Ausgabe #5
April 2013

Gegenwelten

Gegenwelten

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Editorial
Barbara Mauck

Nichts – Editorial zur Ausgabe «Gegenwelten»

FB

„Und bei der Ausgestaltung dieser Welten erlebe ich mehr Freude und Stolz als Alexander oder Cäsar bei der Eroberung der irdischen Welt und obwohl ich meine gleissende Welt zu einer friedfertigen gemacht habe mit nur einer Religion, einer Sprache und einer Regierung, könnte ich ebenso gut eine andere Welt erschaffen, die so voller Brüche, Abgrenzungen und Kriege ist wie diese voller Ruhe und Frieden; und die rationalen Gestalten meines Geistes könnten so kampfesmutig sein wie einst Hector und Achill, so klug wie Nestor, so redegewandt wie Odysseus und so schön wie Helena.“

So beschreibt Margaret Cavendish, Herzogin von Newcastle, Dramatikerin und Naturphilosophin, im Jahr 1666 das Projekt einer Blazing World – einer Gegenwelt gewissermassen, in der, frei flottierend zwischen Utopie und voyage imaginaire, Bären–Menschen Experimental–Philosophen mimen und Fuchs–Menschen Politiker verkörpern, während Redner sich in Papageien–Menschen verwandeln und die „gewöhnlichen“ Menschen je nach Funktion manchmal himmelblau, tiefpurpurn oder grasgrün sind.

Wer immer denkt, dass Texte allein aus einem inneren Drängen heraus geschrieben werden, irrt. Dieser Text zum Beispiel entsteht, weil ich dazu angehalten wurde. Ich selbst käme von alleine nie auf diese Idee, ich brauche zum Schreiben knappe Fristen und mindestens eine Mail wie diese:

Liebe Barbara?
Wir bräuchten spätestens heute Abend/morgen gaaanz früh das Editorial für die Ding-Dong-Ausgabe zu Gegenwelten.
?Klappt das bis dahin???
?LG?Van

Meine Redaktion und ich kennen das schon. Genie entfaltet sich erst unter Druck. ?Ich nehme mir also vor, am nächsten Tag und zu einer bestimmten Uhrzeit anzufangen. Ist diese Zeit gekommen, checke ich meine Mails, mache mir einen besonders starken Kaffee und blättere erst im und sortiere dann mein Bücherregal. Schliesslich beginne ich, das Bad zu putzen und Wäsche zu waschen. In schlimmen Fällen bügle ich oder bereite den Altkleidersack für nächstens einmal vor. Dann gehe ich einkaufen und räume auf. ?Das ist natürlich nicht gut – ich weiss das genau. Die Zeit läuft weiter, die eingehenden Anrufe werden dringlicher, erst bittender, dann schärfer, man kennt das ja. Und ich tue just in diesem Moment Dinge, nicht, weil sie unbedingt getan werden müssten. Hätte ich keine Frist – meine Mails, meine Wohnung, die Einkäufe – sie könnten getrost noch ein wenig warten. Ich habe kein Problem mit Unordnung. Ich betrete die Gegenwelt des Haushalts-Lalas bereitwillig, um nicht schreiben zu müssen.

Wie für alles gibt es auch für dieses Nichtstun einen Fachbegriff: Prokrastination – auf Deutsch: Vermorgung. Es ist gut und reichlich darüber geschrieben und auch philosophiert worden. Besonders Studierende und das „Prekariat“ sind betroffen. Max Goldt zum Beispiel wechselt Glühbirnen und macht Sport. Es hat mit Faulheit nichts zu tun. Die Vermorgung kommt spartenübergreifend und in allen Berufsgruppen vor. Es gibt, wie überall, auch hier Profis und Selbsthilfegruppen.
Immer, wenn ich schreiben muss, bin ich eine von ihnen. Ich bete beim Prokrastinieren das Mantra prominenter Vorreiter mit eigenem Blog: „Nicht der Aufschiebende ist lebensuntauglich, vielmehr ist sein Umfeld mit falschen Erwartungen und überkomplizierten Organisationsstrukturen verseucht“, steht da. Ja!

Warte aber ich auf etwas, habe ich den Termin gesetzt, flehe, bettle ich um eine Zeile, eine Seite, irgendetwas, sieht die Welt anders – organisationsfähig, multitasking und effizient – aus,  irgendwie einfacher, geradezu mittelalterlich. Kurz: Ich verstehe meine Redaktion. Man möchte vierteilen, kreuzigen, teeren und federn können.

„Jede Form von Identität muss durch das Nadelöhr des anderen hindurch“, nennt das der britische Kulturwissenschaftlicher Stuart Hall. ?So scheint es zu sein. Irgendwo, irgendwie, irgendwann. Das Morgen ist ein offenes, sinnliches Ein- und Ausstiegsangebot voller Möglichkeiten – eine andere Welt, die hier eine Brücke ins Gestern schlägt. Zurück in das 17. Jahrhundert und zu den Phantasmen jener Herzogin von Newcastle, mit der dieser Text begann und nun auch enden soll:
„Und sollte es Menschen geben, die meine Welt mögen und bereit sind meine Untertanen zu sein, können sie sich als solche vorstellen und dann sind sie das auch – ich meine in ihrer Vorstellung und Fantasie. Doch wenn sie es nicht ertragen können, Untertanen zu sein, können sie ihre eigenen Welten erschaffen und sich so regieren wie sie wollen.“

Ach ja – ein Nachsatz. Jetzt reicht’s. Ich muss schliesslich auch einmal nichts tun können.

Literatur
?Margaret Cavendish, Gleissende Welt. München, 2001.?
Stuart Hall, Rassismus und kulturelle Identität. Hamburg, 1994.?
Max Goldt, siehe: www.youtube.com/watch
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Text
Oliver Noack, Hannes Brückner und Aaron Tinschert

Subkulturen der DDR

Sagt ihr euch ich komme aus Ostdeutschland wie Angela Merkel, Die Prinzen, Rammstein, Die Ärzte, Die Toten Hosen oder Nina Hagen und gehöre einer dieser Subkulturen an oder gleich mehreren und ich will wissen was nun früher meine Subkulturenmitläufer gemacht haben? Dann seid ihr hier falsch...

FB

Ihr wollt wissen was eine Subkultur ist? Ihr seid Punk? Ihr seid Gothic? Ihr seid Rocker? Ihr seid Schwul? Ihr seid Drogenabhängig? Oder ihr geht einfach nur ins Rotlichtmilieu um Spaß zu haben?

Und nun sagt ihr euch ich komme aus Ostdeutschland wie Angela Merkel, Die Prinzen, Rammstein, Die Ärzte, Die Toten Hosen oder Nina Hagen und gehöre einer dieser Subkulturen an oder gleich mehreren und ich will wissen was nun früher meine Subkulturenmitläufer gemacht haben? Dann seid ihr hier falsch.. …nein natürlich nicht, ihr seit komplett richtig auf Subkulturen klicken und los gehts!

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Text
Jörg Friedrich, The European

Tipp
Ivan Weiss

Keine Angst vor Second Life

Die große Zeit der Simulation "Second Life" ist schon lange vorbei. Es zeigt jedoch, warum im Internet immer noch der Nutzer bestimmt, wo es lang geht.

FB

Vor rund zehn Jahren, im Herbst 2002, wurde die Beta-Version von „Second Life“ veröffentlicht, rund fünf Jahre später war das System, das seinen Benutzern ermöglicht, in einer virtuellen Welt per Avatar zu handeln und zu interagieren, auf einem Höhepunkt angekommen. Ausgelöst durch das schnelle Wachstum der Zahl der angemeldeten Benutzer, war „Second Life“ plötzlich zum Gegenstand der Medien geworden. Psychologen, Pädagogen, Soziologen, Ökonomen und Kriminologen analysierten, diskutierten und kritisierten das neue Phänomen und warnten – wenig überraschend – vor den Folgen seiner Ausbreitung. Neue Formen der Abhängigkeit und Sucht sah man entstehen, ungeahnte Realitätsflucht der „Bewohner“ wurde beschworen und natürlich auch vor der unkontrollierbaren Ausbreitung von Pornografie und Gewaltverherrlichung gewarnt. Man sah schon ganz deutlich, wie die ganze Jugend der westlichen Hemisphäre, verborgen in dunklen Kinderzimmern vor leuchtenden Monitoren, an die böse, gefährliche Scheinwelt von „Second Life“ verloren gehen würde – um natürlich dort am Schluss von einem übermächtigen Konzern manipuliert, in Abhängigkeit gehalten und schließlich ausgebeutet zu werden.

„Second Life“ ist in Vergessenheit geraten

Heute ist „Second Life“ fast vergessen, die Benutzerzahlen sind seit Jahren im steten Sinkflug, die investigativen Journalisten haben ihre Accounts gelöscht, die Nachrichtendienste ihre Agenten abberufen. Die Warner und Untergangs-Propheten, die zuerst die jungen Leute und dann uns alle im Sumpf der digitalen Medien und virtuellen Welten versinken sehen, sind nicht leiser geworden, sie füllen weiterhin die Regale der Bücherläden und die Seiten der Feuilletons.

Dabei ist „Second Life“ ein schöner Fall, an dem man gut beobachten kann, was wirklich dran ist an der These, dass das Internet und die mobile Kommunikation unser Denken und Handeln so gravierend und radikal verändern. Das Bild, was da gezeichnet wird, ist nicht neu: eine riesige Maschinerie, die sich als Netz über unser ganzes soziales Leben wirft, fängt uns ein und lässt uns nicht entkommen. Sie lockt uns mit irgendwelchen interessanten, hilfreichen oder den Spieltrieb befriedigenden Mittelchen: Vor ein paar Jahrzehnten waren es Radio und Fernseher oder Schnickschnack am Auto, heute sind es die Apps für alles Mögliche, Nachrichtenströme, Kommunikationsfetzen, die uns auf Mobiltelefonen und Flachbildschirmen angezeigt werden. Die machen uns süchtig, lassen uns die wirkliche Welt vergessen, wir liefern uns ihnen aus und schließlich werden wir zu Sklaven des technischen Netzes.

Angetrieben wird diese Maschinerie natürlich von kapitalistischen Großkonzernen, und hinter denen wiederum verbergen sich ein paar geldgierige und skrupellose Geschäftemacher, die uns in ewiger Dummheit und Abhängigkeit halten werden.

Der Fall von „Second Life“ zeigt, warum dieses Bild, dieses Schreckensszenario, falsch ist: An der Tastatur, vor den Bildschirmen sitzen Menschen, und die lassen sich nur von etwas gefangen nehmen, was sie schon vorher, bewusst oder unbewusst, gewollt haben. Das beste Mittel gegen die Allmacht der Konzerne ist die Langeweile der Benutzer. Sie lassen sich auf Neues ein, sie spielen eine Weile damit, und wenn es langweilig wird, lassen sie es wieder sein. Diese Benutzer sind weit kritischer als die Technikkritiker sich überhaupt vorstellen können: Sobald sie irgendetwas wirklich stört, etwa wenn sich die Werbung zu sehr in den Vordergrund schiebt oder die Gestaltungsmöglichkeiten zu begrenzt sind, ziehen sie weiter. Das Sterben der VZ-Netzwerke ist dafür auch ein gutes Beispiel.

Das Internet ist abhängig von seinen Benutzern

Schaut man genau hin, dann sind nicht die Nutzer von den Betreibern der sozialen Netzwerke abhängig, sondern das Gegenteil ist der Fall: Durch die Vernetzungsmöglichkeiten, die der Betreiber selbst bietet, schafft er die Plattform für Ablehnung und Verweigerung, die ihn in den Abgrund ziehen kann. „Second Life“ geht daran zugrunde, dass jeder sieht, dass die schöne virtuelle Welt eine Wüste der Einsamkeit wird. Auf Twitter findet man die Links zu alternativen Anbietern, die genutzt werden können, sobald die Plattform nicht mehr das macht, was die Benutzer wollen. Die Auswanderung in ein neues gelobtes Land ist immer nur einen Mausklick weit entfernt. Mit dem letzten Tweet wird die Einladung ins neue Netzwerk an alle Freunde verschickt.

Ist also alles ganz wunderbar und gibt es gar nichts auszusetzen an der schönen neuen Welt des Internets? Offensichtlich nicht. Es wäre nur weit gefehlt, die Ursachen dessen, was unsere Gesellschaft ganz allmählich in Richtung Atomisierung treibt, was das gesellschaftliche Band auflöst, im Internet, in den Medien oder den Informationstechnologien zu suchen. All diese Techniken sind nicht der Grund, sondern die Folge eines Prozesses der Veränderung der Kultur, die man durchaus kritisch analysieren kann. Das Internet, wie es uns heute mit sozialen Medien begegnet, auf denen Freundschaftsbeweise und Unterstützung in Icon-Form ausgetauscht und Informationsfetzen, wenn sie denn die eigene Meinung bestätigen, unreflektiert weiterverteilt werden, dieses Medium ist so geworden, wie es die vernetzte Vernunft schon lange zuvor gewollt und gefordert hat, und es wird sich auch nur in dem Maße und in die Richtungen weiterentwickeln, wie es die Menschen mit ihren Wünschen und Sehnsüchten fordern. Wer das kritisieren will, muss bei diesen Wünschen, diesen Sehnsüchten ansetzen, und nicht bei der Technik, die sie befriedigt.

Quelle: The European
Auch zu diesem Thema: Die Frühjahres-Ausgabe 2013 des Magazins Fluter beleuchtet das Thema Internet aus verschiedenen Winkeln.
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Text
Claus Noppeney

"Kreative Karrieren" – Store Artists in Nordamerika und Grossbritannien

Die Aufgabe eines Store Artist gehört ganz selbstverständlich zum Stellenplan jeder der rund 350 Filialen in Nordamerika und Grossbritannien. In einigen Läden sorgt eine Illustratorin, in anderen ein Kommunikationsdesigner, eine Medienkünstlerin oder auch ein Maler für die Atmosphäre. Viele Kunden schätzen das Besondere der Atmosphäre. Es ist eben nicht mehr nur ein Supermarkt.
"Kreative Karrieren" ist ein gemeinsames Forschungsprojekt der Departemente Wirschaft und Hochschule der Künste der Berner Fachhochschule unter der Leitung von Nada Endrissat und Claus Noppeney.

FB

„Mein Job ist ein Mix aus Kunst und Marketing. Ich bin dafür verantwortlich, wie der Laden aussieht: Das beginnt mit den grossen Bildern und reicht bis zu den kleinen, eher technischen Schildchen samt Preisangaben und anderen Informationen zu den Produkten. Es sind sehr verschiedene Sachen, die wir machen – ziemlich speziell und wohl auch einzigartig. Auch Poster gehören dazu und die eher künstlerischen Kreidebilder auf den grossen Tafeln. Wir machen das alles hier selbst im Laden. Ich habe auch einen Assistenten, der mir bei der Arbeit hilft. Sicher, alles, was wir tun, dient einem Ziel – schliesslich arbeiten wir in einem Unternehmen. Aber wir haben die Freiheit zum künstlerischen Arbeiten. Also es ist natürlich ein Job, aber wir haben die Freiheit Kunst zu machen. Verstehst Du? Es macht Spass. Es ist einfach gut hier zu sein.“, Robert, 26, Store Artist. Robert arbeitet für die Supermarktkette WholeFoodsMarket in Toronto. Die Aufgabe eines Store Artist gehört ganz selbstverständlich zum Stellenplan jeder der rund 350 Filialen in Nordamerika und Grossbritannien. In einigen Läden sorgt eine Illustratorin, in anderen ein Kommunikationsdesigner, eine Medienkünstlerin oder auch ein Maler für die Atmosphäre. Viele Kunden schätzen das Besondere der Atmosphäre. Es ist eben nicht mehr nur ein Supermarkt. Wache Augen sehen die Unterschiede zwischen den Läden und erkennen eigene Handschriften. Manchmal gewinnt man den Eindruck, dass die Echtheit und Einmaligkeit der Bilder auf die alltäglichen Produkte in den Regalen und an den Ständen ausstrahlen. Die traditionelle Handarbeit, von denen die Bilder in Spuren erzählen, überträgt sich auf das Warenangebot, verklärt seinen gewöhnlichen Gebrauchswert und schafft einen Mehrwert –zumindest als Tauschwert. Oder was kann man sonst mit einem Kilo Äpfel oder einem Stück Käse machen als es einfach essen?

„Kreative Karrieren“ ist ein gemeinsames Forschungsprojekt der Departemente Wirschaft und Hochschule der Künste der Berner Fachhochschule unter der Leitung von Nada Endrissat und Claus Noppeney.

Endrissat, N., & Noppeney, C. 2012. The Creative Self on Sale: Work Experiences of Store Artists. Academy of Management Proceedings, 2012.Noppeney C. & Endrissat, N. 2013. Supermärkte als kreative Hotspots. GDI-Impuls, Jg. 31: Nr. 1: Heft 95 (2013), S. 74-79.

 

Glass house in Christiania
Glass house in Christiania
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Text
sda/dpa, NZZ

Das Ende des "Freistaat Christiania"

Der Kopenhagener "Freistaat Christiania" hat den juristischen Streit um sein vor 40 Jahren erkämpftes Selbstbestimmungsrecht endgültig verloren. Dänemarks Oberstes Gericht sprach dem Staat das volle Nutzungsrecht über das Gelände des legendären Alternativ-Quartiers im Zentrum von Kopenhagen zu.

FB

Glass house in Christiania

sda/dpa Das Gericht wies die Berufung der «Christianitter» gegen ein gleichlautendes Urteil in zweiter Instanz 2009 zurück. Die Regierung von Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen ist damit ihrem seit Jahren erklärten Ziel erneut ein Stück nähergekommen, die 1971 entstandene «Hippie-Republik» in einen normalen Stadtteil umzuwandeln. Tausende junge Dänen hatten das 34 Hektar grosse und verlassene Kasernengelände im Stadtteil Christianshavn gestürmt, besetzt und seitdem erfolgreich gegen alle Versuche zur Räumung verteidigt. Ohne Erfolg machten sie vor Gericht ein «unkündbares Nutzungsrecht» geltend, weil sie das Gelände unter Duldung der Behörden seit vier Jahrzehnten unterhalten und selbständig verwaltet hätten. Streit dauert seit 1971Der Streit um Verbleib oder Räumung des Quartiers mit knapp 1000 Bewohnern gehört seit der Besetzung fest zum politischen Alltag in Dänemark. 2004 kündigte die immer noch amtierende Mitterechts-Regierung das nach und nach zwischen Behörden und «Cristianittern» ausgehandelte Abkommen über die Nutzungsrechte.Sie will erreichen, dass Zuzug, Wohnrechte und Ähnliches wie in jedem anderen Stadtteil unter anderem auch durch Marktmechanismen mit Angebot und Nachfrage geregelt werden. Bisher entscheiden die Bewohner in ihrer Vollversammlung, wer ein Wohnrecht bekommt. Auflugsziel für TouristenIn den vergangenen Jahren hat sich eine wachsende Mehrheit von ihnen für Kompromisse mit Ministerien und Behörden ausgesprochen, um Christiania als «soziales Experiment» weiterentwickeln zu können. Unter Kopenhagen-Touristen ist Christiania neben der Kleinen Meerjungfrau und dem Vergnügungspark Tivoli das beliebteste Ausflugsziel.

Quelle: www.nzz.ch/aktuell/international/daenische-hippie-republik-verliert-endgueltig-vor-gericht-1.9592250

ee Lozano: Genreal stike piece, 1969
ee Lozano: Genreal stike piece, 1969
Installationsansicht der Ausstellung DOGMA bei Metro Pictures
Installationsansicht der Ausstellung DOGMA bei Metro Pictures
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Text
Stefan Sulzer

Away we go

FB

Das Verlangen, dem normativen Diktat der Masse einen eigenen, andersseitigen Entwurf als mögliche Gegenwelt zu präsentieren, manifestiert sich bisweilen in sehr abenteuerlichen Haltungen.  So beispielsweise in Lee Lozanos kalkulierten Strategie des Rückzugs, der nicht nach einer Wirkung sucht deren Sprengkraft über den singulären Akt der Auflehnung einer einzelnen Person hinauszuwachsen und eine Flächenbrand ähnliche Ausbreitung und somit Ansteckung der Masse erzielen soll. Ihre Art des Gegenentwurfs wird nicht einem möglichen Einbezug unbekannter Anderer angepasst, sondern verläuft eng und stringent entlang klar platzierter Parameter. Er soll weder inspirierend noch einladend wirken. Ihr  General Strike Piece, das sich 1969 Lozanos Distanzierung aus der New Yorker Kunstszene zum Inhalt machte, erfuhr eine ungeahnte Steigerung, als ihre für wenige Wochen angelegte Arbeit Decide to Boycott Women, in eine lebenslange, bis zu ihrem Tod siebenundzwanzig Jahre später führende, Weigerung jeglicher Interaktion mit Frauen führte. Sie soll soweit gegangen sein und nicht mal mehr einen Laden betreten haben wenn er von einer Frau bedient wurde, genauso wenig wie sie während ihres kurzen comebacks in die New Yorker Szene im Jahr 1998 mit weiblichen Ausstellungsmachern kollaborieren würde.

Ganz anders Praxis des französischen Kollektivs Claire Fonataine. Hier wird durch unzählige Schriften, Interviews und anderweitige Publikationen und Ausstellungen klar, dass die künstlerische Arbeit Teil eines grösseren Ganzen ist, dessen immenser theoretischer Überbau einen gleichberechtigten Platz im Kosmos Claire Fontaine einnimmt. Oder, in nochmals anderer Manier, beim deutsch-englischen Künstler Tino Sehgal, wo das allseits bekannte Moment des erklärenden Dokumentierens (gerade im Feld der Performance) der ephemeren Begegnungen Platz macht. Seine „konstruierten Situationen“ fordern das in der Kunstwelt omnipräsente Kriterium der venalen Aneignung durch die präzise Einflussnahme des Künstlers heraus.

All dies geschieht natürlich nicht, ohne dass das System Kunstmark auch hier Wege findet, Werke in seinem nimmersatten ökonomischen Schlund zu verschlingen. Sei es durch massgeschneiderte Neon Portraits des Hundes zahlungswilliger Käufer (Claire Fontaine) oder der Tatsache, dass Lee Lozanos Nachlass durch eine der grössten kommerziellen Galerien der Welt, Hauser & Wirth, verwaltet wird.

ee Lozano: Genreal stike piece, 1969
Installationsansicht der Ausstellung DOGMA bei Metro Pictures
Weitere Informationen:
Lee Lozano:
www.frieze.com/issue/review/lee_lozano_and_bik_van_der_pol/
Tino Sehgal:
www.zeit.de/2012/31/Kuenstler-Tino-Sehgalwww.spiegel.de/kultur/gesellschaft/kunststar-tino-sehgal-brachial-an-den-start-gehen-a-674565.html
Claire Fontaine:
www.clairefontaine.ws/index.htmlwww.frieze.com/issue/article/claire_fontaine/
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Text
Patricia Schneider

Konstruierte Welten

Stadtpläne, Karten und kartographische Darstellungen helfen uns bei der Orientierung und können spezifische Aspekte unserer Welt visualisieren. Der Versuch die Realität zu erfassen und darzustellen ist immer eine subjektive Konstruktion. Die folgenden Abbildungen verweisen auf unterschiedliche Projekte die sich mit kartographischen Darstellungen oder der Wahrnehmung von Stadträumen beschäftigen.

FB
UTOPIE AUS PAPIER: Im Kunstprojekt  "Home Sweet Home", das im Rahmen des Festivals Theaterformen durchgeführt wurde, konnten die Bewohner von Braunschweig ihre Stadt aus farbigem Papier neu entwerfen.
UTOPIE AUS PAPIER: Im Kunstprojekt  "Home Sweet Home", das im Rahmen des Festivals Theaterformen durchgeführt wurde, konnten die Bewohner von Braunschweig ihre Stadt aus farbigem Papier neu entwerfen.
SURREALER WELTENTWURF: Die Weltkarte die Yves Tanguy 1924 entworfen hat, stellt die Sicht auf unsere Welt radikal infrage und kann als surrealistisches Manifest verstanden werden.
SURREALER WELTENTWURF: Die Weltkarte die Yves Tanguy 1924 entworfen hat, stellt die Sicht auf unsere Welt radikal infrage und kann als surrealistisches Manifest verstanden werden.
MENTAL MAPS: Der selbstständiger Grafik-Designer Ole Häntzschel  hat sich auf  illustrative Karten spezialisiert, welche komplizierte Sachverhalte oder komplexe Daten anschaulich und auf ästhetische Weise visualisieren.Wie relativ unsere Wahrnehmung von Raum ist, veranschaulicht seine Arbeit Mental Maps, welche die Vorstellungen eines bestimmten geografischen Raums von verschiedenenen Personen vergleicht.
MENTAL MAPS: Der selbstständiger Grafik-Designer Ole Häntzschel  hat sich auf  illustrative Karten spezialisiert, welche komplizierte Sachverhalte oder komplexe Daten anschaulich und auf ästhetische Weise visualisieren.Wie relativ unsere Wahrnehmung von Raum ist, veranschaulicht seine Arbeit Mental Maps, welche die Vorstellungen eines bestimmten geografischen Raums von verschiedenenen Personen vergleicht.
ANAGRAMMES GRAPHIQUES DE PLANS DE VILLES: Die französische Künstlerin Armelle Caron baut die Stadtpläne verschiedener Grossstädte in dekonstruktivistischer Manier um und schafft damit neue Bildräume.
ANAGRAMMES GRAPHIQUES DE PLANS DE VILLES: Die französische Künstlerin Armelle Caron baut die Stadtpläne verschiedener Grossstädte in dekonstruktivistischer Manier um und schafft damit neue Bildräume.
IMMATERIELLER VORSCHLAG AUF WEISS ZU WANDELN: Anett Frontzek hat sich während ihrem Artist in Residence Aufenthalt in Winterthur ihre eigene Schweizer Bergwelt gebaut. Die feinen Netze stellen Vorschläge für Skirouten dar, welche sie aus ihrem kartographischen Umfeld herausgelöst hat.
IMMATERIELLER VORSCHLAG AUF WEISS ZU WANDELN: Anett Frontzek hat sich während ihrem Artist in Residence Aufenthalt in Winterthur ihre eigene Schweizer Bergwelt gebaut. Die feinen Netze stellen Vorschläge für Skirouten dar, welche sie aus ihrem kartographischen Umfeld herausgelöst hat.
DÉRIVÉ UND PSYCHOGEOGRAFIE: Die Situationisten versuchten in den fünfziger Jahren die unmittelbare Wirkung ihres geographischen Milieus auf das Verhalten der Individuen zu untersuchen. Mit der Methode die sie dérivé, was übersetzt sich treiben lassen, umherschweifen oder abdriften bedeutet, den Stadtraum neu zu erfahren. Das Umherschweifen im engeren Sinne ist eine kollektiv organisierte Erkundung bisher unentdeckter Nutzungsmöglichkeiten des Stadtraums. Dabei soll die kapitalistische Umwelt und die Wirkung der urbanen Umgebung auf kritische Weise erforscht werden. Die Beteiligten verzichten dabei über längere Zeit auf ihre Arbeit und ihre Beziehungen, um sich im urbanen Raum treiben zu lassen. Diese Erkundungen grenzen sich klar vom Reisen oder Spazieren ab, da sie den zufälligen und spielerischen Ansatz lediglich nutzen, um zu neuen Erkenntnissen zum menschlichen Verhalten im Bezug auf die räumlichen Strukturen zu gelangen. Die Psychogeografie, wie die Situationisten diese Untersuchungsmethode nennen, kartographiert die urbane Umwelt mit ihren Handlungsspielräumen, um die Möglichkeiten für eine revolutionäre Praxis zu sondieren. Sie verstehen diese Forschung als neue Wissenschaft, deren Theorien sie unter dem Begriff "Unitärer Urbanismus" zusammenfassen.
DÉRIVÉ UND PSYCHOGEOGRAFIE: Die Situationisten versuchten in den fünfziger Jahren die unmittelbare Wirkung ihres geographischen Milieus auf das Verhalten der Individuen zu untersuchen. Mit der Methode die sie dérivé, was übersetzt sich treiben lassen, umherschweifen oder abdriften bedeutet, den Stadtraum neu zu erfahren. Das Umherschweifen im engeren Sinne ist eine kollektiv organisierte Erkundung bisher unentdeckter Nutzungsmöglichkeiten des Stadtraums. Dabei soll die kapitalistische Umwelt und die Wirkung der urbanen Umgebung auf kritische Weise erforscht werden. Die Beteiligten verzichten dabei über längere Zeit auf ihre Arbeit und ihre Beziehungen, um sich im urbanen Raum treiben zu lassen. Diese Erkundungen grenzen sich klar vom Reisen oder Spazieren ab, da sie den zufälligen und spielerischen Ansatz lediglich nutzen, um zu neuen Erkenntnissen zum menschlichen Verhalten im Bezug auf die räumlichen Strukturen zu gelangen. Die Psychogeografie, wie die Situationisten diese Untersuchungsmethode nennen, kartographiert die urbane Umwelt mit ihren Handlungsspielräumen, um die Möglichkeiten für eine revolutionäre Praxis zu sondieren. Sie verstehen diese Forschung als neue Wissenschaft, deren Theorien sie unter dem Begriff "Unitärer Urbanismus" zusammenfassen.
THE UPSIDEDOWN MAP PAGE: Wieso ist der Norden eigentlich immer oben? Francis sammelt und kommentiert Karten die für das westliche Auge auf dem Kopf stehen.
THE UPSIDEDOWN MAP PAGE: Wieso ist der Norden eigentlich immer oben? Francis sammelt und kommentiert Karten die für das westliche Auge auf dem Kopf stehen.
A MAP OF THE WORLD: Einen Gegenpool zu den immer genauer erfassten Karten von Google Map bietet diese Sammlung zeitgenössischer Illustrationen. Der Band wurde im  Januar 2013 im Gestalten Verlag herausgegeben.
A MAP OF THE WORLD: Einen Gegenpool zu den immer genauer erfassten Karten von Google Map bietet diese Sammlung zeitgenössischer Illustrationen. Der Band wurde im  Januar 2013 im Gestalten Verlag herausgegeben.
BLINDE FLECKEN AUF GOOGLES WELTKARTE: Seit Google Earth die Welt aufs genaueste erfasst, gibt es sofort Gerüchte und Verschwörungstheorien, wenn eine Stelle auf der Karte nicht erscheint.
BLINDE FLECKEN AUF GOOGLES WELTKARTE: Seit Google Earth die Welt aufs genaueste erfasst, gibt es sofort Gerüchte und Verschwörungstheorien, wenn eine Stelle auf der Karte nicht erscheint.
2013 worldmapgenerator: Mollweideprojektion mit beliebigem geografischen Zentrum und verschiedenen Gestatlungsparameter.
2013 worldmapgenerator: Mollweideprojektion mit beliebigem geografischen Zentrum und verschiedenen Gestatlungsparameter.
2013 worldmapgenerator: Robinsonprojektion mit beliebigem geografischen Zentrum und verschiedenen Gestaltungsparameter.
2013 worldmapgenerator: Robinsonprojektion mit beliebigem geografischen Zentrum und verschiedenen Gestaltungsparameter.
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Text
Julia Mia Stirnemann

Ansichtssachen(n)

Das Forschungsprojekt "Ansichtssache(n)" geht der Gestaltung von unkonventionellen Weltkarten auf den Grund.

FB

Das Forschungsprojekt «Ansichtssache(n)» geht der Gestaltung von unkonventionellen Weltkarten auf den Grund: Durch eine selbst entwickelte Software (Worldmapgenerator) werden Weltkarten möglich, die von der herkömmlichen gestalterischen Geometrie und ihren bestehenden Bild-Konventionen abweichen. So bildet beispielsweise der Äquator nicht mehr automatisch die horizontale Bildmitte und auch das geografische Zentrum kann frei gewählt werden. Diese neuen Formen eröffnen neue Spielräume für die Darstellung gesellschaftlich relevanter Kartenthemen. Ihr Einsatz und ihre Nutzung werden im Projekt explorativ erforscht.?Das Projekt wird am Forschungsschwerpunkt Kommunikationsdesign der Hochschule der Künste Bern durchgeführt und ist Teil eines PhD-Projekts an der Graduate School of the Arts, Bern; der erste Teil wurde von 01/2012 bis 06/2013 von der Berner Fachhochschule finanziert.

Der Link zur Homepage: www.worldmapgenerator.com
Weitere Informationen zum Forschungsprojekt finden Sie hier
www.hkb.bfh.ch/de/forschung/forschungsschwerpunkte/fspkommunikationsdesign/ansichtssachen/ 
Forschungsteam
Projektleitung:? Julia Mia Stirnemann??
Projektverantwortung:? Agnès Laube??
Gestalterisches Mentorat: ?Manuela Pfrunder??
Softwareentwicklung: Philipp Läubli, Fabrice Tereszkiewicz??
Mitarbeit:? Harald Klingemann, Thomas Dittelbach 
Finanzierung: Berner Fachhochschule, BFH??

2013 worldmapgenerator: Mollweideprojektion mit beliebigem geografischen Zentrum und verschiedenen Gestatlungsparameter.  2013 worldmapgenerator: Robinsonprojektion mit beliebigem geografischen Zentrum und verschiedenen Gestaltungsparameter.

John Gray
John Gray
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Text
Stefan Sulzer

Evangelikale Atheisten

Die inflationäre Anzahl von Büchern, welche die endgültige moralische sowie intellektuelle Vorherrschaft des Atheismus über den perniziösen Einfluss der Religion proklamieren, beweist ein äusserst zeitgenössisches Phänomen: die agonistische Haltung fundamentaler Atheisten gegenüber allem was sich in irgend einer Form dem Bereich des Glaubens zuordnen lässt.

FB

John Gray

Die inflationäre Anzahl von Büchern, welche die endgültige moralische sowie intellektuelle Vorherrschaft des Atheismus über den perniziösen Einfluss der Religion proklamieren, beweist ein äusserst zeitgenössisches Phänomen: die agonistische Haltung fundamentaler Atheisten gegenüber allem was sich in irgend einer Form dem Bereich des Glaubens zuordnen lässt.

Generell dienen die Texte des englischen politischen Philosophen John Gray als wohltuendes Korrektiv gegenüber jeglicher Form des unreflektierten Utopismus, egal wo er sich dem Zeitgeist entsprechend gerade finden lässt. Dass er sich der obigen Erscheinung widmet ist insofern also nicht erstaunlich. Er kritisiert Denker wie Dawkins, Hitchens, Amis und viele Andere für ihren evangelikalen Eifer, der gerade was seinen Charakter betrifft, dem eigentlichen Gegenstand ihrer Kritik entspringt: der Religion. Ein Umstand, den auch der in London lebende Schweizer Schriftsteller Alain de Botton (Religion for Atheists: a Non_Believer‘s Guide to the Uses of Religion) erfahren müsste, als er seine Pläne für einen Atheisten Tempel in der Hauptstadt vorstellte. Dabei geht es nicht darum, ob man ein solches Projekt nicht berechtigter Kritik aussetzten darf (das tat auch Gray), sondern auf welchem Niveau und mit welcher Vehemenz ihm diese bisweilen entgegenschlug.

Gray verortet das Problem eines melioristischen Glaubens (die Annahme, dass sich der stetige Fortschritt auf Gebieten des Wissens zwingend in Bereichen wie Ethik oder Politik spiegelt und vom Menschen aktiv beeinflusst werden kann) an die positivistischen Kräfte des menschlichen Handelns bei vielen radikalen Utopisten genau darin: Das es eben auch nur ein Glaube ist. Ihr Überzeugung fusst auf der Hoffnungen, dass eine zum universellen Narrativ der Gottlosigkeit bekehrte Menschheit konsequenterweise durch dasselbige von jeglichen Leiden dieser Welt geheilt würde. Nur schon Hitchens Annex an den Titel seines Buches God is not Great, „How Religion Poisons Everything“ zeugt von einem unfassbar eng gesetzten Fokus wenn es darum geht, die Problemherde unserer Zeit zu identifizieren. Als hätte der Mensch tatsächlich je der Rechtfertigungen eines Glaubens bedürft, um in lustvoller Manier Verderben zu säen.

Als ein Beispiel dieses utopischen Fortschrittsglaubens dient Gray das seit der Aufklärung angestrebte Vorhaben, die Folter aus ihrer institutionalisierten Verankerung zu lösen. Neben bekannten philosophischen Positionen wie Montaigne, Montesquieu oder Voltaire richteten auch religiöse Persönlichkeiten ihre Kritik gegen die „entsetzliche Verirrung und Barbarei“ der Folter. So äussert sich der reformierte Pfarrer Anton Praetorius schon 1602 in seinem „Gründlichen Bericht Von Zauberey und Zauberern“ zur umstrittenen Praxis: „Folter ist schändlich, weil sie vieler und großer Lügen Mutter ist.“

Nach hunderten von Jahren der angeblichen Weiterentwicklung definiert sich ebendiese jedoch weiterhin über einen institutionell sanktionierten Rahmen, der sich im ewig währendem Kampf gegen den Terror unter der Kontrolle einiger selbsternannter Hüter der Demokratie und des Fortschritts immer weiter ausgedehnt. Mit dem Resultat, dass die Angst des Terrors zum Terror der Angst wird, wie Hito Steyerl es beschreibt.

Dabei ist Gray erklärterweise selbst Atheist. Mit dem bedeutenden Unterschied dass für ihn das Phänomen Religion „zu komplex ist als dass es einzig entlang der Grenze von Glauben und Nichtglauben diskutiert werden sollte“1. Der zu „neo-atheistischen Fatwas“1 führende sektiererische Eifer der intellektuellen Tyrannei, wie ihn Gray bei Dawkins oder Hitchens ausmacht, ist für ihn ein weiterer Beweis der Similarität der beiden vermeintlichen Antagonismen. Folglich usurpiert laut Gray eine kleine Gruppe scheinbar fortschrittlicher Intellektueller das Recht auf normatives, substantiierendes Wissen den geschwächten Armen einer sich im Rückzug befindenden Religion. Ein Umstand, den er besonders was ihre nicht radikalisierten, vernunftorientierten Positionen betrifft, unverhältnismässig und gefährlich findet.

Hätte die kontinuierliche Wissensanreicherung nicht genau das Gegenteil lehren sollen: das ungeachtet davon wie gesichert und unwiderruflich das Wissen einer bestimmten Epoche scheint, es immer die Möglichkeit gibt, dass ganze Wissenskomplexe vollkommen neu reflektiert werden müssen, obschon sie eben noch unverrückbar in den Wissenskanon eingereiht waren? Der Gedanke, den der romantische Dichter John Keats unter dem Begriff Negative Capability prägte, suggeriert ein Denken und damit eine Haltung, in der es die Möglichkeit geben muss im Zweifel, der Unsicherheit und der Instabilität zu verharren, und dass ohne dem natürlichen Drang des konklusiven Verstehens zu erliegen.

Mit seinen anspruchsvollen, grösstenteils in den Zeitungen The Guardian und New Statesman publizierten Essays entzieht sich Gray den bekannten (langweiligen) binären Schemata wie links/rechts und konservativ/progressiv. Die Fähigkeit, die eigene politische Haltung und ideologische Sicht in seine Untersuchungen einzubeziehen und die Welt nicht aus einer Position der moralischen Überlegenheit zu beurteilen, ist einer der Gründe, warum John Grays Denken interessanter, und letztendlich auch hilfreicher ist, als das vieler radikalen Zeitgenossen.

1 Bryan Appleyard in The God wars, The New Statesman 28. Feb. 20122 „I mean Negative Capability, that is when man is capable of being in uncertainties, mysteries, doubts, without any irritable reach after facts and reason.“
Weiterführende Lektüre:
John Gray: The atheist delusion www.guardian.co.uk/books/2008/mar/15/society
John Gray: Gray’s Anatomy: Selected Writings / Straw Dogs: Thoughts on Humans and Other Animals / Al Qaeda and What it Means to be Modern
Alain de Botton: Religion for Atheists: a Non_Believer’s Guide to the Uses of Religion
Richard Dawkins: The God DelusionSam Harris: The End of Faith
Daniel Dennett: Breaking the Spell
Christoper Hitchens: God Is Not Great: How Religion Poisons Everything
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Text
Anke Hoffmann, HKB

James Benning – "Twenty Cigarettes"

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James Benning ist ein US-amerikanischer Avantgarde-Filmemacher und Dokumentarfilmer. Er studierte an der Universität Wisconsin und arbeitet seit 1987 am California Institut of the Arts in Valencia. Charakteristisch für seine Filme von Landschaften, Bauwerken und Orten sind statische, lange Kameraeinstellungen sowie der Verzicht von Off-Kommentaren. Zu seinen bekanntesten Arbeiten zählt die Kalifornien-Trilogie mit den Filmen El Valley Centro, Sogobi und Los aus den Jahren 2000/ 2001. Benning lebt in Val Verde, US.

Der Film Twenty Cigarettes ist während der Tagung „Gegenwelten: Nicht(s)tun“ an der HKB in Bern zu sehen.

Weitere Informationen zu James Benning:
http://www.critic.de/berlinale-im-dialog/01273/auf-eine-zigarette-mit-james-benning/
Ein anderer Film mit dem Namen „20 cigarettes“ von Aureliano Amadei, in dem es auch ums Rauchen geht: https://vimeo.com/64226382
Auf dem Weg in Jenseits, am Kreuzungspunkt der Sechs Wege / Zwei Seelen: Querbildrolle (Papier, Tusche, Farbe). Edo-Zeit; aus Jigokus?shi emaki (Illustrierte Höllenfahrt)
Auf dem Weg in Jenseits, am Kreuzungspunkt der Sechs Wege / Zwei Seelen: Querbildrolle (Papier, Tusche, Farbe). Edo-Zeit; aus Jigokus?shi emaki (Illustrierte Höllenfahrt)
König Asura (ashura-?) / Statue (Trockenlack), Detail. Nara-Zeit; "Nationalschatz"; K?fuku-ji, Nara
König Asura (ashura-?) / Statue (Trockenlack), Detail. Nara-Zeit; "Nationalschatz"; K?fuku-ji, Nara
Enma, der Richter der Unterwelt / H?shaku-ji, Kyoto
Enma, der Richter der Unterwelt / H?shaku-ji, Kyoto
Gerichtshof des Enma und die Richter der Unterwelt: Im Hintergrund Enma und zwei weitere Richter, im Vordergrund der Urteilsverkünder und der Schreiber. Statuen (Holz). 13. Jh.; H?shaku-ji, Kyoto
Gerichtshof des Enma und die Richter der Unterwelt: Im Hintergrund Enma und zwei weitere Richter, im Vordergrund der Urteilsverkünder und der Schreiber. Statuen (Holz). 13. Jh.; H?shaku-ji, Kyoto
"Sutra der Zehn Richter": Hier wird der Gerichtshof im buddhistischen Jenseits in vielen Einzelheiten gemäß der Tang-zeitlichen chinesischen Rechtspraxis dargestellt. Schriftrolle (Papier, Tusche, Farbe), Detail. China, 10. Jh.; gefunden in den Höhlentempeln von Dunhuang
"Sutra der Zehn Richter": Hier wird der Gerichtshof im buddhistischen Jenseits in vielen Einzelheiten gemäß der Tang-zeitlichen chinesischen Rechtspraxis dargestellt. Schriftrolle (Papier, Tusche, Farbe), Detail. China, 10. Jh.; gefunden in den Höhlentempeln von Dunhuang
Datsueba / Muromachi-Zeit; Gofuku-ji, Matsumoto, Präfektur Nagano
Datsueba / Muromachi-Zeit; Gofuku-ji, Matsumoto, Präfektur Nagano
99

Text
Bernhard Scheid, Universität Wien

Tipp
Ivan Weiss

Jenseitsvorstellungen in der japanischen Ge­sell­schaft

Vorstellungen über ein Leben nach dem Tod gibt es in nahezu jeder Kultur. Der Japonologe Bernhard Scheid gibt in seinem Text einen Einblick in die Jenseitsvorstellungen in der japanischen Kultur.

FB

Auf dem Weg in Jenseits, am Kreuzungspunkt der Sechs Wege / Zwei Seelen: Querbildrolle (Papier, Tusche, Farbe). Edo-Zeit; aus Jigokus?shi emaki (Illustrierte Höllenfahrt) König Asura (ashura-?) / Statue (Trockenlack), Detail. Nara-Zeit; "Nationalschatz"; K?fuku-ji, Nara

Was die gegenwärtige japanische Ge­sell­schaft betrifft, ist es kaum möglich, ver­bindliche, von der gesamten Be­völkerung geteilte Auf­fassungen über das Jenseits in Kürze zusammenzufassen: Neben buddhistischen und volks­reli­giösen Vor­stellungen mischen sich sowohl christliche Ideen als auch science fiction Motive in die Jenseits­bilder der modernen Japaner. So wie die Religion als Ganzes haben sich auch die Bilder des Jenseits privatisiert: Jeder hat seine eigene Vorstellung vom Jenseits.Es gibt jedoch alteingesessene traditionelle Vorstellungen, die noch heute wirksam sind. Sie stellen ein un­er­schöpf­liches Reservoir für die soge­nannten Neuen Religionen dar und erhalten darüber hinaus in der Welt der Manga und Anime immer wieder neue Aktualität. Diese traditionellen Jenseitsbilder sind überwiegend vom Bud­dhis­mus geprägt. Das hängt u.a. mit dem bereits er­wähnten „arbeits­teiligen“ Ver­hältnis von Buddhismus und Shinto zu­sam­men, nach dem die Götter des Shinto vor­rangig für den Bereich des Dies­seits und das unmit­telbare Wohler­gehen, die buddhis­tischen Heils­gestal­ten dagegen eher für den Tod und das Jen­seits zuständig sind.Philosophisch gesehen gibt es im Buddhismus nur ein ab­solutes Jenseits — das Nirvana, das in der voll­ständigen Aus­löschung alles Dies­seitigen besteht. Alles andere, auch die Wege der Toten­seelen von einer Wiedergeburt zur nächsten, gehört zum Dies­seits (Samsara = Kreislauf der Wiedergeburten) und führt letzt­lich zu neuen, leid­vollen Existenzen. In der Praxis haben sich im Bud­dhis­mus jedoch Jenseits­vor­stel­lungen etabliert, die erstaunlich stark an bekannte christliche Vorstellungen erinnern: Es gibt ein Paradies (gokuraku) und es gibt eine Hölle (jigoku). Dazwischen liegen die so­ge­nannten Sechs Wege (rokud?), das sind sechs Existenz­formen, in die man hin­ein­geboren werden kann, je nachdem, ob man in ver­gangenen Leben gutes oder schlechtes Karma angehäuft hat. Diese Existenzformen sind:

Über diesen Sechs Wegen gibt es noch Vier Stufen der Buddha­schaft, sodass man das bud­dhis­tische Jenseits manchmal auch in Zehn Welten (jikkai) unterteilt findet.Wie anhand der Sanskrittermini zu erkennen, stammen die Bereiche der Wiedergeburt aus dem indischen Buddhismus und reflektieren dort gängige religiöse Vor­stel­lungen. Diese haben sich in Japan unterschiedlich stark ein­ge­heimatet. Von den Krieger­geistern ist relativ wenig zu hören und zu sehen, es ist auch nicht ganz klar, ob sie in der Hierarchie der Wiedergeburten über oder unter den Menschen stehen. Die Möglich­keit, als Gott wieder­geboren zu werden, existiert in erster Linie in der Theorie. Diese besagt übrigens, dass es schwieriger sei als Gott ins Nirvana ein­zu­gehen, denn als Mensch. Die Hungergeister sind hin­gegen auf alten Dar­stel­lungen häufig zu finden, und die Hölle ist mindest ebenso detailliert be­schrieben wie in den Bildern des Hieronymus Bosch. Ihr gilt auf historischen Ab­bildungen des Jenseits zumeist das Hauptaugenmerk.

Enma, der Richter der Unterwelt / H?shaku-ji, Kyoto

Die buddhistische Totenwelt

Im Augenblick des Todes gibt es nach gängigen buddhistischen Vor­stel­lungen zunächst zwei Möglich­keiten: Die erste besteht darin, direkt ins Nirvana, be­ziehungs­weise ins sog. Reine Land ein­zu­gehen und damit aus dem Zyklus der Wiedergeburten aus­zu­treten. Dieser Fall ist zwar eher un­wahr­schein­lich, die meisten Richtungen des japanischen Buddhismus erachten ihn aber prinzipiell für jeden, Mönch oder Laien, als möglich.Die Mehrheit der Verstorbenen wird jedoch „wiedergeboren“, d.h. sie muss sich erneut den Leiden der irdischen Existenz aus­setzen. Zu­nächst muss aber geprüft werden in welchen Bereich der Wiedergeburt der Ver­storbene nun kommen soll. Dies wird von einem eigenen Gerichts­hof entschieden, der sich in einer Art Zwischenwelt innerhalb der Sechs Wege der Wiedergeburt befindet. Oberster Richter bzw. König dieser Unterwelt ist Enma (skt. Yama).

Enma, Richter der Unterwelt

Enma, dem zumeist von neun weiteren Richtern und diversen furcht­ein­flössenden Schergen assistiert wird, repräsentiert, wenn man so will, den Gesetzes- und Polizei­apparat im buddhistischen Universum. Er besitzt einen Spiegel, der ihm über die Taten des „Angeklagten“ Aus­kunft gibt, oder er befragt zwei Geister, die jeden Sterblichen auf seinem Lebens­weg begleiten und Protokolle seiner guten und schlechten Taten an­legen. Enma ist nicht böse, aber er ist streng. Versucht man, ihn mit den buddhistischen Grund-Dogmen zu erklären, so könnte man in ihm die un­er­bittliche Konsequenz des Karma erblicken.Die Einzelheiten der Vorstellungen von seinem Gerichts­hof und den zehn Richtern sind in China entwickelt worden, und auch auf japanischen Ab­bildungen tragen die Richter meist ein chinesisches Gewand, bzw. die cha­rak­teris­tische chinesische Kappe mit zwei seitwärts abstehenden „Ohren“. Die Abbildung unten zeigt ein Detail aus dem chinesi­schen „sutra der Zehn Könige“, in dem der Ge­richts­hof im bud­dhis­tischen Jen­seits in vielen Ein­zel­hei­ten gemäss der Tang-zeit­lichen chine­si­schen Rechts­praxis dar­ge­stellt wird. Das Bild ent­stammt einer Schrift­rolle aus dem zehnten Jahr­hundert, die in den Höh­len­tem­peln von Dunhuang ge­funden wurde.Japanische Darstellungen stimmen in zahl­reichen Details mit dem chinesischen Vor­bild über­ein, vor allem die Kleidung bleibt chinesisch. Darüber hinaus tendieren japanische Darstellungen aber dazu, Enma immer stärker zu exotisieren. Sein strafender Aspekt wird dadurch ver­stärkt, dass er die Gesichtszüge indischer Wächtergötter bekommt, doch richtet sich sein Zorn nicht gegen äussere Feinde des Buddhismus, sondern gegen gewöhnliche Sterbliche, die vom Pfad buddhistischer Tugenden abgewichen sind.

Gerichtshof des Enma und die Richter der Unterwelt: Im Hintergrund Enma und zwei weitere Richter, im Vordergrund der Urteilsverkünder und der Schreiber. Statuen (Holz). 13. Jh.; H?shaku-ji, Kyoto "Sutra der Zehn Richter": Hier wird der Gerichtshof im buddhistischen Jenseits in vielen Einzelheiten gemäß der Tang-zeitlichen chinesischen Rechtspraxis dargestellt. Schriftrolle (Papier, Tusche, Farbe), Detail. China, 10. Jh.; gefunden in den Höhlentempeln von Dunhuang Datsueba / Muromachi-Zeit; Gofuku-ji, Matsumoto, Präfektur Nagano

Datsueba

Eine weitere Gestalt, die über das Schicksal der Totenseele ent­scheidet, ist die Datsueba, die „Alte, die den Toten das Gewand aus­zieht“. Sie sitzt am Ufer der „Drei Furten“ (Sanzu), die auf dem Weg zur Totenwelt über­schritten werden müssen. Wenn die Toten diese Furten durch­schritten haben, zieht sie ihnen ihre nassen Kleider aus und hängt sie neben sich an einen Baum, der als eine Art Waage fungiert. Je tiefer die Äste durch das Gewand der Toten herab­gebogen werden, umso schwerer die Sünden und umso schreck­licher die Foltern, die den Verstorbenen erwarten.Die Vorstellung der Datsueba dürfte in Japan entstanden sein. Sie findet sich jeden­falls nicht in chinesischen Unter­welt­dar­stel­lungen, während sie in Japan ab der Kamakura-Zeit ein gängiges Motiv des Jenseits­glaubens darstellt.

Ausserbuddhistische Vorstellungen

Neben buddhistischen Vorstellungen findet sich in japanischen Geschichten und Legenden auch die taoistische Insel der Un­sterb­lich­keit, die irgendwo weit draussen auf dem Meer zu finden sein soll. Dieser Glaube hat in vielen volks­religiösen Bräuchen Ein­gang gefunden. Auch das Schatz­schiff der Sieben Glücksgötter und der Palast des Drachenkönigs stehen wohl irgendwie mit diesem über­seeischen Paradies in Verbindung.In den alten Mythen begegnen wir vor allem dem Schattenreich Yomi, das Izanami nach ihrem Tod be­herrscht. Ähnlich wie bei den Griechen und Römern gibt es im ja­pa­nischen Mythos zwar die strahlende Welt der Götter, doch ist diese den ge­wöhn­lichen Sterblichen un­zu­gäng­lich. Inwieweit im vorbuddhistischen Japan auch positive Jenseits­vor­stel­lungen vorhanden waren, wurde schon inner­halb der Kokugaku-Schule im ach­zehnten und neun­zehnten Jahr­hundert heftig diskutiert. Motoori Norinaga (1730–1801) wies darauf­hin, dass die Mythen nur ein pessimistisches Jenseits kennen. Dem­gegen­über suchte Hirata Atsutane (1776–1843) nach positiven Jenseitsbildern im Volks­glauben und vertrat die Ansicht, dass diese den ursprünglichen Shinto wider­spiegeln würden. Heute neigen viele Gelehrte eher zu Norinagas Auf­fassung und sehen in Atsutanes Position einen pro­pa­gan­dis­tischen Versuch, den Shinto gegenüber dem Buddhismus auf­zu­werten. Wahrscheinlich gab es aber auch hier, ebenso wie in anderen Bereichen, starke regionale Unter­schiede innerhalb der vor­bud­dhis­tischen Religion.

Quelle:
http://www.univie.ac.at/rel_jap/an/Mythen:Jenseits
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Recherche
Hin Van Tran

Architektur

Von archtektonische Utopien bis zu deren dystopischen Filmen und noch vieles mehr...

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Archtektonische Utopie: Die vertikale Stadt

Fernsehbeitrag: www.youtube.com/watch

Die Architektur von Weltraumbasen:

Vincent Fournier http://www.vincentfournier.co.uk/site/index.php?r=slideshow/view&id=5

Architektur in utopischen und dystopischen Filmen

Verschiedene Artikel: www.archdaily.com/category/films-architecture/

Hybride Zonen: Kunst und Architektur

Eine Forschungsarbeit zum Thema „Kunst am Bau“ von Sibylle Omlin und Karin Frei Bernasconi:

www.buchlounge.ch/index.php/ch/Landschaftsarchitektur/Stadt/Hybride-Zonen.-Kunst-und-Architektur-in-Basel-und-Zuerich

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Filmtipp
Hin Van Tran

Alter Ego

Alter Ego nimmt Sie mit auf eine Reise zu 9 großen Städten dieser Welt, in 7 verschiedene Länder, und in das Leben von einigen sehr leidenschaftlichen Individuen, die sich mit ihren geschriebenen Identitäten, an der Grenze von Kreation und Zerstörung, Kunst und Vandalismus bewegen.

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Throws Pieces sind Teil fast jeder großen Metropole dieser Welt, und mehr oder weniger Teil unseres täglichen Lebens. AlterEgo nimmt Sie mit auf eine Reise zu 9 großen Städten dieser Welt, in 7 verschiedene Länder, und in das Leben von einigen sehr leidenschaftlichen Individuen, die sich mit ihren geschriebenen Identitäten, an der Grenze von Kreation und Zerstörung, Kunst und Vandalismus bewegen. Die Kamera folgt ihnen an Orte, die man normalerweise nicht so einfach zu Gesicht bekommen würde, begleitet sie sowohl bei ihren urbanen Missionen als auch in ihre Ateliers und ihr Zuhause. Die Protagonisten sprechen über deren Motivation den öffentlichen Raum für ihren persönlichen Ausdruck zu nutzen, ihre Sichtweise auf Rolle und Position Graffitis in der Kunstwelt und den Einfluss der Werbung, auf die Gesellschaft, die den öffentlichen Raum einnimmt. Diese weltweite Dokumentation gibt uns einen intimen Einblick in die Details einer zurückgezogenen und öffentlichkeitsscheuen Bewegung, die gleichzeitig wohl die größte Kunstbewegung aller Zeiten ist, und dennoch oftmals nicht als solche verstanden wird. Die meisten der Protagonisten verfolgen derzeit eine professionelle Karriere, entweder als Künstler oder Designer, aber auch in Berufsfeldern die nicht einmal entfernt mit Kunst zu tun haben. Sie kommen aus verschiedenen sozialen Umfeldern, verschiedenen Ländern und Kulturen. Aber Sie haben eine Gemeinsamkeit in der alle diese Unterschiede unwichtig werden – ihre Liebe für die Kreation ihres Ausdrucks und alles was damit zusammenhängt. Portraitiert werden folgende Künstler: DAIM, Cantwo, Ewok, FDC, Herbert Baglione, Just, Krush, Nunca, Order, Saber, Smash 137, Steven Grody, T-Kid, Zak, Askew, Caib, Caligula 2009

Laufzeit: 63 min.
Produzent / Regie: Daniel Thouw
Link zum Film
Solaris, Andrei Tarkowski, 1972
Solaris, Andrei Tarkowski, 1972
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Text
Ines Schneider

"I’ve Seen Things" – Religion und Science Fiction als Gegenwelten

Von den vielen Möglichkeiten, die Menschen entwickelt haben, um sich mit ihren Lebensbedingungen auseinanderzusetzen, werden in dem Essayband »Outer Space: Reisen in Gegenwelten« zwei gegenübergestellt: Religion und Science Fiction. Religion wie Dichtung werden in »Outer Space« als Systeme von Symbolen und Funktionsweisen betrachtet, die ihnen zugrundeliegenden Leidenschaften werden als Phänomene behandelt, die unter dem wissenschaftlichen Blick registriert und analysiert werden können.

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Von den vielen Möglichkeiten, die Menschen entwickelt haben, um sich mit ihren Lebensbedingungen auseinanderzusetzen, werden in dem Essayband »Outer Space: Reisen in Gegenwelten« zwei gegenübergestellt: Religion und Science Fiction. Religion wie Dichtung werden in »Outer Space« als Systeme von Symbolen und Funktionsweisen betrachtet, die ihnen zugrundeliegenden Leidenschaften werden als Phänomene behandelt, die unter dem wissenschaftlichen Blick registriert und analysiert werden können.

Solaris, Andrei Tarkowski, 1972

Die Beiträge sind in drei verschiedene Themenbereiche eingeteilt. Der erste beschreibt das Konzept von Welten und Gegenwelten aus religionsgeschichtlicher Perspektive. Was hat die Menschheit dazu bewogen, ein komplexes Zusammenspiel aus Mythen, Ritualen und Geboten zu entwerfen? Im zweiten Teil werden Grundaspekte der Science Fiction erläutert. Was bringt einen Autor, Regisseur oder Computerspieldesigner dazu, eine ähnliche Grundlage für seine Protagonisten zu erfinden? Auf welche Bilder wird immer wieder zurückgegriffen bei dem Drang, sich eine andere Welt auszumalen? Durch die Untersuchungen in den ersten beiden Teilen werden die Grundlagen deutlich, auf denen sich die Religion und später die Fiktion entwickelt hat. Die ausgewählten Beiträge vermitteln Schritt für Schritt folgende Zusammenhänge:

Mit Hilfe der Religion behandelt der Mensch Rätsel und Konflikte seines Daseins. Unsere westliche Gesellschaftsstruktur ist auch heute noch von Werten und Fragen geprägt, die bereits den christlichen Glauben durchziehen. Die weltliche Manifestation dieses Glaubens, die christliche Kirche, ist jedoch ein von Menschen aufgebautes Sozialsystem. Unsere heutige Form des Zusammenlebens ist von den philosophischen Fragestellungen nach der Position der Menschheit und des Individuums in dieser Welt genauso geprägt, wie von dem Regelwerk der Institution Kirche, auch wenn beides sich über die Jahrhunderte hinweg verändert hat. Auf dieser Basis entsteht unser Alltag, und auf dieser Basis wird er akzeptiert oder hinterfragt.

In der Science Fiction stellt sich der Mensch nach wie vor dieselben Fragen wie die Geistlichen der Vergangenheit. Die Science Fiction-Autoren suchen, ähnlich wie die Theologen, nach Antworten. In der Science Fiction hat der weiterentwickelte Mensch die Beschäftigung mit den grundlegenden Rätseln seiner Existenz zwar noch vorangetrieben, er konnte sie jedoch ebensowenig lösen wie seine Vorgänger. Im Gegenteil, der Hunger nach Wissen und Fortschritt mag ihn zwar zu neuen Erkenntnissen und Erfindungen geführt haben, die das Leben der Zukunft formen, doch damit sind die alten Fragen nicht beantwortet, es zeigen sich lediglich neue Aspekte. Wie die Kirchenväter können auch die Science Fiction-Autoren nicht das Unerklärliche erfinden, sie können sich ihm nur in Gleichnissen und Metaphern nähern, nur »Gegenwelten« schaffen, die aus den Bedingungen und Beschränkungen der eigenen Welt gespeist werden.

Unter diesen Voraussetzungen können die Beiträge im dritten Bereich, Science Fiction im Spiegel der Religionswissenschaft, den direkten Vergleich der Motive anstellen. Hier wird an konkreten Beispielen gezeigt, wie eng Götterglauben und Zukunftsphantasien miteinander verwandt sind. Ein gläubiger Katholik und ein glühender SF-Fan mögen ihre Gefühle nicht immer für vergleichbar halten, doch es treiben sie offenbar ähnliche Leidenschaften um, und sie bedienen sich ähnlicher Dramaturgien und Erzählmuster, um ihnen Gestalt zu verleihen. Die meisten Autoren des Sammelbandes scheinen keine Berührungsängste zu kennen. In den kurzen Lebensläufen am Ende des Buches findet man Studien der Theologie, Philosophie und Medienwissenschaften friedlich vereint. Die Verbundenheit, die viele Verfasser bereits spüren und mit ihren Arbeiten erst noch beweisen wollen, deutet sich schon früh im verwendeten Vokabular an. Der Begriff der „Ikone“ beispielsweise, der in der Kunstgeschichte lange Zeit die Bezeichnung für ein religiöses Kultbild war, wird nun auch ganz selbstverständlich auf Werke wie Blade Runner, Solaris oder Alien angewendet.

„Outer Space: Reisen in Gegenwelten“ vereint einige ergiebige Untersuchungen zu zwei verschiedenen Ausdrucksweisen derselben menschlichen Tendenz. Obwohl die Jahrestagung 2007 der Forschungsgruppe Film und Theologie als Anstoß für den Sammelband genannt wird, beziehen sich die Texte nur selten aufeinander. Das birgt Vor- und Nachteile. Jeder Beitrag kann auch gewinnbringend einzeln gelesen werden. Doch die Autoren stehen auch unter dem Zwang, für ihre Theorien erst eine wissenschaftliche Untermauerung zu schaffen. Viele Absätze bestehen aus Definitionen und Aufarbeitungen vorangegangener Forschungsansätze. Theologen, Filmwissenschaftlern und Science Fiction-Fans werden diese raschen Überblicke kaum Neues bieten, interessierte Laien wiederum werden von dieser Fülle von Verweisen möglicherweise abgeschreckt.

Quelle:
Schnitt online
Outer Space
Charles Martig, Daria Pezzoli-Olgiati (Hg.):
Outer Space – Reisen in Gegenwelten.
Marburg 2009. Schüren Verlag.
288 Seiten.
103

Text
Michael Schindhelm

Theater ist Gegenwart, nicht Gegenwelt

Die  öffentliche Kunst lebt in bleierner Zeit: Auf der Suche nach dem unbekannten Publikum der Zukunft Krise war immer. Vor genau 30 Jahren  überpinselte man in Basel Theaterplakate, auf denen ein Horvath-Zitat zu lesen war: "Es gibt einen lieben Gott, aber auf den ist kein Verlass. Er hilft nur ab und zu, die meisten dürfen verrecken." Weiter lesen...

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Die öffentliche Kunst lebt in bleierner Zeit: Auf der Suche nach dem unbekannten Publikum der Zukunft

Der Recherche Gerhard Jörders über die Ursachen der von ihm so empfundenen dramatischen Zuschauerverluste an deutschsprachigen Bühnen unter dem Diagnose- Titel Publikumsverweigerung muss entgegnet werden. Nicht weil wir in Basel als problematisches Beispiel herhalten müssen – diese Bühne ist tatsächlich ein paradigmatischer Fall für den derzeitigen Streit um die Zukunft einer großen Illusion –, sondern weil sich der Bericht Jörders mit dem Weitwinkelblick auf den Innenraum der Szene begnügt.Ja, wir sind ein Exempel: An unserem Haus gibt es keine 68er, sondern 30- bis 40- Jährige mit unterschiedlichen Handschriften. Manchem mag auch der Pop auf den Handteller geschrieben sein. Hier gibt es junge Autoren, Kontroversen mit dem Feuilleton, Zuschauerverluste, Provokation und Reaktion. Aber so eng darf die Sache nicht gesehen werden. Jörder untersucht ebenso zutreffend wie isoliert den Betrieb des Theaters, ästhetische Innovationsversuche, die Menagerie von Kunst und Kritik.Das sind jedoch keine Neuigkeiten. Die Opfer der sich schnell abwechselnden Markttrends, der Connaisseurs hermetischer Bühnenkunst, das zum Ertragen von Dekonstruktionen, Popsymbolik und Splatter verurteilte „Dechiffriersyndikat“ im Zuschauerraum werden in dieser Analyse als ein ebenso anonymes wie vertrautes Kontinuum verstanden, so, als hätte sich nur das Theater, nicht aber sein Publikum in den letzten Jahren verändert.Die derzeit beobachtete Krise des Theaters ist auf den ersten Blick nicht außergewöhnlich, sondern gewöhnlich. Mir fällt, auch am Beispiel Basel, vor allem der Wiederholungscharakter der Diskussion auf. Es ging schon immer um die Verteidigung des Guten, Schönen und Wahren und um die Invasionen der Moderne. Mit der Einkehr des Regietheaters verschwammen die Grenzen zwischen Autor und Interpret, das kennt man ebenso aus der Musik oder der Bildenden Kunst. Die Irritationen im Publikum nahmen zu, irgendwann wurde Protest laut, zunächst über den jeweiligen Regisseur, später gegen das Theater überhaupt. Die Frage, ob öffentliches Geld für öffentliche Selbstbefriedigung auszugeben sei, ließ sich nicht mehr eindeutig beantworten.Krise war immer. Vor genau 30 Jahren überpinselte man in Basel Theaterplakate, auf denen ein Horváth-Zitat zu lesen war: „Es gibt einen lieben Gott, aber auf den ist kein Verlass. Er hilft nur ab und zu, die meisten dürfen verrecken.“ Gegen den Intendanten Düggelin wurde Strafanzeige erstattet, ein Politiker wusste, dass Horváth nicht für Stücke von geistigem Niveau bekannt sei, Subventionsstreichungen wurden gefordert. Zehn Jahre zuvor etwa begleiteten Protestfackelzüge eine polizeilich geschützte Aufführung von Hochhuths Stellvertreter, zehn Jahre später warfen Dutzende von Zuschauern ihre Programmhefte während einer Othello- Premiere auf die Bühne. Als ich mich 1995 gegen das klassische Ballett entschied und Joachim Schlömers Tanztheater nach Basel holte, wurden Montagsdemos abgehalten. So gleichen sich die Bilder. Immer mischte sich in?den Widerspruch gegen ein neues, fremdes Text- und Zeichenrepertoire die Absicht, den Brunnen risikofreudiger Kunst zu vergiften. Immer, früher oder später, wurde die Drohung vom abstrakten Steuerzahler ausgerufen, der dem traditionsschändenden Theater den Zehnten verweigert.Aber lassen wir die Interna einmal beiseite, stoßen wir die Luken auf und spähen das Gelände rings um den Bunker aus. Draußen, jenseits der heiligen Hallen, wo eigentlich das normale Leben stattfinden müsste, Politik und Wirtschaft, Stirb und Werde, draußen sieht es nämlich ganz anders aus als noch vor ein paar Jahren. Und dass sich die Gesellschaft rapide verwandelt, hat sogar das Theater bemerkt. Das tatsächlich Neue an der Krise wird mit dem Jahr 1989 markiert. Das Jahr der Befreiungen und Selbstbefreiungen im Osten, das Endjahr des Kalten Krieges, es bildet den Limes zwischen einem ideologisch fixierten und einem ideologisch unübersichtlichen Zeitalter. In den letzten zehn Jahren sind viele Maßstäbe durcheinander gekommen: Das Beitrittsgebiet fügte mehr als 60 brüchige Theater- und Orchesterbetriebe an die bundesdeutsche Bühnenlandschaft und wurde von unbeschreiblichen Entziehungs- und Konsumwellen erschüttert, das Privatfernsehen wurde gieriger, die Invasion der neuen Medien stellte den öffentlichen Raum infrage, die Rezession die öffentlichen Kassen, mit dem Siegeszug der Musicalindustrie etablierte sich ein neuer Sektor kommerzieller Artistik. Theaterschauspieler wanderten ins Fernsehen ab, die Popkultur stieß Traditionsmonumente vom Sockel, Tenöre traten mit Boygroups auf, Zirkusclowns wurden zu Intendanten gewählt, und alles webte am Chor des anything goes mit. Die Theater, im Osten renovationsbedürftige Erbschaften aus dem Feudalismus, im Westen oft Betonbunker, die schon architektonisch an Belagerungszustände erinnerten, hatten in diesem Chor weder die stärkste noch die höchste Stimme.Ein Blick auf Theaterzuschauerstatistiken der neunziger Jahre im deutschsprachigen Raum zeigt, wohin ein Teil des Publikums abgewandert ist. Rangierten unter den zehn meistbesuchten Stücken der Saison 1990/91 neben Phantom der Oper (1. Platz, 1,1 Mio Zuschauer), Starlight-Express (2. Platz, 700 000 Zuschauer) und fünf weiteren Musicalproduktionen immerhin die Zauberflöte auf dem 3., Die Fledermaus auf dem 5. und My Fair Lady auf dem 10. Platz, gab es 1997/98 die Zauberflöte nur noch auf Platz 7 mit dazu 100 000 Zuschauern weniger als sieben Jahre zuvor. Die Fledermaus war ins Mittelfeld abgerutscht. Ansonsten wucherte der Musikcalschrott nahezu unumschränkt weiter. Vielerorts dank staatlicher Subventionen, die man den eigenen Theatern vorenthielt.Die öffentliche Kunst lebt in bleierner Zeit. Das muss nicht verdrießen, aber es empfiehlt sich, ins Offene zu schauen. Wer nach Perspektiven sucht, muss damit in der Gegenwart anfangen. Muss anerkennen, dass ein unversöhnlicher Fundamentalismus ausgebrochen ist. Auf kompromisslose Kunst reagiert eine ebenso kompromisslose Rezeption, der Kampf zwischen Theater, Publikum und Kritik brandet an allen Fronten auf, unnachgiebig. Dabei wissen wir über das heutige Publikum anscheinend alles und über das Publikum der Zukunft nichts. Wir wissen darüber nur, dass durch die Akkumulation des Frusts über das Regietheater und den Einzug der Postmoderne im Laufe der zurückliegenden drei Jahrzehnte nur ein Teil des Publikums von gestern zu dem von morgen gehören wird. Zugleich tut der allgemeine Differenzierungsfuror sein Werk. Wer wollte ernsthaft behaupten, zu wissen, wie ein generationsübergreifendes und Integration stiftendes Programm aussieht? „Theater für alle“ ist ein rührender, hoffnungsloser Idealistentraum, wo der Slogan nicht als Marketingstrategie miss-braucht wird.

Der Spaßgesellschaft geht die Luft aus

Es gibt kein vertrautes Publikumskontinuum mehr. Dass wir Shakespeare anders erzählen als vor 30 Jahren, ist nicht der entscheidende Aspekt der Krise. Sie ist keineswegs nur hausgemacht, sie ist vor allem eine Gesamtkrise. Nehmen wir die neue Unsachlichkeit zur Kenntnis: Einigen Theaterneuanfängen der letzten Zeit, die nicht sofort Quote gebracht haben, droht das politische Fallbeil. Die konservative Forderung nach mehr Sentiment und Korrektheit im Umgang mit dem Repertoire wird von Einschüchterungstaktiken gegenüber dem Theater eskortiert. Und die Jungen, das neue Publikum? Das muss sich gar nicht erst emanzipieren. Sie schieben ihren Warenkorb cool und markenbewusst an den Regalen des Freizeitsupermarktes vorbei. Ist das Theater gerade mal hip, so liegt es im Korb, wenn nicht, bleibt es im Regal. überhaupt, das „neue“ Publikum. Kaum wurde es in den Theatern angekündigt und umworben, schon interpretierte man diese Werbung als ein Misstrauensvotum an die Adresse des alten.Das Publikum der Zukunft ist eine unzuverlässige Größe. Aber bestimmt eine Größe, mit der man rechnen darf. Wer Gegenwartskunst riskiert und trotz aller Attacken die Ruhe bewahrt, wer nicht abgetane Siege wiederholt und dafür am eigenen Scheitern mit ein paar Erfahrungen profitiert, der bleibt auf Dauer nicht allein. Es ist nicht so, dass wir die Sehnsucht nach erhebenden Gegenwelten und das Fluchtbedürfnis inmitten der tristesse globale nicht verstünden. Im Gegenteil, auch das Theater ist überfordert im Angesicht des generellen Chaos und der Verheißungen der Hypermoderne. Genau genommen ist der Kampf um die Werte und Perspektiven eindeutiges Anzeichen für die nach wie vor unwiderstehliche Erotik des Theaters. Als wir kürzlich eine Publikumsdiskussion unter dem Titel Da geh‘ ich nicht mehr hin! veranstalteten, kamen zwölfhundert Leute. Solange sich keine Seite zurückzieht, ist die Sache in diesem Kampf nicht verloren. Schnelle Eroberungen sind wohl nicht zu erwarten, es sei denn, die Kunst gibt sich wieder den einstigen Wonnen der Gewohnheit hin. Bestimmt gibt es keine universalen Rezepte und keine linearen Wege. Nicht einmal zur gefährlichsten aller Gefahren, dem Erfolg. Sicher ist nur die Unsicherheit. Sicher ist, das Theater der Zukunft darf keine Sezession, es muss eine Progression sein. Heraus aus der Entsozialisierung und -solidarisierung des letzten Jahrzehnts.Die Kulturpolitik wird dabei nicht helfen. Sie tritt wohl nicht mehr aus dem Schatten des Rotstifts heraus. Es ist die Stunde der Befreiung der Kunst von der Funktion. Das Theater muss sich selbst helfen. Eine neue Berechtigung wächst ihm nicht aus der angestrengten Rückkehr ins Zentrum zu. Das ist passé. Die Entlastung vom Bespielungs- und Repräsentationsmonopol aber bietet eine neue Chance. Das Theater ist, wo es ist, nicht Gegenwelt, sondern Gegenwart. Anwesenheit. Die Erzählung findet weiterhin in einem Raum statt, in dem sich der Akteur und sein Zuschauer begegnen. Zwei Unbekannte, die sich gegenseitig anvertrauen. Wenn das Theater lernfähig ist und anerkennt, ein altes Medium zu sein, kein neues, eine Gegenwarts- und keine Zukunftskunst, die das Futur in den Zeitgeist peitscht, dann wird es viel libidinöse Energie binden, die in Anbetracht des Unbehagens an der Beschwörung eines genetisch entzifferten und ökonomisch verzifferten Menschenbildes im Supermarkt der Freizeit vagabundiert. Zugleich wächst der Ekel am ästhetizismus des anything goes. Je frenetischer das Lachen der Spaßgesellschaft, umso mehr geht ihr die Luft aus. Es könnte zu einer Wiederentdeckung der Wirklichkeit kommen, während draußen die Bildschirme flimmern, zu einer Wiedererkennung von Bedeutungen im Strom der Beliebigkeit. Zur Wiedererweckung von Humor und Pathos gegen die postmoderne Ironie und den Verlust an Direktheit, den die neunziger Jahre verursacht haben.

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ZEIT ONLINE:
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17. April 2013
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unfolded

The Sun Goes Down

But when all is said and done
The sun goes down

unfolded, 2012, 2013

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Der amerikanische Künstler Bryan Saunders testete etliche Drogen am eigenen Leib - und zeichnete nach dem Konsum Selbstportraits. In diesem Fall: Cannabis.
Der amerikanische Künstler Bryan Saunders testete etliche Drogen am eigenen Leib - und zeichnete nach dem Konsum Selbstportraits. In diesem Fall: Cannabis.
Dieses Selbstporträt zeigt Saunders nach dem Konsum von Kokain.
Dieses Selbstporträt zeigt Saunders nach dem Konsum von Kokain.
Saunders, wie er sich nach einer Dosis des amphetaminhaltigen Medikaments Adderall sah.
Saunders, wie er sich nach einer Dosis des amphetaminhaltigen Medikaments Adderall sah.
Nach der Einnahme von Crystal Meth, einer Droge auf Amphetaminbasis.
Nach der Einnahme von Crystal Meth, einer Droge auf Amphetaminbasis.
Außerdem nahm Saunders: Marihuana ...
Außerdem nahm Saunders: Marihuana ...
... psychoaktive Pilze ...
... psychoaktive Pilze ...
... das Beruhigungsmittel Valium sowie ...
... das Beruhigungsmittel Valium sowie ...
... Xanax, ein Medikament gegen Panik- und Angststörungen.
... Xanax, ein Medikament gegen Panik- und Angststörungen.
Hier zeigt Saunders die Wirkung eines deutlich alltäglicheren, legalen Produkts: Nikotinkaugummi.
Hier zeigt Saunders die Wirkung eines deutlich alltäglicheren, legalen Produkts: Nikotinkaugummi.
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Text
Spiegel Online

Tipp
Ivan Weiss

Wenn Crystal Meth den Pinsel führt

Für 18 Tage war Bryan Saunders Korper ein Chemielabor: Etliche Medikamente und illegale Drogen will der Künstler geschluckt haben - zu jeder Substanz zeichnete er ein Selbstporträt. Entstanden ist eine Galerie von Zerrbildern, ein Abbild des Geistes während der Trips. Bitte nicht nachmachen!

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Experimente mit Kunst unter Drogeneinfluss gab es zahlreiche, besonders in den sechziger Jahren. Kaum ein Künstler aber war zuletzt so konsequent wie Bryan Saunders. Seit mehr als 17 Jahren zeichnet oder malt der Amerikaner jeden Tag ein Selbstporträt – die meisten davon sind unter Drogen entstanden. Der Künstler hat nach eigenen Angaben so ziemlich alles genommen: Kokain, Crystal Meth, Speed – nur eine Auswahl der Substanzen, die er sich im Lauf der Jahre einverleibt haben will.

Immerhin ist der 43-Jährige überhaupt noch am Leben. Einige der Drogen hätten ihm physisch und psychisch heftig zugesetzt, sagte er der australischen Nachrichtenseite theage.com.au – „zugleich war es künstlerisch wundervoll und spannend, mich auf diese neue Art zu sehen“.

Mit den Dämonen in seinem Inneren kämpft Saunders schon lange: Sein Psychiater habe ihm Antipsychotika und starke Beruhigungsmittel verschrieben. „Ich habe alles genommen, was mir gegeben wurde“, so Saunders. Später hätten ihm Leute illegale Drogen angeboten, in einer Phase im Jahr 2001 habe er 18 Substanzen in elf Tagen genommen. So entstanden die ersten Bilder der Serie „Drugs“. „In der Zeit hatte ich emotionale Probleme, Kunst und Drogen waren eine Art produktive Ausflucht“, so Saunders.

Der Effekt der Substanzen sei sehr unterschiedlich gewesen – und keineswegs immer positiv: Viele der Drogen und Medikamente hätten einen sehr unangenehmen Effekt gehabt, „mein Gehirn hat sicher etwas Schaden genommen“, sagte Saunders. Nach zwei Wochen habe er heftige Ausfallerscheinungen gehabt, Freunde hätten ihn dann gestoppt.

Heute nehme er nur noch gelegentlich Drogen, „nur wenn mir jemand etwas Neues anbietet“. Künstlerisch beschäftigt Saunders sich mit anderen Projekten: Er nimmt seine Gespräche im Schlaf auf – oder erstellt Editionen aus Fotos von Fuß-Operationen. Darauf allerdings wäre man nicht einmal in den sechziger Jahren gekommen.

www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/kuenstler-bryan-saunders-malt-bilder- von-seinen-drogen-trips-a-852828.html
MEHR IM INTERNET
„The Age“: „Portrait Of The Artist As A Walking Drug Experiment“
www.theage.com.au/entertainment/art-and-design/portrait-of-the-artist- as-a-walking-drug-experiment-20120828-24y6r.html SPIEGEL ONLINE ist nicht verantwortlich für die Inhalte externer Internetseiten.
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Der amerikanische Künstler Bryan Saunders testete etliche Drogen am eigenen Leib - und zeichnete nach dem Konsum Selbstportraits. In diesem Fall: Cannabis.Dieses Selbstporträt zeigt Saunders nach dem Konsum von Kokain.Saunders, wie er sich nach einer Dosis des amphetaminhaltigen Medikaments Adderall sah.Nach der Einnahme von Crystal Meth, einer Droge auf Amphetaminbasis.Außerdem nahm Saunders: Marihuana ...... psychoaktive Pilze ...... das Beruhigungsmittel Valium sowie ...

... Xanax, ein Medikament gegen Panik- und Angststörungen.

Hier zeigt Saunders die Wirkung eines deutlich alltäglicheren, legalen Produkts: Nikotinkaugummi.

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Text
Ingrid Riedl

Kunst und Droge – Rausch und Erkenntnis

Drogenwirkungen haben etwas mit Träumen gemeinsam und mit Träumen hat auch künstlerische Phantasie zu tun, und damit ist die Rolle von Drogen im künstlerischem Schaffen von vornherein relativiert.

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Das Tor zum inneren Raum

Seit Urzeiten lockte die “vermeintliche” schöpferische Kraft von Drogen Maler, Graphiker, Dichter, Musiker und andere Künstler. Doch Inspiration ist ein flüchtiges Ingrediens der Kunst, denn mancher, der im Rausch zu neuen Dimensionen seines Könnens zu finden glaubt, erlebte am Ende in der Sucht seinen eigenen Untergang.Die Frage, wie weit Drogen Kunstwerke entstehen ließen oder beeinflußten, konnte nie schlüssig beantwortet werden und das hat ganz einfache Gründe. Keine Droge verschafft eine “eigene Welt”, sondern höchstens eine “neue Weltanschauung” mit verschiedenen Erfahrungswerten.Drogenwirkungen haben etwas mit Träumen gemeinsam und mit Träumen hat auch künstlerische Phantasie zu tun, und damit ist die Rolle von Drogen im künstlerischem Schaffen von vornherein relativiert.Nach Aussagen von Künstlern, die mit Drogen experimentierten, sind deren Schaffenskraft und Inspiration oft zweifelhafter Natur und nicht sicher mit der Droge in Verbindung zu bringen.Daß Drogen den Blick auf die Wirklichkeit erweitern können, wird im Sachbuch von Knaur – “Rausch und Erkenntnis – das Wilde in der Kultur” (München 1986) beschrieben. Hier geht es uns um Rausch und Erkenntnis und nicht um Delirium und Zerstörung – beschreiben die Autoren ihre Vorgangsweise. Claudia Müller – Ebeling, 1956 geboren, studierte Kunstgeschichte und Indologie in Freiburg, Florenz und Paris – später in Hamburg auch Literaturwissenschaft und Ethnologie. Mehrere Studienreisen führten sie in die Karibik und auf die Seychellen. Sie veröffentlichte u.a. Beiträge in den Büchern “Namaste Yeti” und “Das Tor zum inneren Raum” und schrieb zusammen mit Christian Rätsch “Isoldes Liebestrank” (1986). Claudia Müller-Ebeling beschäftigte sich mit dem Phänomen der Malerei im Labyrinth des Innenraumes und vergleicht visionäre Malerei mit Phasen der Traumwelt.Viele Kulturen und Epochen haben uns Kunstwerke, Bilder, gespeist aus der alltäglichen, d.h. materiell sichtbaren Welt und solche aus der geistig immateriellen Welt hinterlassen. Die Gewichtung jedoch, welche Wirklichkeit wichtiger, wahrer, relevanter sei, wechselte.Vertreter der einen und anderen Richtung – Theoretiker und Praktiker – stritten oft erbittert um die Vorrangstellung, und je mehr sich die Epochen der Gegenwart nähern, desto schneller lösen sich realistische und visionäre Kunst in ihrer Vormachtstellung ab.

Was ist visionär?

Vision kommt von videre = sehen, zielt jedoch nicht auf materielles, sondern auf immaterielles Sehen. Das Rezeptionsspektrum visionärer Kunst bewegt sich zwischen Erscheinung und Trugbild. Zwei Faktoren machen Malerei zur visionären Malerei: die Intention des Künstlers und der Blickwinkel des Betrachters. Visionäre Kunst will nicht das Sichtbare wiedergeben, sondern das Unsichtbare sichtbar machen.Sie will, wie Jean Moreas (frz. Dichter griech. Abstammung, 1856-1910; Symbolist, dann Neuklassiker im “Manifeste du Symbolisme”) fordert, “die Gegenstände der „äußeren Wirklichkeit als Zeichen wahrnehmen, die zu den uranfänglichen Ideen” geleiten sollen. Sie überführt die Vision, die ein Maler, eine Epoche, eine ganze Kultur von der transzendenten Wirklichkeit hat, in Bilder.„Ein Visionär ist ein Mensch, der durch die Dinge hindurch sieht; nichts hemmt die Bahn seines Blicks;er ist Entdecker schwindelerregender kristalliner Ebenen, Chronist unbekannter Welten.Er kennt die Beschwörungsformeln, die arglistige Hölle zu bändigen; schafft ein Gleichgewicht von übernatürlichem und Natur…“ Marcel Brion Damit die Vision der Landschaft als Spiegel der Empfindungen und religiösen Emphase des Menschen vor seinem inneren Auge entsteht, hat Caspar David Friedrich (1774-1840, dtsch. bedeutender romantischer Landschaftsmaler), in einem gänzlich kahlen Atelier “sein äußeres Auge geschlossen, um mit dem inneren Auge zu sehen”. Mit der Technik der Reduzierung von Außenreizen brachte er seine Phantasie zum Erblühen, fand Zugang zu seiner künstlerischen Vision. www.oppisworld.de/zeit/biograf/cdf.htmlIn vielen Kulturen im Nahen und im Fernen Osten und besonders in Mexiko spielten psychoaktive Pflanzen in der Malerei eine so offensichtliche Rolle, daß die Beeinflussung der indianischen Kunst Mittelamerikas durch den Psylocibin-Pilz plausibel erscheint und der Künstler Ernst Fuchs bewußt wurde, “daß die Kulturen der alten Völker allesamt durch den Genuß bestimmter Drogen ihre spezifische Form erhalten haben. http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Fuchs_Was immer in Gebrauch gewesen sein mag, um die Perzeption des Menschen zu vertiefen und zu erweitern, angefangen vom Fasten und Meditieren, bis zum Einnehmen von Drogen, eines scheint mir gewiß: Die Menschen haben immer gewußt, daß erst durch den bestmöglichen Einblick in das Seelische die Herrschaft des Geistigen und Schöpferischen möglich wird” (Fuchs 1978:102).In “Psychedelische Kunst” berichten Robert Masters und Jean Houston in ihrer Literatur, Verlag Knaur; München, Zürich, 1971, über Ernst Fuchs geb. 1930, daß Fuchs sich intensiv mit Juden – und Christentum beschäftigte. Er erlebte den Aussagen zufolge mystische Tiefen und seine Glaubensoffenbarung fließt mit seiner künstlerischen zusammen, indem er die Tiefe der Visionen auszudrücken vermag.“In all seinen Arbeiten wird die Hand eines Künstlers sichtbar, der die Formen und Bilder der psychedelischen Erfahrung einsichtig überträgt, gestaltet und ausdrückt.” (Masters u. Houston 1969:157)Ernst Fuchs lernte 1954 verschiedenen Drogen in Paris und den USA kennen. “Vom Trinken und Berauschtsein im allgemeinen”, hielt Fuchs nichts, so wie er es kannte.Dennoch experimentierte Fuchs ca. zwei Jahre mit fast allen halluzinogenen Drogen, da er in der Verbindung mit Traum und Drogen einen inneren Zusammenhang sah. In einer nachträglichen Gestaltung und in Verbindung mit LSD-Visionen formte Ernst Fuchs “ein” Rauschmaterial zur Architectura  Caelestis: Reiche Ornamentierung, starke Farbigkeit mit dem Ausdruck inneren Leuchtens, all diese Merkmale psychedelischer Kunst sind in Fuchs` Beschreibungen enthalten. Im Psalm 1969, gemalt von 1949 bis 1960 steigt das dornenbekrönte Haupt Jesu, die leuchtende Vision aus den Tiefen des Wassers.“Bild meines Durchbruchs zum Christentum. Meine Begnadigung”, beschreibt Fuchs sein Kunstwerk. (1966:133)Von den vielen psychedelischen Malern, wie Mati Klarwein, Arlene Sklar-Weinstein, Helmut Wenske, Allen Atwell, Ivan Albright, Pavel Tchelitchew, ist der Belgier – Henri Michaux (1899-1984), Dichter, Zeichner und Maler von besonderer Einzigartigkeit. Gesichter waren ein beherrschendes Thema für Michaux, und seine Aquarelle aus einer Serie aus den Jahren 1948/49, die er nach dem plötzlichen Tod seiner Frau malte, wurden als einzigartig künstlerisch bezeichnet. Von protokollartiger Wiedergabe sind Michaux’s Kunstwerke, die durch den Einfluß von Meskalin entstanden.Stil und Technik unterscheiden sich deutlich voneinander. Die Bilder Michaux`s sind Kalligraphien der inneren Unruhe und dokumentieren Zerfall, Auflösung – Angst.Die Resultate seiner Meskalin Experimente waren unter anderem seine 1958 entstandene Meskalin-Zeichnung und sind in seinem Buch “Turbulenzen im Unendlichen” erkennbar. Die Kunstwelt sah in ihnen “Dokumente psychischer Erschütterungen und existenieller Unordnung”. Michaux gilt als einer der großen künstlerischen Einzelgänger dieses Jahrhunderts. Nach abgebrochenem Medizinstudium reiste er als Matrose ein Jahr lang um die Welt.Aber Michaux war auch ein Abenteurer im Geiste, der “die Beziehung zum Unterbewußten” vermehren wollte. Seine ausgedehnten Exkursionen durch Südamerika und den fernen Osten, die er in seinen persönlichen Aufzeichnungen – “Ein Barbar in Asien” auswertete, waren auch ein Stück Selbsterforschung, seine Aufbrüche ins Innere und zugleich Erkundigungen der Welt. Seine Selbstversuche mit Meskalin aus dem Peyote Kaktus, die er unter ärztlicher Kontrolle in der Mitte der fünfziger Jahre unternahm, versuchte er nach Abklingen des Rausches eindrucksvoll festzuhalten. Die so entstandenen Zeichnungen von seismographisch-vibrierenden Linien, die sich zu abstrakten mikroskopischen Strukturen reihen, unterscheiden sich deutlich von all seinen vorherigen figurativen  Arbeiten.William Shakespeare (1564-1616), englischer Dichter und einer der Hauptdramatiker der Weltliteratur, der in seinen Werken den ganzen Bereich menschlichen Daseins umspannt, war ein unvergleichlicher Schilderer von Charakteren.  Klassiker Archiv – Glanz und Elend“Nicht Mohn und nicht MandragoraNoch alle Schlummersäfte der NaturVerhelfen je dir zu dem süßen Schlaf,Der gestern noch dein Eigen war.”Daß Opium und andere Drogen bei Shakespeare in etwa zweihundertmal auftauchen, hat aber nichts mit einer privaten Leidenschaft dafür zu tun.Ebenfalls eine Ausnahme, aber unter anderen Umständen, war im Jahre 1928 der Komponist Richard Strauss (1864-1949). http://www.komponisten.at/komponisten/215.htmlSeine sinfonischen Dichtungen “Don Juan”, “Tod und Verklärung”, “Ein Heldenleben” und Opern wie “Salome”, “Elektra”, “Der Rosenkavalier”, “Ariadne auf Naxos” und “Arabella”, Lieder, Kammermusik und anderes sind sehr bekannt. Richard Srauss, der sich einer Nasenscheidewand – Operation unterziehen mußte, bekam in einer Frankfurter Klinik in Deutschland zur örtlichen Betäubung vor der Operation zwei mit Kokain getränkte Wattebäuschchen fünf Minuten in die Nasenlöcher geschoben.Wie sein HNO-Facharzt Hans Leicher 1978 in einer Fachzeitschrift mitteilte, besuchte er den Patienten Strauss zwei Stunden nach seiner Operation und fand “den Boden des Krankenzimmers und die Bettdecke mit frisch geschriebenen Notenblättern bedeckt”. Richard Strauss sagte ihm, “das Zeug habe ihn ganz munter gemacht” – zur Vollendung der zwei Arien – “Aber der Richtige, wenn’s einen für mich gibt” und “Und du wirst mein Gebieter sein” – für seine Oper “Arabella” angeregt, an der er damals gerade arbeitete. Der Komponist meinte zu dem Arzt: “Die Nachwelt wird Sie dafür verantwortlich machen” (zitiert nach “Der Spiegel” 1978/Nr.117)Allerdings sollte man nicht übersehen, daß die geschilderten Wirkungen üblich sind. Wissenschaftler – u.a. Ashley (1974) sind der Meinung, “daß eine mäßige Menge Kokain weit mildere, angenehmere Zustände der  Euphorie erzeugen, bei denen Halluzinationen fehlen”. Die Wirkungen ähnlichen denen von Sigmund Freud’s (1884) Kokainexperimenten.  (S. Freud, 1856-1939, österreichischer Psychologe und Schöpfer der Psychoanalyse)

Lilypad
Lilypad
Lilypad
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Museum I
Museum I
Cloud Cities
Cloud Cities
Nakagin Capsule Tower
Nakagin Capsule Tower
Nakagin Capsule Tower
Nakagin Capsule Tower
9 hours Capsule Hotel
9 hours Capsule Hotel
9 hours Capsule Hotel
9 hours Capsule Hotel
9 hours Capsule Hotel
9 hours Capsule Hotel
Everland Hotel
Everland Hotel
Everland Hotel
Everland Hotel
Big Investconsult Water Discus Hotel
Big Investconsult Water Discus Hotel
Kugelmugel
Kugelmugel
Kugelmugel Grenzschild
Kugelmugel Grenzschild
A-Z Homestead Units
A-Z Homestead Units
Mars One
Mars One
Mars One
Mars One
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Text
Patricia Schneider

"Now it’s time to leave the capsule if you dare"*

*aus dem Song „Space Oddity“ von David Bowie, 1969

Die Aufforderung in David Bowies Song „Space Oddity“ entspringt der alten Sehnsucht nach dem Andern, dem Unbekannten im Weltraum. Vielleicht warten da draussen die Ressourcen, die uns bald ausgehen oder welche die wir noch gar nicht kennen. Die Vorstellung von der Welt ausserhalb der Kapsel ist eine Quelle für visionäre Projekte, die sich im Spannungsfeld verschiedener Disziplinen bewegen. weiterlesen

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Die Aufforderung in David Bowies Song „Space Oddity“ entspringt der alten Sehnsucht nach dem Andern, dem Unbekannten im Weltraum. Vielleicht warten da draussen die Ressourcen, die uns bald ausgehen oder welche die wir noch gar nicht kennen. Die Vorstellung von der Welt ausserhalb der Kapsel ist eine Quelle für visionäre Projekte, die sich im Spannungsfeld verschiedener Disziplinen bewegen. Der belgische Architekt Vincent Callebaut hat mit „Lilypad“ (Abb. 1+2) die Vision einer schwimmenden Stadt entwickelt, die potentiellen Klimaflüchtlingen einen neuen klimaneutralen Lebensraum bietet. Auch der Finne Ilkka Halso beschäftigt sich in seinen künstlerischen Projekten mit dem Verhältnis von Mensch und Natur. Seine Installation „Museum I“ (Abb. 3) hinterfragt das Selbstverständnis der Menschen, die nach wie vor denken, dass sich die Natur kontrollieren lässt. Mit „Cloud Cities“ (Abb. 4) entwickelte Tomás Saraceno im Hamburger Bahnhof in Berlin eine dreidimensionale Vision einer utopischen Lebenswelt. Seine kapselartigen Module, die zum Teil bewachsen und begehbar sind, scheinen als organisches Raumgeflecht im Raum zu schweben. Der „Nakagin Capsule Tower“ (Abb. 5+6) von Kisho Kurokawa dagegen ist keine Utopie mehr. Das dreizehnstöckige Gebäude ist aus einzelnen Kapseln aufgebaut, die als Wohn- und Büroräume genutzt und bei Bedarf ausgetauscht oder zu grösseren Einheiten verbunden werden können. Die standardisierten Wohneinheiten, die in ihrer Grösse und Ausstattung sehr beschränkt sind, verstehen sich als Prototyp für einen verdichteten Städtebau. Die mobilen Einheiten können dabei gemäss den Grundsätzen des Metabolismus als Konstruktionsprinzip für ganze Städte dienen. Bisher wurden allerdings noch keine Kapseln ausgetauscht und der Turm befindet sich nach vierzig jährigem Bestehen in einem schlechten Zustand. Noch viel kleiner und reduzierter sind die Einheiten der Kapselhotels, welche den japanischen Geschäftsleuten und immer mehr auch den gestrandeten Reisenden in internationalen Flughäfen eine günstige Schlaf- und Rückzugsmöglichkeit bieten. Das neu konzipierte „9 hours Capsule Hotel“ (Abb. 7–9) in Kyoto soll nicht nur die Grundbedürfnisse abdecken, sondern auch aus ästhetischer Sicht überzeugen. An der Schnittstelle von Kunst und Design bewegt sich das Künstlerpaar Lang/Baumann, mit ihrem „Everland Hotel“ (Abb. 10+11), welches sie als mobile Einheit erstmals an der Expo 2002 installiert haben. Ihr besonderes Augenmerk haben sie dabei auf das Farbkonzept und die multifunktionalen Nutzungsmöglichkeiten der Innenausstattung gerichtet. Unter dem vielversprechenden Namen „Water Discus Hotel & Underwater Animal Coral Garden“ (Abb. 12) sollte in Dubai eine Zuger Firma das modernste Unterwasserhotel der Welt bauen. Der Komplex besteht aus mehreren tellerförmigen Kapseln, die sich über oder unter dem Wasser befinden und durch Säulen miteinander verbunden sind. Die Pläne mussten inzwischen aber aus technischen und finanziellen Gründen auf Eis gelegt werden. Mit Widerständen anderer Art wurde der Österreicher Edwin Lipburger konfrontiert, als er seine Vision eines kugelförmigen Baus ohne Baugenehmigung realisierte. Weil er auch noch gegen weitere Rechte verstiess, musste er wegen Amtsanmassung eine Gefängnisstrafe verbüssen. Inzwischen steht die Kugel hinter dem Plantetarium im Wiener Prater und Lipburger hat innerhalb seiner umzäunten Kapsel die Republik „Kugelmugel“ (Abb. 13+14) ausgerufen. Ob sich nun hinter oder vor dem Zaun die grosse Freiheit befindet, sei dahingestellt. Über die ganze Welt verteilt leben jedenfalls über sechshundert Personen, die sich per Dokument als Staatsbürger von Kugelmugel ausweisen können. Während sich die einen in ihre Kapsel zurückziehen und sich auf deren Ausgestaltung fokussieren, hat bei anderen Projekten die Kapsel vorallem eine Schutzfunktion vor der unwirtlichen Umgebung. Mit ihren Living Units ist Andrea Zittel bestrebt, einen Beitrag zur Erforschung individueller und damit auch gesellschaftsrelevanter Zustände zu leisten. Mit ihren „A-Z Homestead Units“ (Abb. 15) entwickelt sie Kapseln, die den klimatischen Extremen der kalifornischen Wüste trotzen. Ihre Arbeit untersucht das Spannungsverhältnis zwischen dem Innen und dem Außen, zwischen dem Bedürfnis nach Rückzug und dem Verlangen nach sozialem Austausch. Der Wunsch nach einem Aufbruch in unbekannte Regionen ist nach wie vor ungebrochen. Mas Lansdorp will im Jahr 2023 Menschen zum Mars schicken und das Ganze finanzieren, indem er die Mission als Reality-Show im Fernsehen austrägt. Bereits 78’000 Menschen haben sich bei seiner Gesellschaft „Mars One“ (Abb. 16+17) beworben, obwohl klar ist, dass die Rückkehr vom roten Planeten nicht möglich und nicht vorgesehen ist. Obwohl zahlreiche Fragen noch ungeklärt sind  – insbesondere, ob der Mensch überhaupt auf dem Mars leben könnte –  scheint die Verlockung nach dem Fremden grösser zu sein, als die Angst vor dem Scheitern. Zumindest gedanklich haben Lansdorp und die Astronautenanwärter die Kapsel bereits verlassen.

Lilypad Lilypad Museum I Cloud Cities Nakagin Capsule Tower Nakagin Capsule Tower 9 hours Capsule Hotel 9 hours Capsule Hotel 9 hours Capsule Hotel Everland Hotel Everland Hotel Big Investconsult Water Discus Hotel Kugelmugel Kugelmugel Grenzschild A-Z Homestead Units Mars One Mars One  

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Tipp
Hin Van Tran

Schluss. Aus. Feierabend.

Der Slogan klingt wie aus dem vergangenen Jahrhundert, und von dort stammt er auch: „Samstags gehört Vati mir.“ Mit ihm kämpfte der Deutsche Gewerkschaftsbund 1956 für die Fünf-Tage-Woche.

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Der Slogan klingt wie aus dem vergangenen Jahrhundert, und von dort stammt er auch: „Samstags gehört Vati mir.“ Mit ihm kämpfte der Deutsche Gewerkschaftsbund 1956 für die Fünf-Tage-Woche.

Aber ist der Slogan wirklich so aus der Zeit gefallen, wie er klingt? Wäre es nicht im Gegenteil höchste Zeit, ihn aus dem Plakat- archiv politischer Parolen hervorzukramen? Natürlich – keine Sorge, liebe Kolleginnen – in einer gegenderten Version: Samstags gehören Mutti und Vati mir. Mehr.