestimmt auch nicht immer leicht fallen, Deine Arbeit angemessen verkaufen zu können. Aber Du bist ja ein helles Köpfchen und weisst, wann die Kosten den Nutzen nicht übersteigen sollten. Nach den ersten anfänglichen Jahren voller Leistung wirst Du gelernt haben Deinen eigenen Wert zu definieren, so dass Du schlussendlich auch mit immer grösser werdenden Projekten dem Wettbewerb standhalten kannst. Bis Du Dir dann selbst eine Assistentin leisten kannst. Wie Du jetzt bei mir angestellt bist. Eine junge engagierte Studentin, die Dich freiwillig auch ohne Honorar unterstützen will. Dann hast Du die Möglichkeit Deine Erfahrung weiter zu geben und sie zu fördern, so dass beide Seiten davon Nutzen ziehen können.

Ich finde es übrigens grossartig, dass Du Dich auf Game Design spezialisieren möchtest, da in dieser Schnittstelle unterschiedlichste Bereiche der Entertainment Produktion zusammen fallen. Allgemein kann man sagen, dass die Creative Industries ein Tummelfeld sind von kreativen Köpfen und vielen Anderen die fleissig dazu beitragen, dass das Rad der Unterhaltung weiter rollt. Eine interessante Vorstellung, wenn man sich den Creative Worker zweigeteilt vorstellt, auf der einen Seite den Kreativen und auf der anderen Seite den Arbeiter. Du kennst bestimmt die Simpsons Folge von Bansky (www.theguardian.com), die aufzeigt wie Fleissarbeit häufig anderswo ausgelagert wird. Ich mache mir aber um Dich keine Sorgen und überzeugt, dass Du mit Deinem Talent und Fleiss gut gewappnet in die Arbeitswelt starten kannst. Bestimmt wirst Du auch weiterhin unterstützt und gefördert. Denke nur immer daran keine Chance zu vergeben.

Gerade gestern hatte ich ein kurzes Gespräch mit dem Hausmeister. Er meinte, wie schwer er schufte und dass er sich nicht selten fragt, was in den oberen Stockwerken eigentlich geleistet wird. Er bezweifle ja, dass da genauso hart gearbeitet wird. Wenig später durfte ich ihm zuschauen, wie er gemeinsam mit seinem Assistenten drei Stühle über eine Türschwelle hebt. Wie viel Leistung in einer Arbeit steckt, wird leider nicht immer von allen anerkannt, aber lass Dich von diesem Gedanken nicht unterkriegen. Fleissiges Arbeiten zahlt sich immer aus und bald werden die Aufträge grösser und grösser. Diese werden Dir dann zwar noch mehr Energie abverlangen und auch der Leistungsdruck wird bestimmt nicht kleiner werden, soviel kann ich Dir versprechen, aber das gehört zum Job. Man muss sich das Vertrauen der Kunden ja auch erst einmal erarbeiten. Bis Du da angekommen bist, wirst Du Dich daran gewöhnt haben, nächtelang durch zu arbeiten und selbst wenn das Honorar immer noch spärlich ausfällt, Dein Portfolio wird glänzen.

Bestimmt kennst Du den Film der La Sortie de L’Usine Lumière. Er wurde 1895 das erste Mal einem Publikum gezeigt und gilt als älteste Projektion mit dem Cinématographen. Hundert Jahre später kommentiert Harun Farocki in seinem Essayfilm Die Arbeiter verlassen die Fabrik (www.youtube.com)  die Szenen mit folgenden Worten: „Arbeiter rennen, als zöge sie etwas fort (..) Arbeiter rennen, als hätten sie schon zu viel Zeit verloren“. Nun ist es mir natürlich fern die Kunstschule als Fabrik zu bezeichnen, dennoch finde ich es eine passende Allegorie für Deinen Abgang als frische Diplomantin, als die Du nun Deiner Zukunft entgegenblickst. In diesem Sinne freue dich und werde Teil der kreativen Arbeiterschaft von Morgen.

Ich wünsche Dir damit alles Gute.

Mit lieben Grüssen

Paula

PS

Du musst Dir unbedingt auch die Arbeit des Künstlers Andrew Norman Wilson Workers Leaving the Googlecomplex (www.andrewnormanwilson.com) ansehen. Darin zeigt er wie eine Gruppe Google Mitarbeiter, verantwortlich für die Digitalisierung von Informationen, getrennt gehalten wird von den übrigen Mitarbeitenden und ausgeschlossen wird von den sonst üblichen Privilegien, die der farbenfrohe Konzern seinen Angestellten offeriert.

Falls es Dir manchmal schwer fällt zu gestalten und Du den Sinn Deines Schaffens hinterfragst, hier ein Hinweis auf ein Kartendeck, das an der diesjährigen Transmediale in Berlin entwickelt wurde (2016.transmediale.de).

Und weil Du Dich als zukünftige Game Designerin in der digitalen Medienindustrie bewegst hier noch einen Link zu einem spannenden Artikel von Tiziana Terranova, Free Labor: Producing Culture for the Digital Economy (web.mit.edu).

Ach ja, und mein letzter Tipp, falls Du es schaffen solltest diesen Sommer etwas länger in Amsterdam zu bleiben, gäbe es da einen Workshop, der Dich interessieren dürfte: If you are so smart, why are you so poor (hackersanddesigners.nl). Er beschäftigt sich mit dem Thema immaterieller Arbeit und wie sich diese in der technologisierten digitalen Gesellschaft messen lässt.

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Nicole Hametner

Das technische Bild und die Zeit

In einer Gegenüberstellung von Fotografie und dem bewegten Bild versuchte ich mit einem Experiment ausfindig zu machen, wie Dunkelheit im digitalen Videobild wahrgenommen werden kann.

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Das Verhalten des technischen Bildes zur Zeit

In einer Gegenüberstellung von Fotografie und dem bewegten Bild versuchte ich mit einem Experiment ausfindig zu machen, wie Dunkelheit im digitalen Videobild wahrgenommen werden kann. Ich habe eine Bild mit einer analogen Fotokamera während einer Belichtungszeit von zehn Minuten gemacht und gleichzeitig, während derselben Dauer den Bildausschnitt mit einer Videokamera gefilmt.

Weil sich in der Fotografie während der Dauer der Aufnahme das gesamte Licht auf dem Film sammelt, entsteht so ein sichtbares Bild der nächtlichen Landschaft. Dem gegenüber nimmt das Videobild zwar unzählige Einzelbilder auf, jedes davon aber nur in einem Bruchteil einer Sekunde. Durch das zu schwach einfallende Licht pro Bild entsteht ein Rauschen des Sensors. Durch dieses Flimmern der kleinen bewegten Lichtpunkte erschien das Videobild in konstanter Bewegung und stellte sich so direkt der statisch eingefrorenen Fotografie entgegen.

Das Verhalten beider Medien weckte mein Interesse über unsere eigene Wahrnehmung von Zeit nach zu denken.

Maschine und Wahrnehmung

Der Philosoph Henri Bergson stellte der wissenschaftlich messbaren Zeit die persönlich erlebte Dauer entgegen. Wir können Zeit subjektiv erfahren oder sie als klar definierte teilbare Einheit verstehen. Zeit lässt sich also mechanisch messen und Zeit lässt sich erleben, intuitiv wahrnehmen.

Fotografie stammt wie Bergson aus dem Zeitalter der Industrialisierung. Mit dem Aufkommen neuer Technologien ändert sich unsere Wahrnehmung der Zeit. Als der Tageslauf mit dem Betrieb der Fabriken synchronisiert wurde und die Uhr dem Arbeiter zur Pünktlichkeit verhalf. Die Uhr lieferte dem Arbeiter Kontrolle über seinen zeitlich neu strukturierten Alltag, gleichzeitig nahm das im 19. Jahrhundert aufkommende technische Bild Einfluss auf das Gesehene.

Trotz ihres Funktionierens als Maschine, liegt Fotografie ausserhalb der verbalen Sprache, sie ist mit unserem Verstand alleine nicht zu fassen, ähnlich unserer Unfassbarkeit gegenüber der Zeit.

Bergson sieht in der Wahrnehmung und im Bild mehr Realität als im Begriff und im Verstand. «Sich in die Wahrnehmung zu versenken», macht die Zeit, während sie sich ereignet, jenseits des Verstandes zugänglich. (Lazzarato, s.8)

Fotografie und Videobild

In der Dunkelheit nutzte ich die Technik der Fotokamera um sichtbar zu machen, was mit blossem Auge nicht  mehr wahrgenommen werden konnte.

Die Aufnahme war mit einem Warten verbunden, bis die Belichtungszeit vorüber war und auch anschliessend bis das Bild im Chemiebad fertig entwickelt wurde.

Was mich an dem Prozess der langsamen Sichtbarmachung so faszinierte war die Idee des latenten Bildes.

Ein Bild dessen Entstehen sich zwischen Abwesenheit und Präsenz zugleich befindet.

Dieser Schwebezustand zwischen Hier und Dort wird deutlicher in der Tatsache, dass jede Fotografie ein Zeichen von etwas nicht mehr existentiell Anwesendem ist.

Zudem befindet sich Fotografie zeitlich stets zwischen dem Moment der Aufnahme und dem Moment der Betrachtung, wie ein Pendel an seinem toten Punkt.

Neben der Gleichzeitigkeit von Abwesenheit und Präsenz kommt es also auch zu einer Verdichtung von Vergangenheit und Gegenwart.

Während die Realität auf der analogen fotografischen Aufnahme einen Abdruck hinterlässt wird sie im digitalen Videobild ins Unendliche zersplittert, als Daten codiert wird sie als Interpretation durch den Codex wiedergegeben.

Nicht nur der Bezug zum Aufgenommenen ist im Videobild ein anderer, auch sein Verhalten zur Zeit. Durch die ständige Berechnung der Datenmenge befindet sich der Bildaufbau in konstanter Bewegung und erzeugt ein Bild das niemals als Ganzes vorhanden zu sein scheint.

Augenblick und Dauer

Diese Flüchtigkeit eines Bildes liegt auch dem Augenblick inne. Der Augenblick ist der von uns kürzest wahrnehmbare Moment. Er vergeht ebenso schnell wie er in seiner Plötzlichkeit einmalig aufgetreten ist.

Weil jeder Moment, sei er auch noch so kurz auch eine gewisse Dauer hat, lassen sich die beiden Begriffe nicht immer klar voneinander abgrenzen. Dennoch stellt sich der Augenblick als Zeitpunkt verstanden gegenüber der Dauer, die einen gewissen Zeitraum einnimmt.

Wenn man sich die Porträts aus den Anfängen der Fotografie ansieht, wirkt es oft so als würden sie, umhüllt von einem Schleier, Zeit selbst sichtbar machen.

Mit diesem Beispiel ist nicht die Rede von einer klassischen Momentaufnahme welche den entscheidenden Augenblick feiert, ganz im Sinne Henri Cartier Bressons.

Vielmehr resultiert die Ausstrahlung der frühen Porträts aus einer Daueraufnahme, in der über einen längeren Zeitraum Licht eingefangen wurde.

Weil sich die Modelle während der längeren Belichtungszeit nicht stillhalten konnten ist ihre Bewegung im Bild sichtbar. Diese Bewegungsunschärfe verweist auf die Zeit die während der Aufnahme vergangen ist und nun als gesamte Dauer im Bild festgehalten ist. Hier zeigt sich die Verdichtung einer Zeitdauer. Besonders die Bewegungsunschärfe vergegenwärtigt, dass die einzelnen Augenblicke während der Porträtaufnahme, von Anfang bis Ende gleichzeitig im Bild festgehalten wurden.

Die Dauer der Aufnahme wird unendlich verdichtet bis hin zur eingefrorenen Bewegung.

Derart komprimiert endet die Dauer ohne Ausdehnung im Raum bewegungslos – zeitlos.

Ich habe mir Zeitlosigkeit immer als unendliche Weite vorgestellt, bis mir durch den Gedanken der Verdichtung hin zur Dauerlosigkeit bewusst wurde, dass ich wohl fälschlicherweise an den Begriff der Ewigkeit gedacht haben muss. Letztere erstreckt sich ins Unendliche wohingegen Dauerlosigkeit als unendliche Verdichtung hin zu einem Punkt Stillstand bedeutet.

Im Vergleich zu den frühen Porträtaufnahmen ermöglicht die heutige Technik eine augenblickliche Momentaufnahme. Eine Momentaufnahme die als Schnitt in der Zeit die Kontinuität der Dauer bricht.

Das bewegte Bild des Films, das aus Momentaufnahmen besteht, bewirkt durch eine rasche Aneinanderreihung derer eine Illusion von Bewegung und erzeugt so eine Simulation von Dauer. So auch das digitale Videobild, welches zerteilt in unzählige Fragmente sich in ständiger Bewegung befindet. Nichts steht still, alles ist ins unendliche zersplittert.

Die Kamera und ich

Angetrieben von den Beobachtungen in meinem Experiment, kam in der Dunkelheit stehend zwischen Fotokamera und Videorecorder die Frage auf, wo ich mich selbst mit meiner Wahrnehmung von Zeit zwischen Moment- und Daueraufnahme positionieren würde.

So wie die analoge fotografische Dauerbelichtung das Licht über einen längeren Zeitraum speichert, so verstehe ich auch mein eigenes Erleben als Ansammlung von Dauer, die sich in meiner Erinnerung manifestiert. Dennoch kommt es dabei nicht zum Stillstand wie in der Fotografie.

Meine unmittelbare Wahrnehmung in der Dunkelheit liegt näher am Videobild, da mein Auge in der Dunkelheit beinahe nur ein Flimmern wahrnimmt, ähnlich dem Rauschen des Sensors der Videokamera. Mein Erleben ist auch zerteilt in einzelne Augenblicke, eine Ansammlung von Momentaufnahmen. Als Reize die weitergeleitet, als Signale in konstanter Bewegung, in meinem Gehirn ein Ganzes simulieren.

In beiden Fällen ermöglichte mir das Warten auf das Bild einen Fokus auf die Wahrnehmung und mit dieser wurde mir, die Zeit, ganz im Sinne von Bergson, ein kleines Stück zugänglicher.

Maurizio Lazzarato. Videophilosophie. Berlin: b-books. 2002

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Text
Nicole Hametner

Nachdenken über Zeit

Eine Dokumentationsreihe von Arte versucht der komplexen Frage nach der Zeit nachzugehen.

FB

Zwischen 1903-1905 lebte Albert Einstein an der Kramgasse in Bern. In diesem Raum hängt die Uhr, von welcher Albert Einstein die Zeit abgelesen und möglicherweise auch über ihr Verhalten nachgedacht hat. 1916 erschien seine Relativitätstheorie, mit der er die bisherige Vorstellung von Raum und Zeit revolutionierte.

Eine Dokumentationsreihe von Arte versucht der komplexen Frage nach der Zeit nachzugehen.

 

 

Als Ergänzung eine kleine Liste als Anregung das eigene Nachdenken über Zeit zu vertiefen:

Olaf Arndt und Rob Moonen, CAMERA SILENS, 1994
Olaf Arndt und Rob Moonen, CAMERA SILENS, 1994
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989
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Text
Nicole Hametner

Schweigender Raum

In seiner Vorlesung A Universe From Nothing erläutert der Kosmologe und Physiker Lawrence Krauss, dass unser Universum vor 13.7 Milliarden Jahren aus dem Nichts entstanden ist. Es ist schwierig sich vorzustellen wie dieses komplette Nichtvorhandensein ausgesehen haben muss. Nichts das es möglich wäre zu beschreiben und in irgendeiner erdenkbaren Weise wahrzunehmen. Keine Masse, keine Anziehungskraft, keine Energie oder Geräusch, auch die Zeit existierte nicht.

FB

In seiner Vorlesung A Universe From Nothing erläutert der Kosmologe und Physiker Lawrence Krauss, dass unser Universum vor 13.7 Milliarden Jahren aus dem Nichts entstanden ist. Es ist schwierig sich vorzustellen wie dieses komplette Nichtvorhandensein ausgesehen haben muss. Nichts das es möglich wäre zu beschreiben und in irgendeiner erdenkbaren Weise wahrzunehmen. Keine Masse, keine Anziehungskraft, keine Energie oder Geräusch, auch die Zeit existierte nicht.

So mancher mag sich in der Hektik unserer Zeit ein Innehalten wünschen, um zwischendurch fern aller Reizüberflutung, dem Übermass an Informationen zu entkommen. Der Wunsch einer bewussten Wahrnehmung bis hin zur vollkommenen Kontemplation des eigenen Selbst ist sehr präsent in unserer hastigen Gesellschaft. Doch was würde die absolute Erfüllung dieses Wunsches bedeuten? Wie weit können wir auf uns selbst zurückgeworfen sein, losgelöst von den Einwirkungen der Aussenwelt? Und was wenn ein Mensch gezwungen wird in Abschottung, jeglichen Sinneseindrücken beraubt, zu leben?

Im Zusammenhang einer Porträtaufnahme, die ich von Kurt Eggenschwiler, dem Leiter der Abteilung Akustik an der EMPA (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt) machen durfte, hatte ich die Möglichkeit durch deren Laboreinrichtungen geführt zu werden. Dort wird in unterschiedlich ausgestatteten Räumen die Wirkung des Schalls untersucht. Was mir dabei am stärksten in Erinnerung blieb war das Erlebnis in einem komplett schallfreien Raum zu stehen. Einer totalen Stille ausgesetzt, überkam mich innerhalb kürzester Zeit ein beklemmendes Gefühl. Die Lautlosigkeit umhüllte mich wie ein dumpfes, traumähnliches Etwas. So schien sich die Abwesenheit des Schalls in eine starke, ungreifbare, beunruhigende Präsenz zu verwandeln und ein Unbehagen machte sich in mir breit.

Wenn nun bereits die Einschränkung von nur einem Sinn eine leichte Desorientierung zur Folge hat, so ist es nicht schwer sich vor zu stellen, welch drastische Auswirkungen ein kompletter Entzug jeglicher Wahrnehmungsreize auf den Menschen haben kann.

Forschung: Isolationsexperimente

In den 50er Jahren wurde an der MC Gill University in Montreal Versuche durchgeführt, in denen die Probanden einem schallisolierten, dunklen Raum ausgesetzt wurden. Das gesamte Experiment musste allerdings bereits nach wenigen Tagen abgebrochen werden, weil die Versuchspersonen es nicht länger in der Isolation aushalten konnten. Wenn man bedenkt, dass sich ohne den natürlichen Verlauf von Tageslicht unser Zeitgefühl verschiebt, müssen sich bei vollkommender Dunkelheit, Stunden bereits wie Tage anfühlen.

Die Forscher stellten fest, dass schon nach nur wenigen Stunden die Konzentration der Studenten erheblich nachliess und einige unter ihnen sogar anfingen Stimmen zu hören oder Bilder vor sich zu sehen. Der kanadische Psychologe Donald Hebb schlussfolgerte, dass Nervenzellen ohne äussere Einwirkung beginnen mit sich selbst zu kommunizieren und dadurch Halluzinationen auslösen können. So entstand eine neue Art der Gehirnforschung, welche sich gezielt der Methode der Isolationsexperimente bediente. Darunter gehörte auch der sogenannte Sensory Deprivation Tank: ein licht- und schalldichter, mit Öl und Salzwasser gefüllter Behälter. Total isoliert und in schwebendem Zustand, durchlebten einige Probanden darin ein Gefühl die Grenze ihres Körpers zu verlieren.

Auch wenn sich dies im ersten Moment entspannend anfühlen mag, so kann ein längeres ausgesetzt sein in dem Tank bis hin zum Verlust der Identität führen. Unsere Identität bildet sich wenn wir uns zum ersten Mal als eigenständiges Ganzes wahrnehmen, deutlich abgegrenzt von unserer Umwelt. Der Mensch ist darauf gerichtet mit seinen Sinnen Veränderungen in seiner Umwelt wahrzunehmen und sich durch Abgrenzung davon selbst zu definieren. Nur so kann er sich als selbstständiges Individuum wahrnehmen. Dafür ist es aber auch notwendig einen ständigen Bezug zu dem was uns umgibt zu haben, wir brauchen eine sinnliche Empfindung davon. So kann, umgeben von radikaler Unsichtbarkeit und Stille, die Wirkung von fehlenden Sinneseindrücken schon nach relativ kurzer Zeit selbstentfremdend wirken.

Kunst und Folter

Die Kunst spielt mit der Wahrnehmung des Betrachters. Besonders in raumübergreifenden Werken, werden unsere Sinne auf die Probe gestellt, werden getäuscht und entgleiten vorderhand unserer Kontrolle.

Olaf Arndt und Rob Moonen, CAMERA SILENS, 1994

In ihrer Installation Camera Silens haben Rob Moonen und Olaf Arndt einen schallisolierten Raum geschaffen, in dem jegliche Sinneseindrücke auf ein Minimum reduziert werden. Die Präsenz der Stille wirft den Betrachter zurück auf sich selbst, seine Gedanken, sein Atmen und seinen Herzschlag. Ohne weiteren Referenzpunkt verliert er sich in der Camera Silens, oder wie Olaf Arndt es formuliert: «kann jeder darin sein persönliches Nichts erfahren.»

Ursprünglich als Gegenpol zur Informationsflut in unserem Medienzeitalter verstanden, erhält die Arbeit von Moonen und Arndt gezeigt in den Berliner KunstWerken Zur Vorstellung des Terrors: Die RAF Ausstellung eine völlig neue Bedeutung. In diesem Kontext spannt der Titel ihrer Arbeit Camera Silens, eine schallisolierte Dunkelzelle, den Bogen von den frühen Isolationsexperimenten der Gehirnforschung hin zur Isolationshaft in Gefängnissen.

Früh nahm die experimentelle Psychiatrie Einfluss auf künftige Foltermethoden. So wurden Zwangsjacken, Elektroschocks und Isolationshaft, welche dazu dienen sollte die sogenannten Kranken zu lenken und zu therapieren, bald auch an Häftlingen angewandt. Da die Isolation im Gefängnis ohne den Austausch unter den Mitgefangenen noch schwerer zu ertragen ist, wird Einzelhaft häufig als Druckmittel eingesetzt. In extremen Fällen wird dafür eine Camera Silens verwendet, eine schallisolierte Black Box. Eingesperrt auf engstem Raum, in Dunkelheit und dem Entzug jeglicher äusseren Wahrnehmung wird der Gefangene innerhalb kürzester Zeit psychisch und physisch gebrochen und durch Gehirnwäsche zur Aussage gezwungen. Der Begriff sensorische Deprivation, die Beraubung jeglicher Sinneseindrücke, gehört zu den Methoden der Weissen Folter. Diese trägt den Namen, weil die kaum äusserlich sichtbare Spuren an den Gefangenen hinterlässt. Der Angriff zielt direkt auf die Psyche der Opfer.Auch Gregor Schneider verweist mit seiner Kunst auf Methoden der Weissen Folter. Seine Installationen lösen ein befremdlich, einengendes Gefühl aus. So auch im Werk Total isolierter, toter Raum, einer schwarzen schallisolierten Kammer, in welcher der Betrachter jeden Anhaltspunkt für Orientierung verliert. Julian Heynen beschreibt es als einen „Nicht-Ort, der nicht als Gegenüber oder als Ausweitung eines menschlichen Körpers auftritt, sondern alles auf die referenzlose Selbstwahrnehmung zurückwirft.“In einer Umgebung ohne sinnliche Reize bleibt unserer Wahrnehmung einzig die Erinnerung an das bereits Erlebte. Denn was kann im Nichts sonst noch wahrgenommen werden? In Abwesenheit einer spürbaren Umwelt beginnen wir die fehlende Realität selbst zu generieren, was eine Desorientierung und Destabilisierung unserer Psyche zur Folge hat. So kann das Innen ohne ständigen Bezug zum Aussen nicht stabil bleiben. Wir werden von unserem inexistenten Gegenüber zurück ins Nichts verschluckt. Wenn der Raum in dem wir uns befinden zu verschwinden droht und nichts von unseren Sinnen mehr wahrgenommen werden kann, löst sich unser Selbst auf. Es ist grundlegend für den Menschen seine Umwelt mit seinem Körper erfassen zu können, deshalb ist die Leere eine wesentliche Bedrohung. Da er sich erst durch sein sinnliches Erleben in der Welt definiert, verkümmert er eingesperrt und beraubt von dieser Erfahrung.

Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989 Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989 Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989 Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989 Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989 Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989 Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989 Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989 Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989 Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989 Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989 Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989 Gregor Schneider, u r 8, TOTAL ISOLIERTER TOTER RAUM, 1989

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Tipp
Nicole Hametner

Humor ist wenn man trotzdem lacht

Bundesrat Schneider Ammann’s Rede zum Tag der Kranken.

FB

Vom althochdeutschen «wizzi» (Wissen, scharfe Beobachtung, geistige Wendigkeit) her kommend, wurde der Witz im Mittelalter mit hoher Denkkraft, Schlauheit und gesundem Menschenverstand in Verbindung gebracht. Vom französischen Begriff «esprit» beeinflusst, wurde er im 17. Jahrhundert als geistreiche, scharfsinnig formulierte Ausdrucksweise geachtet, bis er dann im 19. Jahrhundert seinen Weg in das Scherzhafte fand. So liegt der Witz heute im alltäglichen Gebrauch oft als ein ordinärer, kurzer spöttischer Text verstanden, doch weit entfernt von dessen Ursprung als geistreiche Äusserung und Redegewandtheit.

Hier ein ungewolltes Beispiel: Bundesrat Schneider Ammann’s Rede zum Tag der Kranken