Editorial Barbara Mauck
Liebes Tagebuch
Editorial Barbara Mauck
Liebes Tagebuch
… so oder so ähnlich fängt es immer an.
Ich liebe Tagebücher – vorallem die anderer Leute. Ich lese sie alle – besonders Samuel Pepys. Ihn gibt es heute in verschieden editierten Neuauflagen, als Hörbuch und Website mit Archiv: http://www.pepysdiary.com/archive/ . Man kann ihm per Twitter folgen: twitter.com/samuelpepys
Am 1. Juli 1660 zum Beispiel schreibt er folgendes:„This morning came home my fine Camlett cloak with gold buttons, and a silk suit, which costs me much money, and I pray God to make me able to pay for it.“An anderer Stelle schwärmt er von Brüsseler Spitze, er redet nächtelang mit seiner Frau über Gott, Geld und – nun ja! Pepys feiert den Jahrestag seiner Blasensteinoperation als Auferstehung, er arbeitet tüchtig und gewissenhaft, vergnügt sich noch lieber, wird daher notgedrungen zu einem „Pioneer der gleitenden Arbeitszeit“. Er singt und spielt, nicht nur gekonnt, die Laute, und beschreibt die Sache mit den Dienstmädchen in einfachen, doch weltgewandten Worten: „and in that place did hazer what I tena a mind para faire con her“. Was wohl heissen soll: dass es zur Sache ging.Kurzum: ein Mann nach Lesermanns und Leserfraus indiskretestem Geschmack. Tatsächlich: Kein Mensch wüsste, wer dieser höhere Verwaltungsbeamte des Londoner Flottenamtes ist, hätte er kein Tagebuch geschrieben!Da stellt sich mir die Frage: Sollte auch ich es tun? Tagebuchschreiben? Oder mit Mission und Sofortablass an die ganze Welt: Bloggen? Sicherlich – ich korrespondiere viel, nicht immer gerne, aber einen Briefwechsel wie einst Goethe, Celan oder Rilke, wie Frau von Stein, Ingeborg Bachmann oder Lou Andreas Salomé habe ich keinen. Und eine Autobiographie – nun ja: Mal sehen. Später!Wie man es dreht oder wendet: Hier geht es – ganz schlicht – um Zeit. Denn alle drei, ganz gleich ob Autobiographie, Briefwechsel oder eben auch das Tagebuch, liessen sich als Instrumente der Zeitwahrnehmung lesen. „Wer ein Tagebuch liest, hält Zeit in Händen, blättert durch Jahre, Monate, Tage, hält ein, überspringt.“, schreibt so auch der Tagebuchforscher Arno Dusini. Dabei hat der Akt des Schreibens für den Schreibenden mitunter grössere Bedeutung als der dabei entstehende Text. Denn im Vordergrund steht der Versuch des Schreibenden, sich in ein Verhältnis zur Welt zu setzen und so Ordnungsmuster aufzuschliessen, mittels derer sich die Welt mitsamt ihrer Wissensbereiche, Wahrheiten und Wirklichkeiten vor unseren Augen konstruiert.Man kann es gerade deshalb immer wieder, je nach Perspektive, je nach Zeit, Ort und Umgebung, auch anders sehen. Möbiusschleife.Ein Grund mehr, das Tagebuch zum Gegenstand einer neuen Ausgabe von DingDong zu machen – einer ersten Ausgabe, bei der sich unterschiedliche Sichtweisen in einer Redaktionsrunde des Fachbereichs Gestaltung und Kunst begegnet sind: Mittelbauangehörige aus der Gestaltung, aus der Vermittlung und Kunst, aus dem Y-Institut und der Forschung an der Hochschule der Künste Bern:
- Nathalie Pernet; Wissenschaftliche Mitarbeit / Koordination Fachstelle F+E
- Patricia Schneider; Wissenschaftliche Mitarbeit Druckatelier / GK
- Hin Van Tran; Wissenschaftliche Mitarbeit GK
- Wolfram Höll; Assistenz Y- Institut / Fachstelle F+E- Stefan Sulzer; Assistenz VKD / GK
- Ivan Weiss; Wissenschaftliche Mitarbeit GK
Gérard Genette beschreibt mit Blick auf den letzten Text Roland Barthes, Délibération, den Tagebuchschreiber als Überzeugungstäter. Eine erste Redaktionsausgabe unter dem Titel „Tagebuch“ ist, so betrachtet, die Manifestation einer gemeinsamen Haltung, einer geteilten Selbstverständlichkeit. „Bref“, schreibt Genette, „le diariste est moins celui qui tient un journal que celui qui croit à la vertu du journal. On pourrait, allant plus loin – trop loin, sans doute – ,définir le diarisme, non come une activité, mais comme une opinion (une certitude): celle qui consiste à ne pas douter de la vertu du journal. On serait diariste comme on est pas baptiste ou taoiste…“ .Ou DingDongiste, I would con firmeza say. So weltgewandt wie Pepys bin ich schon lange!
Interview Patricia Schneider
Interview mit einer Bloggerin
Interview Patricia Schneider
Interview mit einer Bloggerin
Patricia Schneider: Als Mme Hervé betreibst du seit fünf Jahren einen Design-Blog. Was war die Motivation mit dem Bloggen zu beginnen und wieso bloggst du unter einem Pseudonym?
Mme Hervé: Um mich mit anderen Bloggern austauschen zu können, benötige ich eine eigene «Homebase» über die ich meine Interessen und Themen kommunizieren kann. Der Austausch mit anderen Bloggern, die oftmals auch einen professionellen Hintergrund haben, gibt mir einen Einblick in die internationale Designszene direkt an der Quelle. Mein Blog ist ein Experimentierfeld, bei dem es nicht um meine Person geht.
PS: Dein Blog hat eine inhaltliche und eine zeitliche Struktur. Inwiefern hat dein Blog eine Parallele zu einem Tagebuch? Kannst du allenfalls Beispiele nennen, bei denen das noch deutlicher der Fall ist?
MH: Es gibt eigentlich nur Parallelen zum ?Tagebuch wenn ich an einer Messe bin oder wenn ich über einen aktuellen Anlass schreibe. Ansonsten wird der Blog inhaltlich und nicht tagebuchartig geführt. So genannte Tagebuch-Blogs gibt es vorwiegend bei «Selbsthilfe-Blogs», bei denen das Schreiben einen therapeutischen Zweck erfüllt. Ich habe festgestellt, dass viele «junge» Mütter bloggen, um sich auszutauschen. Angeblich werden etwa 85% der Blogs von Frauen geführt! Hier ein paar Beispiele:Tagebuch einer Illustratorin aus Deutschland, die über ihre Arbeit und ihr Leben schreibt:? bastisRIKE, Fine Little Day Viele Blogger publizieren regelmässig «my week in pictures»: Chez Larsson: 366: Day 247-253 Lisa Congdon hat zunächst täglich ein Bild publiziert und dieses Material schliesslich als Buch herausgegeben: Collection a Day, A Collection a Day, 2010 Ein «krasses» Beispiel ist die Frau, die den Blog ihrer bei einem Unfall verunfallten Schwester weiterführt und damit hohe Spendenbeträge sammelt. (Dieser Blog ist sehr religiös auch sehr amerikanisch.) ?nienie
PS: War der inhaltliche Rahmen immer schon klar definiert oder hat sich das mit der Zeit verändert? Nach welchen Kriterien wählst du die Inhalte aus, die du besprichst?
MH: Der Blog entwickelt sich ständig weiter, daher lässt sich die Veränderung nicht richtig beschreiben. Die Auswahl der Inhalte ist eher intuitiv und folgt keiner klar definierten Strategie. Die Inhalte müssen mich ansprechen, mein Interesse wecken und müssen vor allem auch in der Blogwelt neu sein.
PS: Wo findet man neue und innovative Produkte und wie sehen deine Recherchestrategien aus? Wie gehst du mit dem Copyright um?
MH: Ich lese täglich etwa achtzig Blogs, die ich in einem Reader zusammengestellt habe und den ich auch immer wieder anpasse. Zudem erhalte ich viele Mails mit Hinweisen und Projekten. Mit dem Copyright gehe ich möglichst korrekt um: Ich verlinke die Hinweise mit den Quellen und den Designern. Auf die Fotografen müsste man eigentlich auch noch verweisen, aber dazu bin ich meist zu faul…
PS: Gibt es einen Austausch in der Blog-Community und wie findet der statt? Welche interessanten Blogs verfolgst du selber regelmässig?
MH: Der Austausch findet meist via Twitter, Instagram (das ist meist sehr persönlich, da es Bilder aus dem täglichen Leben sind), Pinterest oder Mail statt. Facebook scheint nicht die Plattform der Designer zu sein. Wenn ich etwas sehe, das zu einem bestimmten Blog passt, schicke ich das auch weiter. Mit einigen Bloggern habe ich jahrelang einen sehr intensiven Austausch gepflegt und sie erst dann im richtigen Leben kennengelernt – interessanterweise war das kein grosser Unterschied zum virtuellen Raum.
PS: Wie grenzt sich ein Blog von anderen Formaten wie beispielsweise einem Design-Magazin ab?
MH: Der Blog ist für mich aktueller, schneller und hat mehr Hintergrundinformationen. Jaja, ich glaube nicht mehr an die Design-Magazine…
PS: Wie regelmässig veröffentlichst du neue Beiträge und wie viel Zeit investierst du in ?dieses Projekt? Sind alle Beiträge von dir? Könntest du dir auch vorstellen im Team zu ?arbeiten?
MH: Ich poste drei bis fünf Beiträge pro Woche und investiere pro Tag durchschnittlich zwei Stunden dafür. Wenn ich nichts Spannendes finde kann es auch mal weniger sein. Die Beiträge sind alle von mir, aber ich habe das Gefühl, dass ich in einem Team arbeite, das aus der ganzen Community besteht.
PS: Ergibt sich aus deiner Arbeit eine finanzielle Wertschöpfung oder wie sieht dein Ertrag aus? Wie stehst du zu kommerziellen Blogs?
MH: Da ich weder gesponserte Posts annehme noch Werbung schalte, habe ich keinen finanziellen Ertrag. Mein Gewinn besteht im gegenseitigen Austausch. Als ich eine Online-Praktikumsstelle ausgeschrieben hatte, haben sich innerhalb einer Woche achtzig Leute mit sehr spannenden Bewerbungen gemeldet. Inzwischen haben bereits zwei Praktikantinnen für mich gearbeitet und letzten Monat konnte ich eine Designerin anstellen.Mit kommerziellen Blogs kenne ich mich nicht aus und sie interessieren mich auch nicht. Immer mehr Blogger versuchen aus ihrer Tätigkeit Kapital zu schlagen. Eine interessante und kontroverse Diskussion hat der Blog von Sandra Juto ausgelöst, deren Blog man mit Donations unterstützen kann.
PS: Wie sieht die Zukunft deines Blogs?
MH: wenn ich das wüsste 🙂
Text Wolfram Höll, Theres Roth-Hunkeler und Fabienne Kilchör
Das Laborbuch an der HKB
Text Wolfram Höll, Theres Roth-Hunkeler und Fabienne Kilchör
Das Laborbuch an der HKB
Das Laborbuch spielt in der Forschung, und besonders den Naturwissenschaften, eine wichtige Rolle. Es ist der Ort, um die Arbeit z.B. mit Experimenten zu dokumentieren und reflektieren. Es hat dabei eine dreifache Funktion: Eine individuelle, eine gemeinschaftliche und eine rechtliche.1) Die individuelle Funktion ist die naheliegendste: Das Laborbuch dient dem Verfasser als Gedächtnisstütze, als Notizbuch und Protokoll seiner Forschungstätigkeit.2) Darüberhinaus sichert das Laborbuch die Nachvollziehbarkeit der Forschung: Während ein intimes Tagebuch auch reine Privatsache bleiben darf, richtet sich das Laborbuch von Anfang an auch an potenzielle Leser. Es muss so geführt werden, dass andere Wissenschaftler das Wann, Wo, Wie und Warum der Forschung verstehen, ja sogar die Experimente wiederholen oder fortführen können. Sowohl was Lesbarkeit als auch Vollständigkeit der Daten betrifft – das Laborbuch sollte auch ein Kochbuch sein können, bspw. für Nachfolger im Labor, wie der Wissenschaftsjournalist Marcus Anhäuser in seinem schönen kurzen Beitrag zum Thema schreibt.3) Zuguterletzt kann das Laborbuch auch rechtliche Bedeutung gewinnen: Streiten sich mehrere Parteien um ein Patent oder die Anerkennung einer wissenschaftlichen Endteckung, werden in manchen Ländern wie den USA Laborbücher hinzugezogen, um zu klären, wer der Erste war. Nicht zuletzt deswegen muss das Laborbuch mit dokumentenechter Tinte – und nicht etwa mit Bleistift – geführt werden, und es wird bei Korrekturen stets nur durchgestrichen, nicht geschwärzt, und jede Korrektur datiert.Auch die Forschung an der HKB macht sich das Format Laborbuch zu eigen, wie zwei Beispiele zeigen:Im Projekt Starke Wechselwirkung haben fünf Autoren, begleitet von zwei Literaturwissenschaftlern, das Experiment unternommen, ausgehend von naturwissenschaftlichen Texten Literatur zu verfassen. Die gleichzeitig geführten Laborbücher bewegen sich zwischen naturwissenschaftlicher Form, Materialsammlung, poetischen Abrissen und Tagebuch. Projektleiterin und Autorin Theres Roth-Hunkeler gibt einen Einblick in ihr Laborbuch.Das Projekt Zwischensaison seinerseits hat sich mit der Visualisierung von disparaten Sammlungsbeständen am Grundlagenbeispiel Hotelarchiv Schweiz beschäftigt. Der Projektfortschritt wurde in Labortagebüchern und einem gemeinsamen, gruppeninternen Blog dokumentiert, wovon Projektleiterin Fabienne Kilchör berichtet.
Starke Wechselwirkungen?
Auskunft geben über den Verlauf der Arbeit, kommentieren/reflektieren, was man macht, die Experimente festhalten – das ist üblicherweise ein Laborbuch. Ich stellte mir mein Laborbuch, bevor ich damit begann, übersichtlich vor. Und es würde sich unterscheiden von den Notizbüchern, die ich stets führe. Denn sie haben die Funktion von Wort- und Satz und Materialsammlungen (immer noch der schönen Aufforderung von früher nachkommen: Erweitere deinen Wortschatz!). Sie sind aber auch Journale, Reisebücher, sie halten Lektüren fest, Zitate, auch Emotionen, Namen, mögliche Titel für Texte. Im Laborbuch, nahm ich mir vor, wollte ich gezielter arbeiten, wollte ich nur Dinge notieren, die ganz direkt mit dem Forschungsprojekt zu tun hatten. Aber schon bald zeigte sich: es gelang mir nicht. Diese Aufteilung von ‚Schreiben für das Forschungsprojekt’ und ‚Sonstiges Schreiben und Leben und Schauen und Wahrnehmen’, das war nicht möglich. Wie immer mischte sich alles, floss ineinander, nährte sich gegenseitig, schwoll an wie ein Bach, aus Wörtern, aus Namen, Geröll, Pflanzen. Mein Laborbuch als eine Art Treibholz. Angeschwemmt aus Lektüre, aus Bearbeitung der Skripte, die uns zur Verfügung standen. Ich liess mich treiben. Schrieb intuitiv, ungefiltert, wie immer, in dieses ‚Laborbuch’, das sich zu einem schlichten Notizbuch verwandelt hatte und vieles von dem enthielt, was mir durch den Kopf ging, wenn ich, oft mit Unbehagen, an das Forschungsprojekt dachte und mich mit ihm beschäftigte. Eine Weile lang, das ist spürbar in den Notaten, legte ich den Focus auch in der Lektüre stark auf seine Themen, aber Pflanzen, Botanik und Steine haben mich schon immer interessiert. Als ich wirklich mit dem Schreiben der literarischen Texte für das Projekt zu schreiben begann, schloss ich das Laborbuch. Es hatte jetzt ausgedient, es war aber der nötige Vorlauf gewesen, der Wegbereiter, der mich zum ersten Satz und zu Protagonisten geführt hatte, Dinge, die ich schon seit längerer Zeit vage im Kopf gehabt hatte. Das Laborbuch als Steinbruch. Schriftsteller haben ja bei allen Arbeitsschritten nur die Wörter zur Verfügung, die sich oft genug verstecken.
Zwischensaison
Die Frage nach der Dokumentationsart hat sich für das Projektteam beim Forschungsprojekt „Zwischensaison“ bereits vor dem Kick-Off Treffen gestellt. Arbeitsphasen, Zeitpensen, Forschungserfahrungen und Arbeitsweisen der einzelnen Akteure waren ganz unterschiedlich und sollten möglichst einheitlich festgehalten werden. Zwei Dokumentationsmodelle boten sich an: Laborbücher in Druckform sowie ein interner Blog. Damit konnte der Wissenstransfer zwischen den einzelnen Mitarbeitern sowie der regelmässige Austausch des Forschungsstandes im Team gesichert, Daten wie auch Erkenntnisse zusammengetragen sowie aufgearbeitet und so dem Informationsverlust entgegengewirkt werden. Laborbuch: Mit einem einheitlich gestalteten Laborbuch (Indesign-Template) konnten die Forschenden individuell ganz unterschiedliche Dokumente wie Sammlungsmaterial, Bildserien (beispielsweise von der Arbeit im Feld oder von Prozessen), Buchzusammenfassungen, transkribierte Interviews, Referenzen, Gedanken, Inspirationen, visuelle Inputs, Gestaltungskonzepte oder auch Prototypen in allen Stadien zusammenfassen. Jedem Thema (pro Person und Arbeitsschritt) wurde ein eigenes Laborbuch gewidmet. Diese wiesen jeweils auf der Titelseite einen Titel, einen Untertitel, eine kurze Zusammenfassung sowie Schlagworte und ein grossflächiges Titelbild auf. Das farbige DIN A4-Dokument wurde zusätzlich mit Datum, Name, sowie Arbeitsphase versehen. Die chronologische Dokumentation war von grosser Wichtigkeit, um zu einem späteren Zeitpunkt den Prozess und die getroffenen Entscheidungen sowie Schlussfolgerungen mittels Belegen nachvollziehen zu können. Gewinnbringend war überdies die Regelmässigkeit, mit welcher die Laborbücher beschrieben und ergänzt wurden.
Blog: Zusätzlich wurde ein interner Blog geführt. Dadurch wurde der zeitnahe Austausch mit den anderen Mitarbeitenden in einer etwas weniger akademisch-wissenschaftlichen Art und Weise möglich. Das Medium Blog bietet – im Gegensatz zur gedruckten (sauber wissenschaftlich referenzierten und reflektierten) Dokumentation – den Vorteil, verspielter mit dem Forschungsthema umzugehen, Forschungsfragen in den Raum zu werfen, Ideen und Posts zu kommentieren, online über ein Thema zu diskutieren oder auch mal entferntere Inputs zu „taggen“. Auch konnten Teammitglieder so auf Symposien oder Ausstellungen aufmerksam machen oder auch Themen einbringen, die keinen direkten Beitrag zur Klärung der Forschungsfrage leisteten, jedoch neue Aspekte zur Thematik miteinbrachten. Für diejenigen, die mehr über das Forschungsprojekt „Zwischensaison“ erfahren möchten: Ende Oktober wird eine Publikation erscheinen.
Text Elke Kania
«Himmelsfarben» – Li Trieb
Text Elke Kania
«Himmelsfarben» – Li Trieb
Im Zentrum von Li Triebs künstlerischem Schaffen steht die Auseinandersetzung mit der Zeiterfahrung. Unter dem Titel „Archiv der Augenblicke” untersucht sie in zentralen Werkgruppen verschiedene Möglichkeiten von erfahrener und gemessener, von subjektiv erlebter und objektiv beobachteter Zeit. Seit 01. 01. 2000 arbeitet sie an Serien, die durch ein äusserst konsequentes Lebens- und Gestaltungskonzept entstehen. So definiert sie jeden Morgen die Himmelsfarbe in Worte und fertigt eine Photographie an. Mit reinen Pigmenten zeichnet sie schliesslich Wolkenformationen, deren Vergänglichkeit sich in der ephemeren Technik der unfixierten Zeichnung spiegelt. Auch der Zyklus der Graphitzeichnungen “Wasser” spielt mit dem Faktor Zeit, indem die Künstlerin die sinnliche Erfahrung einer sich stetig bewegenden Wasseroberfläche in vielen Schichten feinster Strichlagen zu einer scheinbaren Momentaufnahme verdichtet. Insgesamt ergibt sich aus den einzelnen Facetten eine konzeptuell beeindruckend dichte, künstlerisch sensible und vielschichtige Gesamtinstallation zum Thema Zeit.
Text Anke Gröner
«Mein Opa war ein Blogger»
Text Anke Gröner
«Mein Opa war ein Blogger»
Im Haus meiner Großeltern gab es keine Heizung. Wenn meine Schwester und ich in den Ferien zu Besuch waren, mussten wir uns erst wieder daran gewöhnen, uns nur mit kaltem Wasser zu waschen und eine Wärmflasche mit ins Bett zu nehmen. Und die war nicht mal aus Gummi: Oma hat stattdessen lieber alte Steinhägerflaschen mit heißem Wasser befüllt und sie in ein dickes, mummeliges Handtuch eingewickelt. Dann wurde die warme Rolle ins Bett gelegt, während wir uns zur Nacht fertigmachten – und als wir unter die riesigen Daunendecken gekrochen kamen, war das Bett wunderbar warm.In der Küche und im Wohnzimmer standen zwei Öfen, die mit Brennholz befeuert werden mussten. Oma und Opa wohnten direkt am Waldrand, so dass Opa nur ein paar hundert Meter gehen musste, um frisches Holz zu finden oder dünne Bäume zu fällen und sie zuhause zu spalten. Meine Schwester und ich sind immer gerne mitgekommen, wenn Opa Bäumefällen ging. Die ganz schmalen durften wir bearbeiten; dazu haben wir ein Seil um den Stamm gelegt und daran gezogen, so fest wir konnten. Opa hat immer noch ein bisschen nachgeholfen, und irgendwann gab das Bäumchen nach und wir konnten es so weit zerteilen, dass es auf den Bollerwagen passte. Eine Axt durften wir damals noch nicht in die Hand nehmen, und daher hat Opa das Holz mit wenigen, geübten Schlägen zerkleinert. Ich mag bis heute den Geruch von frisch gespaltenem Holz sehr gerne. Es riecht ein bisschen wässrig, sehr sauber, so weiß wie das Holz, das unter der dunklen Rinde zutage tritt.Mit dem vollbeladenen Bollerwagen sind wir dann wieder nach Hause gezogen. Die Arbeit von meiner Schwester und mir war getan; wir sind dann meist in den riesigen Garten meiner Oma gegangen, haben Erbsen direkt aus der Schale gegessen, uns in den hochaufgeschossenen Bohnenranken versteckt, Erdbeeren gepflückt, Stachelbeeren, Johannisbeeren und uns Kirschen an die Ohren gehängt. Währenddessen hat Opa begonnen, im Hühnerhof, wo sein Holzklotz stand, aus den Bäumen und Ästen Scheite zu schlagen, die er zu mehreren Holzmieten aufschichtete, die auf dem ganzen Grundstück verteilt waren.Meine Großeltern sind beide seit mehreren Jahren tot. Ihr Haus gehört nun meinem Vater, der es vermietet hatte. Inzwischen ist die Fassade verklinkert und es gibt eine Zentralheizung. Der große Waschkessel meiner Oma, der auch mit Holz beheizt wurde und in dem ich gerne die Wäsche mit einem Holzpaddel umgerührt habe, bis mir die Arme wehgetan haben, woraufhin Oma wieder übernahm, wurde abgebaut. Aus der Abstellkammer neben der Waschküche haben meine Eltern den Schrank geschafft, der inzwischen von grauem Lack befreit und mit Bienenwachs poliert in meinem Esszimmer steht. Die Schlafzimmermöbel aus den 30er Jahren stehen bei meiner Schwester, der Esstisch bei mir, genau wie das weiße Goldrandgeschirr, das fürchterlich altmodisch ist, aber hervorragend zu meinem Silberbesteck passt.In den letzten Jahren haben vier verschiedene Parteien in dem Haus am Waldrand gelebt. Der erste Mieter hat die helle Wandvertäfelungen in der Küche weiß lackiert. Die zweiten Mieter haben einige Bäume im Garten gefällt, darunter auch die Kirsche, die meine Großeltern zu meiner Geburt gepflanzt hatten. Die letzten Mieter hatten zwei riesige Hunde, die die letzten Reste des Gemüsegartens zunichte gemacht haben. Daraufhin hat mein Vater beschlossen, das Haus zu verkaufen, denn wenn einem etwas gehört, geht man vielleicht etwas pfleglicher damit um, als wenn man weiß, dass man irgendwann einfach gehen und alles zurücklassen kann.Vor einigen Wochen haben meine Eltern eine Käuferin gefunden. Wir haben die letzten Erinnerungsstücke vom Grundstück geholt, die bis jetzt dageblieben sind – vielleicht auch, damit meine Schwester und ich nochmal dahin zurückkehren können. Die Betonplatte, auf der die Fuß- und Handabdrücke von meiner Schwester und mir sind, Sommer 1976. Einen Ableger vom Weinstock, der das Küchenfenster umrankt hat. Und das ganze Holz aus den noch übrig gebliebenen Holzmieten, denn auch bei meinen Eltern zuhause gibt es diverse Öfen, die befeuert werden wollen. Papa hat seit dem Tod meines Großvaters stetig Holz in Kisten nach Hause transportiert, und jetzt, nach Jahren, sind die Mieten endlich leer. Beim Einpacken der Mieten sind meinem Vater öfter einige Holzstücke aufgefallen, die so gar nicht nach frischem Holz aus dem Wald aussehen, sondern eher wie Holzreste, die Opa ebenfalls zerkleinert hat. Und auf diesen glatten Stücken hat Opa kurz notiert, wie es ihm so geht, wie das Wetter ist oder was er heute morgen als erstes in den Nachrichten gehört hat. Dann hat er das beschriftete Holzstück in die Miete geworfen, sich wahrscheinlich von seinem imaginären Leser verabschiedet und weitergearbeitet.
Text Karin Schulze
Punk, Romantik, zerwühlte Laken
Text Karin Schulze
Punk, Romantik, zerwühlte Laken
Er gab sich als Sohn eines Serienmörders aus, posierte in Frauenkleidern und fotografierte den schwul-hedonistischen Lebensstil der US-Undergroundkultur. Über zwei Jahrzehnte nach seinem Tod sind die Bilder Mark Morrisroes begehrte Kunstobjekte.
Die letzte seiner Ausstellungen, die Mark Morrisroe erlebt hat, muss auf das Publikum gespenstisch gewirkt haben. Die meisten der 1988 in der New Yorker Galerie Pat Hearn gezeigten Fotoarbeiten waren in Spitälern entstanden. In den Nasszellen seiner Krankenzimmer hatte der Künstler sich improvisierte Fotolabore eingerichtet.An den Wänden der Galerie hingen die Fotogramme, die er aus Stofffetzen und Ausschnitten aus Zeitschriften oder Pornomagazinen fabriziert hatte, und die Röntgenaufnahmen seiner Lunge und seiner Zähne, die er durch farbige Übermalungen in abstrakte Gemälde verwandelte.Am unheimlichsten aber waren die in Bronze gegossenen Objekte: Als würde sich Morrisroe jetzt, da er von Aids schon schwer gezeichnet war, ein Denkmal setzen. Ein Paar Schuhe, deren ungleich abgetretene Sohlen von seinem Hinken herrührten. Dazu die Nachbildung eines Projektils, das dicht an seiner Wirbelsäule feststeckte – als er sich, noch minderjährig, seinen Unterhalt auf dem Strich verdiente, hatte ihn ein Freier angeschossen.Als Morrisroe ein Jahr nach seiner letzten Ausstellung starb, hinterließ er fast 2000 Fotoarbeiten. Die Bilder, nicht die eigentümlichen Bronzeobjekte, sind es, die mittlerweile zu seinem Ruf beitragen, einer der herausragenden Künstler der Boston School of Photography zu sein, zu der auch Nan Goldin oder David Armstrong zählen. Die erste Ausstellung nach der Inventarisierung und wissenschaftlichen Auswertung seines Nachlasses, der jetzt dem Schweizer Verleger und Kunstsammler Michael Ringier gehört, ist nun in Buchform und zahlreichen Ausstellungen zu sehen.
Nackt, in der Badewanne
Schon als Schüler hat der 1959 geborene Morrisroe ein Magazins namens „Dirt“ herausgegeben; schlecht kopierte Fotos, krakelige Schrift, grausig zusammenphantasierte Enthüllungsstorys. Morrisroe wollte sich mit seiner Promi-Postillen-Parodie ein Entree zu der Welt zu verschaffen, von der er träumte. Der Türsteher eines Bostoner Musikclubs, mit dem seine Mutter zeitweise liiert war, hatte den Heranwachsenden früh zu Konzerten und Ausstellungen mitgenommen. So hatte Morrisroe, als er mit 16 zu Hause auszog, bereits eine Vorstellung von der Underground- und Kunstszene, in der er leben wollte.Als Stricher finanzierte er sich eine eigene Wohnung und den Highschool-Abschluss. Und als die weitgehend auskurierte Schussverletzung es zuließ, studierte er an der Bostoner School of the Museum of Fine Arts. Nun war er wirklich Teil der Underground-Szene. Er tauchte ein in die Subkultur von Kunststudenten, Tänzern und Punkbands. Wenn sie ausgingen, trugen er und einige seiner Freunde oft Frauenkleidung. Mark trat dann unter dem Namen Sweet Raspberry auf. Und zusammen mit einem Freund performte er als Drag-Duo The Clam Twins Songs von Connie Francis.Morrisroe fotografierte sich, seine Freunde und Geliebten: in drag, nackt, in der Badewanne, auf zerwühlten Laken. Meist junge Männer, aber auch einige junge Frauen, alle sehr schlank, viele androgyn. Fast immer lichtete er sie in ihren ärmlichen Wohnungen ab. Auch wenn Stimmung und Outfit ahnen lassen, dass sie vermutlich gleich ausschwärmen werden in die Bars und Clubs der Stadt. Oft stachelte er seine Modelle zu exzentrischeren Posen und kühneren Entwürfen ihrer selbst an.
Sohn eines berüchtigten Serienmörders
Schnell entwickelte Morrisroe Verfahren, mit denen er die Brüche und Narben seiner Modelle – ihre zerbrechliche Existenz zwischen Alkohol, Drogen und einem wilden Sexualleben – in seinen Arbeiten aufgriff: Er beschriftete die Ränder der Fotografien und Polaroids, markierte sie mit graffiti-ähnlichen Tags, zerkratzte die Oberflächen, kolorierte und retuschierte sie, nutzte grelle Lichteffekte.Anfang der achtziger Jahre entdeckte Morrisroe ein Sandwich-Fotoverfahren für sich: Er kopierte Farbnegative auf Schwarzweißfilme, legte beide Negative übereinander und belichtete das Fotopapier durch sie hindurch. Das ergab malerische, an die Fotografie des 19. Jahrhunderts erinnernde Effekte. Oft schienen sich die gezeigten Personen und Gegenstände mitsamt ihren Umgebungen in einer samtig-feinkörnigen Substanz aufzulösen.Auch die Konturen seiner eigenen Existenz verwischte Morrisroe. Immer wieder erzählte er erfundene Geschichten über sich, gab sich gar als der uneheliche Sohn eines als Boston Strangler berüchtigten Serienmörders aus. Aus einer möglichst verruchten Existenz heraus versuchte Morrisroe eine Schönheit am Rande des Hässlichen zu beschwören, die an Baudelaires „Blumen des Bösen“ denken lässt und dabei die Ideale von Punk mit einer romantisierenden Ästhetik verbindet. Die fragile Eleganz seiner Fotos scheint auch ein Ergebnis davon zu sein.Mitte der achtziger Jahre zog Morrisroe nach New York. Wenig später erfuhr er von seiner HIV-Infektion. Die Ausstellung in der Galerie Pat Hearn war für ihn schon eine Art Abschiedsveranstaltung. 1989 starb er.
Recherche Hin Van Tran
«Script 2010» – Lauren McCarthy
Recherche Hin Van Tran
«Script 2010» – Lauren McCarthy
Das Tagebuch vom nächsten Tag
Vom 27. Januar bis zum 23. Februar 2010 verlief das Leben der Künstlerin Lauren McCarthy nach einem vorgegebenen Drehbuch. Jeden Tag entwickelte eine Community im Internet das «tomorrow script», in dem die Künstlerin Anweisungen erhielt, wie der nächste Tag verlaufen sollte. Jeder war eingeladen, auf der Website der Künstlerin am Drehbuch des nächsten Tages mit zu arbeiten, Dialoge zu entwerfen, Sets und Kostüme zu bestimmen oder Regieanweisungen zu geben. Um Mitternacht wurde das «tomorrow script» geschlossen und zum «today script». Das Archiv der Scripts liest sich wie ein Tagebuch, geschrieben von fremden Händen, einen Tag im voraus.Die Scripts mit ergänzenden Kommentaren der Künstlerin können auf ihrer Website nachgelesen werden.
Script: February 2, 2010
????[Setting: bedroom, 6am. LAUREN wakes up, gets dressed to go running.][Setting: sidewalks of Westwood 8:00 am. LAUREN is running. The weather is warm and sunny. Lauren thinks about her friends who complain about living in cold places with miserable weather. She feels glad about sunshine and decides to try and really FEEL the sun today. She wonders if being cold is really that bad. She decides to take a freezing cold shower to see if it really bothers her, and then tweet about how it feels.][Setting: UCLA gym shower, 9am. LAUREN showers, alone with her thoughts. She decides that today she will break the script in one location of her choosing, she will leave something in the script but not perform it. She also decides to try to focus on whatever she is doing at the moment during the day – while she is working, she’ll work, while she is eating, she’ll eat. She won’t be thinking about other things.][LAUREN stops on the way to studio to buy something to drink. She has an extended conversation with the person at the cash register.][LAUREN wants to experiment with touch in communication – she decides to hug people today. Lauren holds most people for a 5 count, mentally recording how the length of the hug affects both parties involved.][Setting: CASEY’s office, 11:30am. LAUREN meets with CASEY.]LAUREN: Hi, Casey.LAUREN: [Taking out her phone] Do you mind if I record this conversation?LAUREN: So this is one project I’m working on… This is a performance, all of it, to some degree. It was scripted yesterday, by a number of different people.LAUREN: [Pulling out her computer.] What I mean is…LAUREN: See here is the script, and here is the part where we are right now… [LAUREN explains project further.]CASEY: [Thinks for a few seconds then proceeds to ask many questions rapidly.]LAUREN: [Leaving CASEY’s office] Thanks, Casey. See you later.[Setting: 4th floor computer lab, 12:30pm. LAUREN holds office hours.][Setting: Franz Hall elevator, 1:55pm. After a few weeks of staring at each other during their mutual Metacognition class, LAUREN and DAWN finally have a real conversation.][Setting: Franz Hall, 2pm. LAUREN sits down in her metacognition class.][Setting: grad studio, 3:30pm. LAUREN returns from class.] She pulls out her HERO and decides to call her brother JACKLAUREN: Hey Jack, any news on the log-in issue with the soccer website? I would really like to get this off my plate. You know if you guys can’t figure out this glitch, I’m going to have to start charging you for the down time. For an MIT-trained computer sci-major, that would net out at something like $180 and hour, I think. Please tell THAT to your frat brothers, thank you.[After hanging up the phone, she decides to text her mom.]LAUREN: [texting] PLEASE DON’T volunteer me for anymore webmaster jobs, thank you. Love, Lauren.[Discovering yesterday that she doesn’t own very many colorful clothes, LAUREN decides to order some more online. She wonders if pink could be become her new fav color.][Setting: restaurant, 5:30pm. LAUREN arrives at weekly meeting with studio class. LAUREN is much more mellow and less worked up than normal in class today. She wonders if it’s just because of the script, the beer, or a slight shift in perspective…or some combination of all three?][Setting: Lauren’s apartment, 9:30 pm. LAUREN thinks about how many people she hugged today, feels mildly uncomfortable and thinks about ways to offer hugs without actually touching people. She wonders if this is normal, thinks about it….forgets what she was thinking about, and decides to have some Kashi.][Setting: LAUREN’s apartment, 10:30 pm. LAUREN finds some overripe bananas and decides to make banana bread. Feeling disappointed that she missed JOHANNA last week with the cookies, she packs up some of the bread to take her instead.][Before going to sleep, LAUREN spends some time drawing. She sends it to HANA for her birthday.]
Comment Lauren McCarthy:
As the group of people that know about this project expands, more interesting things begin to happen. Today a girl from my psychology class wrote a “first real conversation” into my script and it happened. This is what this project is about! Rethinking our interactions and patterns and imagining the possible deviations and what interesting things might come from them. The lines between performance and life, internet and physical world begin to blur further. If two people meet in this way, how does that affect how they get to know each other?The frequent thought stage directions appearing in my script are also of interest. Can you tell someone what or how to think? The easy answer seems to be no, but I find myself coming back to the directions throughout the day. Walking to class thinking about how this project might be dumb or worrying about what I’m doing in general with everything, I suddenly remember that I’m not supposed to worry and just be walking, and that somehow works for me to some degree. I agree to put off the worries for a day and deal with them tomorrow, but then find the tomorrow script contains a similar instruction. It sounds very trivial but it doesn’t feel that way.
Text Stefan Sulzer
Trash Diaries
Text Stefan Sulzer
Trash Diaries
Nicht-Besitzer eines TV Geräts mögen erstaunt sein über Formate in welchen das reizlose Leben als offene Wunde dem Publikum als Realität präsentiert wird, die es so nicht gibt, noch nie gab. Aus Musiksendern sind längst Klatsch-Kanäle geworden, das Privatfernsehen führt Schicksale minderbemittelter (pseudo-realer) Familien vor wie in einer viktorianischen Freak Show. Die Privatisierung des Öffentlichen hat im Gegenzug zu einer Öffentlichmachung des Privaten geführt. Der Vorwurf des moralischen Übergewichts lässt sich bei einer minimal-kritischen Betrachtung des auf den Kanälen privater Fernsehanstalten gängigen Harz IV TV’s einfach etablieren. Sofort klingt eine Kritik desselben verbittert, reaktionär, kultursnobistisch. Sie läuft Gefahr zu einem besserwisserischen Pamphlet des Gewissens zu verkommen. Wissensdünkel steht nur ganz wenigen gut, angestrengter Wissensdünkel gar keinem. «You try too hard, you fail too easy». Gerade deshalb sind jene Polemiken und Kritiken spannend, die sich nicht durch ein überzeichnetes Mass an Schlaumeierei disqualifizieren. Das Intime bezeichnet keine gültige Grenze mehr vor deren Überschreiten ein bedachtes (quotenschädigendes) Innehalten stattfindet. Getreu Russell Brand’s Motto (das sich bei ihm allerdings auf seine Kommentare des öffentlichen Lebens bezieht, und nicht auf das Zuschautragen peinlicher Initmitäten): «I don’t know where the line is until I’ve overstepped it. And anyway, most of the time that line is drawn in after I have crossed it.» Ohne gezielt zu suchen begegnen wir gefilmten Tagebüchern neureicher Prolls, folgen spätpubertierenden Halb-Machos durch die Nacht in L’loret oder sehen bei Shows wie «Jersey Shore» oder dem englischen «The Only Way is Essex» Menschen beim inszenierten Alltag zu. Mit kardashianischer Offenheit stellen sogenannte «real people» ein Leben zur Schau, welches der Aura des Trivialen huldigt und die angeblich zutiefst menschlichen Auswüchse unserer Zeitepoche zur bestimmenden Essenz eines Formats erheben. Untenstehend drei Clips. Von einem wünschte man sich er könnte so in einer Reality Show passieren, den Inhalt der anderen beiden hat man vergessen bevor der weisse Punkt das erlösende Ende der youtuberoten timeline erreicht.
http://www.youtube.com/watch?v=EQAr_AjZt-E
http://www.youtube.com/watch?v=91GzB9DHAAM
http://www.youtube.com/watch?v=FCjeky6jAfI
Text Andreas Kaiser
Reality TV – Die Billigen und die Willigen
Text Andreas Kaiser
Reality TV – Die Billigen und die Willigen
Das Gefälschte ist vom Echten nicht mehr zu unterscheiden
Star Search, Die deutsche Stimme 2003, Popstars – Das Duell, Superstar Junior, Deutschland sucht den Superstar, Fame Academyie – die deutsche Fernsehunterhaltung liegt wahrlich im Castingfieber darnieder. Dabei sind die Talentshows, in denen Begabte und Unbegabte vorsingen, Witze reißen oder als Möchtegern-Models über den Laufsteg schreiten, nur ein Teil einer Massenbewegung – wenn auch der augenfälligste. Die Zuschauer halten Einzug in ihr Medium, und zwar auf anderen Wegen, als sich die Visionäre des Bürgerfernsehens und die Gründer der „Offenen Kanäle“ zum Start des Privatfernsehens erhofft hatten. Hunderttausende sprechen beim Fernsehen vor, um eine Rolle in einer Gerichtsshow, einer Psychoberatung, einer Quizsendung oder Doku-Soap zu ergattern. Die genaue Zahl kennt niemand. Allein die Produktionsfirma Grundy Light Entertainment castet für diverse Unterhaltungsshows, darunter mit Jörg Pilawa, und nach eigenen Angaben über 100000 Bewerber jährlich.
„Die heutige Generation ist viel ungenierter als frühere“, beobachtet der RTL-Chef Gerhard Zeiler, „es gibt eine Veränderung in der Beziehung des Einzelnen zur Privatheit.“ Der passiv vor der Mattscheibe sitzende Zuschauer stellt sich heute in seinem Guckkasten selbst zur Schau – und sieht seinesgleichen lustvoll beim selben Treiben zu. „Die Leute wollen die Veredelung ihres eigenen Lebens sehen“, glaubt der Fernsehproduzent Nico Hofmann. Und kommt der Zuschauer nicht zum TV, geht das Fernsehen zum Zuschauer: So hilft ProSieben gescheiterten Heimwerkern aus der Bredouille, und Grundy Light Entertainment plant, überforderten Mitbürgern die Bude und das Leben gleich mit aufzuräumen.
„Fernsehen und Zuschauer bewegen sich immer weiter aufeinander zu“, glaubt die Grundy-Light-Chefin Ute Biernat. Das Fernsehen werde vom Publikum zunehmend als „Forum zur Selbstinszenierung“ genutzt, bestätigt auch Professor Lothar Mikos von der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Dabei gibt es den Wunsch des Publikums, sich und seinesgleichen wiederzuentdecken, schon lange. WETTEN, DASS …?, der Dinosaurier der Samstagabend-Unterhaltung, lebte davon, dass dort auch Hans und Franz mitmachen und Kunststückchen vorführten. Doch seit BIG BROTHER vor gut drei Jahren erstmals Freiwillige zwecks Dauerbeobachtung durch die TV-Nation drei Monate lang kasernierte, scheint ein Damm gebrochen zu sein.
Zu allen Tageszeiten und in den unterschiedlichsten Formaten wimmelt es im Fernsehen von Durchschnittsmenschen und Laiendarstellern, die vorgeben, „echte Menschen“ zu sein. Jene Zuschauer, die sich Anfang 2001 von den Reality-Shows abgewandt hatten, weil zu viel BIG BROTHER und zu viele, zu schlecht gemachte Real-People-Shows wie GIRLSCAMP (Sat.1) auf den Markt geworfen worden waren, sehen heute wieder hin. Selbst die noch Anfang des Jahres von der Unterhaltungsbranche für tot erklärte Containershow BIG BROTHER ist in diesem Frühjahr erfolgreich wieder auferstanden. Ausgelöst wurde diese zweite Blüte ausgerechnet von der ARD. Sie landete Ende vergangenen Jahres mit ihrem SCHWARZWALDHAUS 1902 einen Überraschungscoup. In der nach einem britischen Vorbild (1900 HOUSE) gewirkten LIVING HISTORY- Sendung musste eine Familie einen Bauernhof unter den Bedingungen der vorletzten Jahrhundertwende – Leistenbruch und Blutvergiftung inklusive – bewirtschaften. Die Idee wird nächstes Jahr wiederbelebt: Für eine Vorabendserie in einem ostelbischen Gutshaus um 1900 kann man sich bei der ARD als Dienstmädchen oder Stallbursche bewerben. Das Erste macht darüber hinaus gerade sechs Untrainierte für den New-York-Marathon fit. Und das ZDF hat zwei Familien zwecks „Erlebnis- Doku“ nach Sibirien geschickt. Mit der Wiederkehr und Ausdifferenzierung des Echtmenschenfernsehens – vom Containertrash bis hin zur grimmepreisgekrönten Schwarzwald-Reality mit Schulfunkanstrich – scheint Deutschland den Anschluss an den internationalen Fernsehmarkt wiedergefunden zu haben. In den USA, wo das Genre ohne Unterbrechung populär war, laufen in diesem Sommer statt der sonst üblichen Wiederholungen lauter Real-People-Shows um die Wette.
Verschwunden war Reality TV allerdings in Deutschland nicht. So boomen seit Jahren auf fast allen Kanälen – von Arte bis RTL 2 – die so genannten Doku-Soaps. Vom Kinderkriegen bis zum Häuslebauen scheint inzwischen jedes alltägliche und weniger alltägliche Thema mehrfach abgehandelt zu werden. Als Wegbereiter dienten die nachmittäglichen Talkshows, in denen seit Jahren Fragen wie „Hilfe, mein Busen ist zu klein“ erörtert werden. Ute Biernat von Grundy Light Entertainment ist überzeugt: „Die Talkshows haben viel zum heutigen Reality-Erfolg beigetragen. Dort haben die Zuschauer im Lauf der Jahre gelernt, Geschichten, die normale Leute erzählen, als Unterhaltung anzunehmen.“ Tatsächlich scheint die Trennlinie zwischen fiktivem (also Geschichten erzählendem) und dokumentarischem (das heißt aus der Realität berichtendem) Fernsehen in Auflösung begriffen. So wurden die Nachmittagstalks weitgehend von Gerichtsshows und Beratungssendungen abgelöst. Die Richter sind echt, die Delinquenten sind in Wirklichkeit Laiendarsteller. Sie hoffen, dass zwar der Kegelklub, aber nicht ausgerechnet der Chef zuguckt, wenn sie den Vergewaltiger mimen. Der Echtmenschen-Appeal der Gerichtssendungen kam so gut an, dass Weiterentwicklungen dieser Schauprozesse den Sprung in den Vorabend geschafft haben. In Serien wie LENSSEN & PARTNER (Sat.1) bearbeiten ein echter Anwalt und vier vom Sender angelernte Detektive erfundene Fälle. Gefilmt wird mit elektronischen Kameras im dokumentarisch wirkenden Billiglook. Alles soll aussehen, als ereigne es sich wirklich.
„Diese Real-Doku-Formate schließen eine Lücke zwischen Talkshows und Fictionserien“, sagt der Sat.1-Unterhaltungschef Matthias Alberti. Die Lücke, von deren Existenz vor kurzem noch niemand etwas ahnte, füllt er demnächst mit gleich vier solcher Pseudo-Dokus. Alberti: „Die Real-Dokus sind wie ein Gewächs, das sich jetzt durch den Asphalt drückt.“ RTL dagegen versucht Reality mit aufwändigeren Produktionen edler aussehen zu lassen, als die Sache in Wirklichkeit ist, und zeigt demnächst die in den USA quotenerprobte Kuppelshow THE BACHELOR. Im Herbst darf sich auch bei uns ein Traummann unter 25 Damen eine aussuchen. Im Frühjahr legt RTL dann mit dem internationalen Format I’M A CELEBRITY, GET ME OUT OF HERE! nach. Per Telefonabstimmung soll der Zuschauer Prominente aus dem australischen Busch retten. Mittlerweile gibt es ungezählte Varianten und Mischformen des Real-People-TV. Wir erleben „den Aufbruch der klassischen Formen und ein Feuerwerk der Mix-Ästhetik“, sagt Nico Hofmann. „Uns fehlt die Nomenklatur“, gibt Matthias Alberti angesichts des Durcheinanders neuer Formate und Begriffe zu. Der Begriff „Hybridformate“ versucht zu fassen, was kaum zu fassen ist. Zurzeit wird alles mit allem gekreuzt, Fiction mit Doku, Zuschauershow mit Krimi, Dating mit Soap – eine Portion Reality gehört jedoch fast immer dazu. Was die Fernsehindustrie von der Echtmenschelei hat, ist offensichtlich: Billigeres und willigeres Sendematerial gibt es schlechterdings nicht. Selbst wenn die Sendungen aufwändig produziert werden, den Rohstoff Normalmensch gibt es massenhaft – und damit konkurrenzlos günstig. Und die moderne Videotechnik tut ihr Übriges. „Durch die DV-Technik sind Langzeitbeobachtungen finanzierbar geworden“, sagt der WDR-Unterhaltungschef Axel Beyer. Gelingt es einem Sender dann noch, die Frau und den Mann von der Straße per Talentshow zum Star zu stilisieren, bringen sie ihm nicht nur Werbemillionen, Telefon-Euro und Merchandising-Gelder ein. Man kann seine Geschöpfe auch noch hundertfach als Sendezeitfüller verwerten. So machen sich die Sender ihre Nachrichten, den Stoff für Specials, Boulevardshows und Beckmann-Talks kurzerhand selbst. Ein geschlossenes System. „WE HAVE A DREAM“ singen die von RTL geschaffenen „Superstars“ – die Senderchefs haben ihn sich verwirklicht.
Was das große Publikum am Echtmenschenfernsehen reizt, ist schwerer zu durchschauen. Sicher, mit „echten Menschen“, etwa der sympathisch-rundlichen Schwarzwaldhaus-Familie aus Berlin, kann sich der Durchschnittsmensch eher identifizieren als mit makellosen Blondinen, die in Spielshows Buchstaben umdrehen. Verständlich, dass es bei Castingshows vielen Spaß macht, den Traum vom Berühmtwerden mitzuträumen. Und so mancher feixt ganz gern, wenn sich seine Mitmenschen in maßloser SelbstüberschaÅNtzung lächerlich machen. Natürlich will bei den Doku-Soaps der Voyeur in uns nur allzu gern und immer wieder wissen, wie es bei den Hempels unterm Sofa aussieht. Doch all das erklärt den Erfolg der „echten Leute“ nicht vollständig. Ein großer Reiz dürfte im Oszillieren zwischen Realität und Fiktion liegen. Schon bei der als „Experiment“ vermarkteten BIG BROTHER- Show lag der Kick in der vermeintlichen Authentizität, die der Zuschauer als Inszenierung zu entlarven lernte. Das für die Zielgruppe offenbar kitzelige Spiel mit der Täuschung trieb zuletzt ProSieben auf die Spitze, als der Sender innerhalb der Talkshow ARABELLA die – vermeintliche Doku-Soap DIE ABSCHLUSSKLASSE 2003 ZEIGTE, OHNE HINREICHEND DEUTLICH ZU MACHEN, DASS IN WAHRHEIT EINE SPIELHANDLUNG ZU SEHEN WAR. IM STUDIO INTERVIEWTE DIE MODERATORIN ARABELLA KIESBAUER DANN DIE DARSTELLER, ALS WÄREN SIE WIRKLICH DIE SCHÜLER GEWESEN, DIE SIE IN DER SOAP VERKÖRPERT HATTEN. LÄNGST NICHT JEDER ZUSCHAUER BEKAM MIT, WAS DA VOR SICH GING. „ES MACHT UNS STOLZ, DASS ES UNS GELUNGEN IST, ES SO AUTHENTISCH ZU MACHEN“, SAGT DER PROSIEBEN-UNTERHALTUNGSCHEF JOBST BENTHUES. „ECHT UND FALSCH ZU UNTERSCHEIDEN IST NICHT MEHR WICHTIG“, GLAUBT AUCH DIE Produzentin Biernat. „Ob etwas real oder fiktiv ist, ist dem Zuschauer egal, Hauptsache, es ist spannend.“ Ganz nebenbei und noch weithin unbemerkt, kratzt das Unterhaltungsfernsehen auf diese Weise an den Fundamenten unseres Bedeutung“ vermutet auch eine Studie des Grimme-Instituts in der gegenwärtigen Alltagsverständnisses von Realität. Einen „Prozess von insgesamt großer kultureller „Tendenz zur Fiktionalisierung und Entrealisierung“ des dokumentarischen Fernsehens. Zwischen Machern und Zuschauern werde im praktischen Fernsehalltag neu ausgehandelt, „was wir unter dokumentarisch und authentisch verstehen und künftig verstehen werden“.
Angesichts des Booms des Echtmenschenfernsehens wird selbst der WDRUnterhaltungschef Beyer, einst Programmchef beim BIG BROTHER- Produzenten Endemol, „ziemlich philosophisch“: „Je weniger menschlichen Kontakt wir haben, je weniger wir untereinander kommunizieren, desto mehr sehen wir uns Leute im Fernsehen an. Das ist Ersatzkommunikation.“
QUELLE: (c) DIE ZEIT Nr.35
ADRESSE: www.zeit.de/2003/35/Reality-TV/komplettansicht
Text Der Spiegel
Tipp Hin Van Tran
Tagebuch Europas
Text Der Spiegel
Tipp Hin Van Tran
Tagebuch Europas
„Ein Mann ohne Tagebuch“, schrieb der Schweizer Gottfried Keller, „ist, was ein Weib ohne Spiegel. Dieses hört auf, Weib zu sein, wenn es nicht mehr zu gefallen strebt und seine Anmut vernachlässigt … jener hört auf, ein Mann zu sein, wenn er sich selbst nicht mehr beobachtet.“Das war Europas Ich-Beschauern recht aus dem Herzen gesprochen. Denn seit jenem Zeitalter der Renaissance. in dem sich der Einzelmensch neue private Freiheiten entdeckt hatte, vor allem jedoch seit der Mitte des 18. Jahrhunderts haben Bürger und Künstler, Philosophen, Politiker und Geistliche, Literaten und Nicht-Literaten sich selbst, ihre Zeit und ihre Umwelt im Tagebuch unaufhörlich zergliedert und gespiegelt – manche in aller Aufrichtigkeit, manche auch nicht.Das intime Diarium mit seinen Notizen, Kommentaren, Meditationen und Alltagschroniken diente seinen Autoren als Geheim-Magazin für ihren Größenwahn und ihre Demut, ihre Eitelkeit und Zerknirschung, ihre Besessenheiten und Perversionen, ihre Siege und Niederlagen; es wurde zum Beichtstuhl-, Triumphbogen- und Klagemauer-Ersatz und ist es noch heute.Friedrich Hebbel sah in seinem Journal ein „Notenbuch des Herzens“, dem französischen Kritiker Sainte-Beuve war es ein „Arsenal seiner Rache“ und „seiner Gifte“, Benjamin Constant, einer der fleißigsten Journalisten, nannte es ein „Lagerhaus von Torheiten“, und der englische Museumsassistent Barbellion fühlte sich zu seinem „Tagebuch eines enttäuschten Mannes“ hingezogen, „wie ein armer Alkoholiker immer wieder zur Flasche greift“.Was dem einen als heilsames Mittel zur Selbstzucht erschien, wurde dem anderen zum Laster. Aber so verschiedenartig die Geheim-Schreiber des Abendlands ihre Kladden auch beschrieben – für Gustav Rene Hocke, den Erforscher manieristischer Labyrinthe in Literatur und Kunst („Die Welt als Labyrinth“, 1957; „Manierismus in der Literatur“ 1959), starrt aus jeder Seite dieser Tagebuchmassen, sei sie nun von Rilke oder Goebbels, von Christoph Kolumbus oder Johannes XXIII., „das hintergründige Gesicht des Homo europeus“, so als „hätten zahlreiche einzelne Tagebuchschreiber alle zusammen das Tagebuch Europas geschrieben“.Von dieser Vision fasziniert, hat der Journalist und Kulturhistoriker Hocke in achtjähriger Forschungs- und Schreibarbeit eine erste große Monographie über „Das europäische Tagebuch“ verfaßte. Sie enthält eine detailgewaltige und vielverschlungene 500-Seiten-Studie über fünf Jahrhunderte Tagebuch-Schreiberei, eine ebenso umfangreiche Sammlung von (zum Teil erstmals publizierten oder übersetzten) Tagebuch-Blättern (110 Autoren), eine gründliche Bibliographie von über 600 Tagebuch-Titeln sowie eine mächtige Fußnoten-Fracht.Hocke, ein Schüler des bedeutendsten deutschen Romanisten, Ernst Robert Curtius, 1908 in Brüssel geboren und seit 1940 als Korrespondent deutscher Zeitungen und Zeitschriften in Rom wohnhaft, wollte in seinem Beitrag zur „Geschichte des europäischen Subjektivismus“ keineswegs „Darsteller und Deuter von Geistes-Geschichte“ sein; seine Absicht war, die „Struktur des europäischen Tagebuchs“ zu studieren und die „Grundmotive“ aufzuspüren, die den „Diaristen“ bewogen, seine Handlungen, Gedanken und Gefühle, Politisches und Erotisches, Bedeutsames und Banales zu fixieren.Denn auch Trivialitäten dürfen und müssen sogar, laut Hocke, neben Gewichtigerem im echten, nicht fingierten Tagebuch Platz finden – „ein alltäglicher Besuch und eine Verdauungsstörung, die erste Idee zu einer geistigen Arbeit, das Mischen eines Schlaftrunks für die Nacht“.Hocke gesteht denn auch, daß ihn etwa das „Diario“ des Spätrenaissance-Malers Jacopo da Pontormo (1494 bis 1556), das er erstmals in Deutsch vorlegt, „in einem ästhetischen Sinne verzaubern (kann) wie alte seltene Münzen“. Und Pontormos Eintragungen lesen sich zumeist so: „Donnerstag aß ich abends 10 Unzen Brot, zwei gebratene Eier und Rettich. Am Freitag fing ich damit an, die Rücken dazu zu malen. Abends aß ich ein Pfund Brot und Spargel; es war ein schöner Tag.“Nicht weniger selektiv war das „Visions“-Tagebuch des Jesuiten-Vaters und Ex-Offiziers Ignatius von Loyola, dessen Augen bei der „Schauung des göttlichen Seins in Kugelgestalt“ (Loyola) permanent zu tränen begannen:Ostersonntag, 13. April 1544Viele Tränen während der Messe, nach der Messe Tränen.Montag, 14. AprilViele innere und äußere Warme, die (ganz Trost) mehr übernatürlich erschien, keine Tränen.Dienstag, 15. AprilKein (außerordentlicher) besonderer Trost, aber auch keine Trostlosigkeit; keine Tränen.Mittwoch, 16. AprilViele Tränen während der Messe; nach der Messe Tränen.Viel genauer als Pontormo und Sankt Ignatius nahm es dreihundert Jahre später der eidgenössische Philosophieprofessor Henri Frédéric Amiel (1821 bis 1881) mit seinen Notizen zum Tage. Der Junggeselle und „stets Schüchterne, der nicht einmal zu heiraten wagte“, verfaßte ein „Journal intime“ von insgesamt 16000 (in Worten: sechzehntausend) Seiten und beschäftigte sich so ausschließlich mit seinem „schmerzstillenden Mittel, seinem Echo, dem Behälter seiner intimen Erfahrungen, seinem psychologischen Wegweiser, seinem Schutz gegen das Rosten der Gedanken, seinem Vorwand zu leben“ (Amiel), daß er, nach Hocke, „dem Ich-Kult bis zum Persönlichkeitsschwund verfiel“.Diese moderne Gattung des Bekenntnis-Tagebuches, wie Amiel sie pflegte, kam in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Mode. Damals schrieb der Schotte James Boswell, ein Freund von Jean Jacques Rousseau und zeitweiliger Liebhaber der Geliebten Rousseaus, sein rokokokeckes „London Journal“ (1950 erstmals veröffentlicht) und beklagte sich nach einer venerischen Infektion am 24. Januar 1763: „Was soll nun vorderhand aus meinem Tagebuch werden? Es muß wohl wüst und leer bleiben.“ Doch Boswell beruhigte sich: „Jedenfalls werde ich bald wieder auf den Beinen sein, um auf ergötzliche Abenteuer auszugehen.“Rousseau vor allem, der, von Freund Boswells Freimut möglicherweise nicht ganz unbeeinflußt, zwischen 1765 und 1770 seine „Bekenntnisse“ niederschrieb („Ich will den Menschen meinesgleichen einen Menschen in der ganzen Wahrheit der Natur zeigen; und dieser Mensch, das werde Ich sein“), diente den Tagebuch-Autoren fortan als faszinierendes Vorbild.Im Wetteifer mit Rousseau entkleidete Europa seine Seelen. „Ah, wenn dieses Buch jemals das Licht der Welt erblickt, so werden die ,Bekenntnisse‘ Jean Jacques‘ farblos daneben erscheinen“, rühmte der Dichter Charles Baudelaire sein Tagebuch mit dem Titel „Mein entblößtes Herz“. Und er notierte fünf Jahre vor seinem Syphilis-Tod in diesem Journal: „Ich habe meine Hysterie mit Entzücken und Entsetzen gepflegt. Jetzt bin ich immer dem Schwindel ausgeliefert, und heute, den 23. Januar 1862, ist mir ein seltsam vorbedeutendes Zeichen zuteil geworden. Ich spürte, wie ein Wehen von den Flügeln der Verblödung über mich hinstrich.“Die beichtwütigen Introspekteure der Alten Welt, Protestanten mehr als Katholiken, Deutsche und Russen mehr als Romanen, blickten in ihre kleinen und großen Abgründe; sie wollten alles sagen und sagten es, so gut es ging. „Ohne Appetit bei Tisch. Nachher schnitt ich Miklen den Überrest seiner Hühneraugen fort; dabei ward mir sehr wohl“, bekannte die Fürstin Amalie von Gallitzin, eine Zeitgenossin Goethes.“Mein inneres Elend wächst, ich wage nicht mehr in mich hineinzublicken“, erkannte 1834 der französische Schriftsteller Maurice de Guérin. Und der Königsberger E. T. A. Hoffmann („Die Elixiere des Teufels“) fragte sich: „Warum denke ich schlafend oder wachend so oft an den Wahnsinn?“Hoffmann hatte, aus Furcht vor der Eifersucht seiner Frau, im Tagebuch ein gründliches – wenn auch nicht gerade geniales – System von Verschlüsselungen entwickelt: Er benutzte lateinische, italienische und französische Ausdrücke und schrieb besonders verfängliche Passagen in griechischen Buchstaben; sein geliebtes 14jähriges Julchen etwa ist als „Kth“ chiffriert, ein gezeichneter Pokal bedeutet Alkoholgenuß, ein Vögelchen und ein Schmetterling stehen, je nachdem, für mehr oder minder weitreichende erotische Eskapaden.Auch der Romancier Benjamin Constant, Zeitgenosse Napoleon Bonapartes, Freund der Madame de Stael und „der erste große Diarist Frankreichs“ (Hocke), machte seine Eintragungen gelegentlich in griechischer Schrift, um sich und seine „Minette“ vor Literatenklatsch und dem Spürsinn der politischen Polizei zu schützen.Wichtiger aber noch als der Schutz vor der Umwelt mittels verbaler Verkleidung war für die konsequenteren Tagebuch-Halter der Schutz vor sich selbst und einer allzu eindringlich-masochistischen Selbst-Analyse. Zwar hatte der Roman-Autor Henri Beyle, genannt Stendhal, beschlossen, sein „Herz unters Mikroskop“ zu legen und „alle Schwächen des Tieres schonungslos aufzudecken“; zwar rühmte sich der Schriftsteller Jules Renard: „Ich habe die Kühnheit, mich mir selbst ganz nackt unter die Nase zu halten.“ Doch ganz ohne Selbsttäuschung wurde das Starren aufs Ich zu einer Angelegenheit für Selbstmörder und psychische Selbstverstümmler.Kierkegaard und Kafka überstanden freilich die unbarmherzige Vivisektion ihrer selbst; der Italiener Cesare Pavese hingegen konnte mit seiner illusionslosen Ich-Schau und seiner Einsamkeit, dem „Urthema aller bedeutenden Tagebücher Europas“ (Hocke), nicht fertig werden. „Alles ist ekelhaft. Keine Worte. Eine Geste. Ich werde nicht mehr schreiben“, vermerkte er im August 1950 und ging hinüber.Die Nacktheit wollte drapiert sein – durch Fehleinschätzungen und Irrtümer, durch Eitelkeit und Megalomanie, durch Verlegung der Hölle vom „hassenswerten Ich“ (Pascal) in eine noch hassenswertere Außenwelt oder doch wenigstens durch distanzierende Selbstironie.Wohl nicht ganz ohne Ironie diagnostizierte sich zum Beispiel der Brite Barbellion: „Ich fühle mich wie ein Stück überspannten Fadens oder ein unentwickeltes Negativ oder eine aufgespießte Qualle oder eine schlüpfrige Kaulquappe oder ein Rüsselkäfer in einer Nuß oder ein gebratener Aal. Mit anderen Worten und kurz gesagt: krank.““Mein (neues) Mieder“, schrieb 1881 die Malerin Marie Bashkirtseff, „steht mir wie einem Engel; eine göttliche Taille erhebt sich aus diesen Massen von Musselin.“ Ihr Schweizer Kollege Paul Klee verwunderte sich: „Bin ich Gott? Ich habe großer Dinge soviel gehäuft in mir!“Und während der alte Leo Tolstoi in einem Kleinst-Tagebuch, das er in seinen Stiefeln versteckte, furchtbare Anklagen gegen seine herzlich gehaßte Frau Sophia erhob, stimmte der Katholik Leon Bloy, „Bettler Gottes“ und „im Fortissimo des Protests… nur mit Kierkegaard vergleichbar“ (Hocke), seinen Haßgesang auf die Gesellschaft an und konstatierte im ersten Oktober des 20. Jahrhunderts „den abschließenden und endgültigen Abrutsch in Schande und Schmach einer scheinheiligen christlichen Gesellschaft, deren Niederbruch so vollkommen sein sollte, daß sie auf allen vieren in den stinkenden Kotmassen städtischer Kloaken und den Kotzlachen der Hunde auf den Straßen herumrutschen, um nach ihren verlorenen Schätzen zu stochern“.Der wirklich endgültige Abrutsch kam etliche Zeit später. Joseph Goebbels am 2. März 1943: „Wir schaffen nun die Juden endgültig aus Berlin hinaus. Sie sind am vergangenen Samstag schlagartig zusammengefaßt worden und werden nun in kürzester Frist nach dem Osten abgeschoben. Leider hat sich auch hier wieder herausgestellt, daß die besseren Kreise, insbesondere die Intellektuellen, unsere Judenpolitik nicht verstehen und sich zum Teil auf die Seite der Juden stellen.“Drei Jahre früher und ein Jahr vor ihrem Selbstmord nach einem deutschen Luftangriff trug die englische Roman-Autorin Virginia Woolf in ihr Tagebuch ein: „Nach London fahren, um bombardiert zu werden.“Etwa zur gleichen Zeit vermerkte der Emigrant Klaus Mann in seinem Tagebuch eine „neue Selbstmord-Epidemie“ unter deutschen Intellektuellen: „Ernst Weiß gehört zu den Opfern… Auch Walter Hasenclever hat sich umgebracht… Und Walter Benjamin.“Und zwei Jahre danach: „Die Nachricht von Stefan Zweigs Selbstmord in Brasilien kam so völlig unerwartet… Warum? In seinem Abschiedsbrief ist vom Krieg die Rede. Der Krieg, Triumph der Barbarei, Durchbruch zerstörerischer Urinstinkte! Dem Humanisten graut. Ist dies noch seine Welt? Er erkennt sie nicht mehr.“Als der Krieg zu Ende war und die zerstörerischen Urinstinkte wieder notdürftig domestiziert waren, erkannte auch Klaus Mann, vom mythosträchtigen Humanistenerbe des Vaters geprägt, seine Welt nicht mehr und brachte sich ebenfalls um.Offenbar traute er jener „Kraft Europas“ nichts mehr zu, die Hocke, allem „Mülleimer-Heroismus“ zeitgenössisch-„seitenweltlicher Blechtrommler-Heroen“ feind, noch heute mit einem Pathos rühmt, als gälte es, den Internationalen Karlspreis der Stadt Aachen in Empfang zu nehmen.Im Vertrauen auf diese Kraft hofft jedenfalls der Eurovisionär Hocke unbeirrt, „daß Ich und Sein, Person und Umwelt, Glauben und Wissen einmal vereint werden könnten“.
Gustav Rene HockeDas europäische Tagebuch
Limes Verlag, Wiesbaden
1136 Seiten
Quelle: www.spiegel.de/spiegel/print/d-46175492.html
Text Caroline Stern
Abfall für alle
Text Caroline Stern
Abfall für alle
Popliterat Rainald Goetz wagte Ende der 1990er Jahre eine literarische Revolution. Mit „Abfall für alle“ initiierte er ein virtuelles Tagebuch.“Mein Lebensideal ist so völlig klar, und zwar wirklich ewig schon, und es ist megasimpel: alles für den Text, aus der richtigen Verbindung von Leben und Arbeit heraus. Wie ich sie zum Beispiel von den besten Nachtleben-Aktivisten her kenne“, erklärt Popliterat Rainald Goetz in seinem virtuellen Tagebuch „Abfall für alle“. Sein „tägliches Textgebet“ nannte der Schriftsteller sein Echtzeit-Projekt. Los ging’s im Internet am 4. Februar 1998, endete zum 10. Januar 1999 und war eine literarische Revolution. Von überall auf der Welt konnte man täglich, live und unmittelbar an neuen literarischen Texten eines angesagten Autors teilhaben.“Wenig zu sagen ist blöd, viel auch“ – was heute inflationär und millionenfach als Web-Blog geführt wird, war damals eine Sensation.
„Der Chronist des Augenblicks“
„Ich las die Tagebücher von Jünger, Krausser oder Rühmkorf, und dachte immer: wenn man nur wüßte, wie es JETZT steht, was er JETZT macht, JETZT denkt“, so Rainald Goetz über die Herangehensweise seines Textes. „Der Chronist des Augenblicks“, wie ihn Christoph Buchwald nannte, hatte das Internet bewusst als Medium gewählt, weil es am besten die Form von Gleichzeitigkeit und Gegenwart widerspiegelte. Goetz sprach von einer „Netzgeschichte“, einem „live entstehenden Textkonvolut“ und wünschte sich eigentlich „sieben reclam-kleine Heftchen“, die „umsonst rumliegen würden“, wenn das „Netzleben erloschen“ sei. Heraus kam 1999 ein dicker Wälzer mit knapp 900 Seiten zum überschaubaren Preis im Suhrkamp Verlag. Ein Künstler- und Ich-Roman.
Ein Stück deutscher Literaturgeschichte
„Abfall für alle“ ist ein intellektueller Mix aus Medienanalyse, Stichwortverzeichnis mit Definition, Poetik, Ästhetik, Namen, ein großes Stück deutscher Literaturgeschichte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts. „Abfall für alle“ ist gleichzeitig ein einziger kulturkritischer Kommentar und ein gesellschaftspolitisches Stimmungsbild des Jahres 1998. Außerdem ist es gespickt mit Notizen und Randbemerkungen zu früher publizierten Büchern des Autors bis hin zu dessen literarischen Anfängen. Hier zum Beispiel: „Ich habe mit allem eigentlich erst nach meinem ersten Buch angefangen, mit Musik, Philosophie und Kunst. Das hat mich vorher alles überhaupt nicht interessiert.“
Authentisches Protokoll eines Jahres
Goetz‘ Mammutprojekt wirkt authentisch und ehrlich. Privates verschmilzt mit dem Literaturbetrieb. Überall, wohin es Rainald Goetz während des Projektes treibt, protokolliert er, schreibt Gespräche mit, dekonstruiert Konzerte, Ausstellungen, Zeitschriften, Prominente und immer wieder das Nachtleben. Freunde finden Eingang in den Text, genauso wie Politiker. Träume, Pläne, Ängste sind verzeichnet. Goetz fragte und antwortete in Echtzeit: Was ist das eigentlich, ein Roman? Wie funktioniert Kritik, das „scheiße finden als Geschäft“? Wodurch entsteht Wahrheit im Text? Was ist ästhetische Praxis, für wen eignen sich ästhetische Prinzipien? Die Fixsterne seiner Arbeit waren vor allem der Soziologe Niklas Luhmann und der Philosoph Michel Foucault. Und nur manchmal wurde Goetz während des großen Praxis“-Jahres „von Übersichtslosigkeits- und Erschöpfungs-Anfällen unterbrochen“.
suite101.de/article/rainald-goetz-abfall-fr-alle-a42799
Rainald GoetzAbfall für alle.
Roman eines Jahres.
Suhrkamp Verlag 2003.
864 Seiten.
Text Tom Blaess
«Two Countries, Two Cities, One Spirit» – Tyree Guyton
Text Tom Blaess
«Two Countries, Two Cities, One Spirit» – Tyree Guyton
Während der letzten zwölf Monate war der aus Detroit stammende Künstler Tyree Guyton Gast der Stiftung «Laurenz Haus» in Basel. Die Laurenz-Stiftung bietet jeweils zwei Künstler/-innen aus dem Ausland Residenz. ?Guyton wurde mit dem Heidelberg-Projekt – einem Strassenkunst-Projekt in Detroit – international bekannt, war die Hauptperson in einem Film, der einen Emmy gewonnen hat und ist die Verkörperung all der grossartigen Dinge, die heute in Detroit vor sich gehen.Guyton begann im August, in Kollaboration mit dem ebenfalls aus Detroit stammenden Kunstdrucker Tom Blaess, in dessen Atelier in Bern, an einer neuen Serie von Mixed-Media-Drucken zu arbeiten. Die Ausstellung mit dem Titel «Two Countries, Two Cities, One Spirit» gründet auf Guyton’s Beobachtungen des Alltags: durch seine Spaziergänge, seine Tagebücher, seine offenen Interaktionen mit Leuten unterschiedlichster Herkunft, geht er schlussendlich der Frage nach; «Was ist Kunst heute?».Während des ganzen Jahres in der Schweiz hat Guyton seine Zeit damit verbracht, Eindrücke zu sammeln, sie in Notizbüchern und in Form von Aquarellen, Zeichnungen und rhythmisch-repetitiven, spirituellen Texten festzuhalten. Diese Notiz- oder Tagebücher wurden nun gescannt und als gedruckte Inkjet-Hintergründe auf Büttenpapier gebracht. Diese Hintergründe hat Tyree Guyton mit Monotypie, Handbemalung und Collage-Elementen erweitert.Tyree Guyton ist ein Künstler, der über viele Jahre seine eigene visuelle Sprache entwickelt hat. Afrikanisch-Amerikanische Kultur verschmilzt mit Strassenkunst und Jazz zu einer Art von Bebop-Energie. Seine einzigartige spirituelle Vision bringt Leute aus aller Welt zusammen, die – ungeachtet der Klasse oder Kultur – gemeinsam geteilte Werte bemerken.? Die daraus resultierte Serie von einzigartig, geschichteten Drucken beinhalten einen witzigen Mix aus schlauem Humor und urbanem Ausdruck von Spiritualität, die aus der Seele von Tyree Guyton spricht.
Die Ausstellung von Tyree Guyton ist noch bis zum 18. November 2012 in der Galerie Blaess in Bern zu sehen.
Text Patricia Schneider
Hedi Slimane Diary
Text Patricia Schneider
Hedi Slimane Diary
Der Fotograf und Modeschöpfer Hedi Slimane, der diesen Frühling zum Kreativchef des renommierten Modehauses Yves Saint Laurent ernannt wurde, publiziert seit 2006 ein Fototagebuch im Internet. Die ausschliesslich schwarz-weissen Fotografien sind chronologisch geordnet und enthalten keine Bildlegenden. Sie lassen auf unterschiedliche Schauplätze schliessen und widmen sich vor allem der Jugend. Die präzis komponierten Aufnahmen fokussieren stets auf die Portraitierten und stellen sie als individuelle Persönlichkeiten dar. Die Surfer von der Costa Caparica, die Skater in Tokyo, die Punks in Berlin oder die Models zwischen ihren Auftritten auf den internationalen Laufstegen gewähren dem Betrachter einen Blick in ihre Welt.
Mit der Band Franz Ferdinand aus Glasgow ist Slimane auf Tour gegangen und hat mit ihnen backstage gewartet, ihre Instrumente und Requisiten portraitiert und schliesslich den Moment der Anspannung und der Entladung auf der Bühne fotografisch dokumentiert. Slimanes Rockdiary gibt einen persönlichen Einblick in das Leben auf und hinter der Bühne von weiteren bekannten und unbekannten Bands. Obwohl seine Fotografien sehr sorgfältig inszeniert sind, vermögen sie dennoch etwas Spontanes und Persönliches einzufangen. http://www.hedislimane.com/rockdiary
Text Kambiz Shafei, www.neshanmagazine.com
Every Day A Drawing
Text Kambiz Shafei, www.neshanmagazine.com
Every Day A Drawing
A review on Paula Troxler’s work
During the past three decades computer has become a dominant design tool in the field of visual communication. As a result of this development, a generation of young designers have decided to look for alternative ways of image making in order to express their ideas. Among these designers Paula Troxler is a good example. Paula says drawing has always been her passion and that is why she concentrated on this medium during her education.In general, hand drawn images play a significant role in Paula Troxler’s work. Paula says she never starts sketching on computer. She believes hand drawn sketches give her the possibility to try out different ideas as quickly as possible. This interest in handmade design enables her to be involved in different stages of both process and production of her work. For instance Paula sometimes screen-prints her poster. She thinks this experience helps her to understand how to create images depending on the potentials and the limitations of screen-print.Next to designing posters and books, an important part of Paula’s work lies in her collaboration as an illustrator with other graphic designers. These illustrations are mainly for magazines. She says a significant difference of creating images for magazines or posters is that the image of a poster needs to convey the message in a much quicker way. On the other hand, in a magazine the reader is mostly confronted with both images and text at the same time. Therefore the illustrator is able to express her/his feelings in a much more free and poetic manner.One of the most successful works of Paula Troxler is called, „Every day a drawing“. For Paula this self-published calendar is like a playground that enables her to create one drawing for every day. These drawings might be used in other projects later on. They are done with different techniques and they vary from simple geometric forms to more complex and meaningful images. These drawings show the ability of Paula in conceptualizing and communicating new ideas. Some of these drawing could look like miniature posters on the wall. Paula Troxler knows the characteristics of each communication media and she changes her drawing style to make it appropriate for them. Without a doubt her work is an excellent example among today’s young designers when it comes to combining the two worlds of illustration and graphic design.
Visit: www.paulatroxler.com
Recherche Hin Van Tran
Auch eine Art Tagebuch…
Recherche Hin Van Tran
Auch eine Art Tagebuch…
Kochtagebuch
Fotostream der Website «Kochtagebuch.de», auf der jeden Tag ein neues Rezept inklusive Foto veröffentlicht wird:
http://www.flickr.com/photos/tags/kochtagebuch
Endless wisdom in Snooki’s Video Diary
Video-Tagebuch des Reality-TV-Sternchen Snooki:
http://www.youtube.com/watch?v=p9vhEBVs4HQ
Cat Diaries
Crazy Stuff!!!
«Wo waren Ihre Katzen oder Ihr Hund unterwegs? Was haben Sie unterwegs erlebt? Die Haustierkamera – wird es Ihnen sagen. Sie hängen die robuste kleine Fotokamera Ihrem Liebling einfach an sein Halsband und die Haustierkamera schiesst Fotos oder macht Filme direkt aus der Perspektive Ihres Tieres.Vorbei ist das Rätseln, wohin «Schnurrli» oder «Fido» hinverschwinden, wenn sie aus Ihren Augen sind. Eine ultrakompakte Haustierkamera wie z. Bsp: «Pes‘ Eye View Camera» geht mit ihrem tierischen Freund überall hin und schiesst dabei zuverlässig Fotos und produziert kleine Filme, die Sie anschliessend bequem an ihrem Computer (PC oder Apple Macintosh) betrachten. Natürlich braucht es dazu ein USB.Erleben Sie das Abenteuer Ihrer Haustiere ganz nah und in Farbe auf Ihrem heimischen Computer und klären Sie die letzten wahren Geheimnisse Ihres Büsis und Ihres treusten Freundes. Sie werden Ihren Spass dabei haben?!?!?!Auch sehr zum Experimentieren für Kinder geeignet!!! Pädagogisch wertvoll???!!! Grösse: BxH 5 cm. Gewicht ca. 30 g. Bildauflösung 640×480 Pixel. Nach ca. 24 h muss die Kamera zum Aufladen an einen Computer angeschlossen werden, um die nächsten 24 h zu dokumentieren. Viel Spass bei der Überwachung eurer Liebsten!!!»
von anonymous
http://www.youtube.com/watch?v=k0PduP7PXx0
09h09: Ein Mann und seine Kamera – seit 10 Jahren
Jean-Michel Gobet fotografiert sich seit 10 Jahren jeden Tag pünktlich um 9:09 und zeigt die Bilder online:
Einblick in ein fremdes online-Tagebuch
Online-Tagebuch von «WiChrina992»:
http://online-diaries.de/diary/WiChrina992/show/89188
Rubrik «Ein Tag im Leben von» des Magazins des Tagesanzeigers
Das Tagebuch des schweizerischen Alltags.
Zum Beispiel:
Betina Staubli, 45, Clownin
Thomas Schenk, 37, früher Journalist, heute Tramfahrer
René Muhmenthaler, 45, Simultandolmetscher
Manuela Binggeli, 21, angehende Hebamme
Tipp Hin Van Tran
Literatur aus Zettel, Brief und Tagebuch
Tipp Hin Van Tran
Literatur aus Zettel, Brief und Tagebuch
Briefe, Zettelbotschaften, Tagebücher – all das ist nicht wirklich Weltliteratur.
Sie hängen als Zettel an Laternenpfählen und Haustüren, schlummern als Briefe und Tagebücher auf Dachböden, in Kellern und den hintersten Winkeln der Flohmärkte, sie werden achtlos weggeworfen, im Zorn zerrissen, landen in Pfützen, im Dreck oder im Altpapier, unbeachtet, vergessen – Dokumente der Liebe. Falko Hennig und Robert Weber haben sie aufgelesen und zusammengetragen zu einer Geschichte der Liebe, die hundert Jahre umspannt: von Feldpostbriefen aus dem Ersten Weltkrieg zu E-Mails von heute. Die Mitteilungsformen haben sich im Laufe der Zeit geändert, doch die Gefühle sind die gleichen geblieben. Anhand einzigartiger, sehr persönlicher Schriftstücke von ganz normalen Menschen wird Einblick gewährt in fremde Biographien und vergangene Lebenswelten. Das ist manchmal tragisch, oft anrührend und immer auch ein wenig amüsant.
Bericht CLAUS VON WAGNER, BAYERN 3
Das Tagebuch des täglichen Wahnsinns
Bericht CLAUS VON WAGNER, BAYERN 3
Das Tagebuch des täglichen Wahnsinns
Das Tagebuch des täglichen Wahnsinns: jeden MITTWOCH mit einer neuen Folge auf Bayern 3, oder direkt hier auf meiner Website.
Das Tagebuch ist meine persönliche, schnelle Form der Wochenbewältigung. Viele Dinge fliegen nur so vorbei, sind am Tag der Ausstrahlung schon nicht mehr aktuell.
Der Bayerische Rundfunk gibt mir nur zwei Minuten pro Woche; ich habe aber immer Stoff für drei Minuten. Deshalb rede ich so schnell! Ich kann nichts dafür!
© 2012 Claus von Wagner
http://www.claus-von-wagner.de/hoeren-sehen/bayern-3-das-tagebuch-des-taeglichen-wahnsinns.htm
http://www.br-online.de/podcast/mp3-download/bayern3/mp3-download-podcast-tagebuch-des-taeglichen-wahnsinns.shtml
Tipp Ivan Weiss
IOGraphica — MousePath’s new home
Tipp Ivan Weiss
IOGraphica — MousePath’s new home
Diary of a computermouse: DO YOUR BUSINESS! DO ART!
Formerly known as MousePath it was made by Moscow designer Anatoly Zenkov to brighten up the routine work. Posting it at Flickr caused informal interest and afterward Anatoly Zenkov and his colleague Andrey Shipilov decided to evolve the app.
IOGraph — is an application that turns mouse movements into a modern art. The idea is that you just run it and do your usual day stuff at the computer. Go back to IOGraph after a while and grab a nice picture of what you’ve done!
http://iographica.com/
© IOGraphica 2010, all rights reserved.
Anatoly Zenkov & Andrey Shipilov