Ausgabe #1
März 2012

Ding-Dong

Ding-Dong

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Editorial
Barbara Mauck

Ding-Dong hallo!

Editorial zur 1. Ausgabe von ding dong, Thema: ding dong

FB

Aller Anfang ist schwer – sagt ein Sprichwort und will tröstlich versichern: dass das einmal Begonnene leichter und besser wird. Das Sprichwort handelt also neben dem Anfang auch vom Anfangen: von jenen berühmten Augenblicken, in denen ein Werk begonnen wird. Der Anfang an sich ist ein Zustand. Von ihm handelnd, sollte das Sprichwort lauten: Aller Anfang ist geheimnisvoll! ? ?

Was ist ding dong?

?ding dong ist ein onomatopoetisches Wort der Türklingel. ding dong ist geheimnisvoll, weil man oft nicht weiss, wer gerade klingelt und wer die Türe öffnen wird. Die Onomatopoesie (von griech. ónoma: «Name», und poí?sis: «Erschaffung, Herstellung») ist auf deutsch die Lautmalerei. ding dong ist ein Laut der malt, der zeichnet, der zum Bild wird und dabei (immer) eine Stimme hat. Ferner gibt es die ding dong-Theorie, heute auch Wau-Wau-Theorie genannt, wonach die Nachahmung von Naturlauten die verbale Kommunikation zwischen den Menschen hervorgebracht habe.? ?

Das ist ding dong! ?

ding dong ist: … kommunikativ für die Gestaltung und Kunst … ein selbstdefiniertes thematisches Webmagazin des Fachbereichs Gestaltung und Kunst … konzipiert mit Begriffspaaren, die assoziativ mit gestalterischen Arbeiten und Texten rund um das Thema verlinkt werden … eine Austauschplattform der GK für alle in, an und über die GK hinaus … ein Türöffner zu Ausstellungen, Ateliers, Galerien und anderen Kulturorten … für Interessierte, Studierende, Mitarbeiter und Freunde.??

Viel Spass aus der Chefetage wünscht das Editorial Team.

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Tipp
Hin Van Tran

Was wir Dada nennen

Was wir Dada nennen, ist ein Narrenspiel aus dem Nichts, in das alle höheren Fragen verwickelt sind …

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«Was wir Dada nennen, ist ein Narrenspiel aus dem Nichts, in das alle höheren Fragen verwickelt sind …»

Hugo Ball

 

«Freiheit: Dada, Dada, Dada, aufheulen der verkrampften Farben, Verschlingung der Gegensätze und aller Widersprüche, der Grotesken und der Inkonsequenzen:? Das Leben.»

Tristan Tzara

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Text
Hugo Ball

Hugo Ball

Als ich das Cabaret Voltaire gründete, war ich der Meinung, es möchten sich in der Schweiz einige junge Leuten finden, denen gleich mir daran gelegen wäre, ihre Unabhängigkeit nicht nur zu geniessen, sondern auch zu dokumentieren.

FB

 

Als ich das Cabaret Voltaire gründete, war ich der Meinung, es möchten sich in der Schweiz einige junge Leuten finden, denen gleich mir daran gelegen wäre, ihre Unabhängigkeit nicht nur zu geniessen, sondern auch zu dokumentieren. Ich ging zu Herrn Ephraim, dem Besitzers der «Meierei» und sagte: «Bitte, Herr Ephraim, geben Sie mir Ihren Saal. Ich möchte ein Cabaret machen.» Her Ephraim war einverstanden und gab mir den Saal. Und ich ging zu einigen Bekannten un bat sie: «Bitte geben Sie mir ein Bild, eine Zeichnung, eine Gravure. Ich möchte eine kleine Ausstellung mit meinem Cabaret verbinden.» Ging zu der freundlichen Züricheer Presse und bat sie: «bringen sie einige Notizen. Es soll ein internationales Cabaret werden. Wir wollen schöne dingen machen.» Und man gab mir Bilder und brachte meine Notizen. Da hatten wir am 5. Februar ein Cabaret. Mde. Hennings und Mde. Leconte sangen fransösische und dänische Chansons, Her tristan Tzara rezitierte rumänische Verse. Ein Balalaika-Orchester spielte entzückende russische Volkslieder und Tänze.?Viel Unterstützung und Sympatie fand ich bei Hern M. Slodki, des das Plakat des Cabarets entwarf, bei Herrn Hans Arp, der mir neben eigenen Arbeiten einige Picassos zur Verfügung stelltte und mir Bilder seiner Freunde O. van Rees und Artur Segall vermittelte.

Viel Unterstützung bei den Herren tristan Tzara, Marcel Janco und Max Oppenheimer, die sich gerne bereit erklärten, im Cabaret auch aufzutreten. Wir veranstalteten eine RUSSISCHE und bald darauf eine FRANZÖSISCHE Soirée (aus werken von Apollinaire, Max Jacob, André Salmon, A. Jarry, Laforgue und Rimbaud). Am 26. Februar kam Richard Huelsenbeck aus Berlin und am 30. März führten wir eine wundervulle Negermusik auf (toujours avec la grosse caisse: boum boum boum boum — drabatja mo gere drabatja mo bonoooooooooooo — ) Monsieur Laban assistierte der Vorstellung und war begeistert. Und durch die Initiatieve des Herrn tristan Tzara führten die Herren Tzara, Huelsenbeck und Janco (zum ersten Mal in Zürich und in der ganzen Welt) simultanische Verser der Herren Henri Barzun und Fernand Divoire auf, sowie ein Poème simultan eigener Composition, das auf der sechsten und siebenten Seite abgedruckt ist. Das kleine Heft, das wir heute herausgeben, verdanken wir unserer Initiatieve und der Beihilfe unserer Freunde in Frankreich, ITALIEN und Russland. Es soll die Aktivität und die Interessen des Cabarets bezeichnen, dessen ganze Absicht darauf gerichtetet ist, über den Krieg und dir Vaterländer hinweg an die wenigen Unabhängigen zu erinnern, die anderen Idealen leben. Das nächste Ziel der hier vereinigten Künstler ist die Herausgabe einer Revue Internationale. La revue paraître à Zürich et portera le nom «DADA». («Dada») Dada Dada Dada Dada.?ZÜRICH, 15. Mai 1916

Offizielle Publikation des Cabaret Voltaire «Eine Sammlung künstlerischer und literarischer Beiträge» Herausgegeben von Hugo Ball, ?Zürich 31. Mai 1916

 

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Text
Publikationen Merz

Kurt Schwitters

Kurt Schwitters studiert von 1908 bis 1914 an der Kunstgewerbeschule in Hannover sowie an der Kunstakademie in Dresden. Eine eher konventionelle Malerlaufbahn scheint die lange akademische Ausbildung, die er in Dresden vor allem bei dem an Frans Hals orientierten Carl Bantzer genießt, vorzubereiten

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Kurt Schwitters studiert von 1908 bis 1914 an der Kunstgewerbeschule in Hannover sowie an der Kunstakademie in Dresden. Eine eher konventionelle Malerlaufbahn scheint die lange akademische Ausbildung, die er in Dresden vor allem bei dem an Frans Hals orientierten Carl Bantzer geniesst, vorzubereiten. Sein Frühwerk zeigt entsprechend wenig Einfluss der Moderne.

Zum Kriegsdienst wird Kurt Schwitters 1917 einberufen, da er unter Epilepsie leidet, verbringt er ihn auf der Schreibstube. Nach vier Monaten wird er entlassen. Einen modernen Künstler machen aus ihm die Eindrücke des Krieges und der Inflation. 1918 entstehen erste Collagen, für die Kurt Schwitters zufällig gefundene Abfälle benutzt. Kurt Schwitters begründet mit seiner Kunst und seinen literarischen Texten in Hannover eine eigene Dada-Einrichtung. Diese nennt er «Merz», ein Wortfragment von «Commerzbank».

Kurt Schwitters wird durch die 1919 veröffentlichte Prosa- und Gedichtsammlung «Anna Blume» weit über die Grenzen Hannovers bekannt. Er knüpft Kontakte zu Herwarth Walden, Hans Arp und Tristan Tzara und nimmt an den «Sturm»-Ausstellungen in New York und Zürich teil. Schwitters Verbindung zu den Bauhaus-Künstlern, zu den holländischen Dadaisten und Konstruktivisten, denen er 1923 die erste Nummer der «Merz»-Zeitschrift widmet, wird für ihn zunehmend wichtiger. Für verschiedene Firmen in und ausserhalb Hannovers arbeitet Schwitters seit 1923 als Werbegestalter, Grafiker und Typograph. Mit Cesar Domela, Lázlo Moholy-Nagy und Friedrich Vordemberge-Gildewart gründet der Künstler 1927 den «ring neuer werbegestalter», dem auch Willi Baumeister und Walter Dexel beitreten. Die Collagen und Materialbilder der «Merz»-Serie führt Schwitters neben dieser beruflichen Tätigkeit weiter. Die ersten internationalen Erfolge stellen sich Mitte der 1930er Jahre ein. 1937 wandert Kurt Schwitters nach Norwegen aus. 1940 folgt dem Exil in Norwegen die Flucht vor den deutschen Truppen nach England, wo sich die isolierte Position, unter der er schon in Norwegen litt, nicht entscheidend verbessert. Kurt Schwitters stirbt 1948 in Ambleside (Westmorland).

Die internationale Anerkennung seines Lebenswerkes setzt erst nach seinem Tod ein. Kurt Schwitters hat starken Einfluss auf die Assemblagekunst der neodadaistischen Künstler, wie zum Beispiel Robert Rauschenberg, und wirkt seiner Zeit weit voraus.

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Interview
Hin Van Tran

30 Fragen an Philipp Meier

18. Wofür haben Sie sich zuletzt entschuldigt?
bestimmt dafür, dass ich zuhause nicht genug zum haushalt beitrage

FB

30 Fragen an den künstlerischen Leiter des Zürcher Cabaret Voltaire

 

1. Wie geht’s?
gut

2. Was ist für Sie das grösste irdische Glück?
gibt es nicht

3. Was ist Ihnen Wurst?
das grösste irdische glück

4. Welche Fehler können Sie nicht verzeihen?
keine

5. Ihre liebste Comic-Figur?
princess mononoke

6. Ihre meist gehasste Fernsehsendung?
oh, gibt es leute, die noch tv schauen?

7. Ihre Lieblingssendung?
facebook

8. Wann haben Sie sich zuletzt selbst gegoogelt?
vor ein paar monaten (und gemerkt, dass ein namensvetter barista schweizer meister ist)

9. Ihr/e Lieblingsheld/in im Film?
driss

10. Welche Kunstausstellung haben sie zuletzt besucht?
dada new york III: the metaphysics of sitting / cabaret voltaire

11. Auf welche Musik können Sie am ehesten verzichten?
oper

12. Welche Eigenschaft schätzen Sie an sich selber am meisten?
naivität

13. Welche der sieben Todsünden wird überschätzt?
uff. kenne sie nicht auswendig. hm. die lust?

14. Welches ist ihre liebste passive Beschäftigung?
facebook

15. Mit welcher literarischen Figur können Sie sich identifizieren?
ich lese so gut wie keine bücher

16. Was schätzen sie an ihren Freunden am meisten?
dass man sich nicht oft sehen muss und trotzdem freunde bleibt

17. Ihre grösste Leistung?
kinder aufziehen (ständig hart am abgrund des scheiterns; noch nicht abgeschlossen…)

18. Wofür haben Sie sich zuletzt entschuldigt?
bestimmt dafür, dass ich zuhause nicht genug zum haushalt beitrage

19. Ihr Lieblingswort?
irgendwie

20. Was macht Sie nervös?
auftritte

21. Worauf können Sie verzichten?
auf diese frage

22. Welchen Roman der Weltliteratur haben Sie nicht zu Ende gelesen?
da gab es bestimmt welche…

23. Welchen hätten Sie gerne selbst geschrieben?
keinen

24. Was lesen Sie im Moment?
das internet

25. Wen würden Sie gerne einmal persönlich treffen?
mehr afrikaner

26. Welche natürliche Gabe würden Sie gerne besitzen?
sprachen spielend lernen

27. Ihr Lieblingsfluchwort?
shit? (muss mich mal darauf achten…)

28. Ihre liebste Frauenfigur der Literatur?
mist. Ist das ein fragebogen für ein litaraturmagazin? regula stämpfli

29. Wie möchten Sie sterben?
schmerzfrei

30. Und dann?
werde ich verbrannt (wahrscheinlich)

Philipp Meier ist künstlerischer Leiter des Zürcher Cabaret Voltaire, der als Geburtsort des Dadaismus Eingang in die Literaturgeschichte gefunden hat und 2004 nach jahrzehntelanger Schliessung wiedereröffnet wurde. Der Club wird von vielen namhaften in- und ausländischen Künstlern (z.B. Jonathan Meese) unterstützt und organisiert Ausstellungen, Lesungen und Konzerte.
Soundings
Soundings
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Text
Der Spiegel

Lärm im Spiegel

Er war der meistkopierte Maler seit Picasso und holte als erster den Großen Malerei-Preis der Biennale von Venedig nach Amerika. Nun jedoch mag Pop-Vater Robert Rauschenberg, 42, nicht mehr «an dem Kunstlaken herumkauen, das uns die Historiker gewebt haben» – er gab das Malen auf, und 150 angefangene Bilder ließ er jüngst verbrennen.

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Er war der meistkopierte Maler seit Picasso und holte als erster den Grossen Malerei-Preis der Biennale von Venedig nach Amerika. Nun jedoch mag Pop-Vater Robert Rauschenberg, 42, nicht mehr «an dem Kunstlaken herumkauen, das uns die Historiker gewebt haben» – er gab das Malen auf, und 150 angefangene Bilder liess er jüngst verbrennen.Der Brand war das Fanal zu neuen Kunst-Versuchen: Künftig will Rauschenberg statt starrer Bilder nur noch «Live»-Kunst machen, bei der das Publikum «eine aktive Rolle spielt».Zur Aktivierung des Publikums nutzt Rauschenberg die moderne Technik – nach vorbereitenden Experimenten mit Mikrophonen, Photozellen, Computern und Infrarotstrahlern, für die er letzten Herbst in New York mit Ingenieuren eine eigene Versuchsanstalt gegründet hatte, bewegt er erstmals auch deutsche Ausstellungsbesucher:In einer Rauschenberg-Retrospektive, die gegenwärtig im Kölner Kunstverein gezeigt wird, inmitten grossformatiger Collagen, Montagen und Gemälde aus früheren Epochen des Künstlers, reagieren die Zuschauer auf das jüngste Rauschenberg-Werk mit ausgelassenem Radau.Sie singen, pfeifen, jodeln, kreischen und husten vor einer elf Meter breiten Spiegelwand und werden so ein Teil des «Soundings» (Geräusche) genannten Werks.

Bei Lärm nämlich wird die Glasfläche transparent und zeigt im Flackerlicht elektronisch gesteuerter Scheinwerfer statt der Betrachter nun eine Ansammlung von Stühlen – um so deutlicher, je lauter die Leute rumoren.Den Sinn des Spektakels lehrt Rauschenbergs Ästhetik: «Der Zuschauer selbst», so reflektierte der Kunst-Ingenieur, «ist verantwortlich für das, was er zu sehen bekommt. Fragt er nichts, so bekommt er nichts. So sollte es auch im Leben sein.»So war es zumindest auch in Rauschenbergs eigenem Leben. Der gebürtige Texaner, der ursprünglich Prediger werden wollte, arbeitete als Pressezeichner, Photograph und Schaufenster-Dekorateur und ging dann beim exilierten Bauhaus-Meister Josef Albers in die Maler-Lehre.

Unter Albers-Einfluss bemalte Rauschenberg grosse Leinwände einheitlich weiss oder schwarz und behauptete: «Eine Leinwand ist niemals leer.» Ausserdem füllte er Erde in Kästen, wartete, bis darin Unkraut wuchs, und stellte die Naturprodukte als «Dirt Paintings» (Dreck-Bilder) aus. «Kunst ist», merkte er dabei, «was aus den Dingen wird, wenn man sie benutzt.» Zur Kunst benutzte Rauschenberg, dem neuen Kredo treu, auch die Kunst eines schon berühmten Kollegen: 1953 tilgte er eine Zeichnung des abstrakten Expressionisten Willem de Kooning mit dem Radiergummi, signierte das Blatt und stellte es als «Ausradierten de Kooning» zur Schau.

Kunst-Gegenstände erkannte Rauschenberg ferner in rostigen Sprungfedern, Zeitungsphotos, Comic strips und alten Hüten, in ausgestopften Tieren wie Adlern, Papageien, Hühnern und einer Ziege, in Reklame- und Verkehrsschildern sowie seinem eigenen Bett. Er nutzte diese Dinge zu Material-Collagen («Combines»), die er mit Farbflächen in der Art des abstrakten Expressionismus belebte. So fügte er einen Holzbalken, ein Kapitell und ein Taschentuch mit einem Feuerwehrschlauch zum Bild der «Wall Street». «Ein Bild wirkt wirklicher», so kommentierte er die akkurat komponierten Werke, «wenn es aus Teilen der wirklichen Welt gemacht ist.»Zu ähnlicher Erkenntnis waren vor Rauschenberg schon die Dadaisten Marcel Duchamp und Kurt Schwitters durchgedrungen. Sie hatten Alltagsobjekte – so einen Flaschentrockner – als «Ready mades» auf den Sockel gehoben oder Klebebilder aus Holzresten» Gitterdraht und alten Fahrscheinen als «Anti-Kunst» proklamiert.

Doch anders als die Dada-Väter hatte Rauschenberg mit seinen Kombinationen (und auch mit der Manipulation am De-Kooning-Werk) keinen Protest gegen die Umwelt oder die ältere Malerei im Sinn. Mit den heute als klassisch geltenden und hochgeschätzten (Handelswert: um 100 000 Mark) Material-Kunstwerken wollte der Maler vielmehr «in der Lücke zwischen Kunst und Leben» neutral «wie ein Reporter» arbeiten.Die assoziationsmächtigen Bildreportagen lösten dennoch eine Kunstrevolte aus – die Entstehung der Pop Art. Denn Rauschenbergs reale Bildzutaten hatten den Künstlern die Brauchbarkeit der Alltagsutensilien von neuem bewiesen. Gegenstände aus der modernen Konsum- und Reklameweit werden seither zu Werken von plakativer Direktheit montiert und collagiert.Doch der wichtigste Vorläufer des neuen Kunst-Trends wurde selbst kein Pop-Artist – einer Serie von subtilen Zeichnungen zu Dantes «Inferno» liess er differenzierte Bilder in Grossformat folgen, auf denen Gemälde von Rubens und Velazquez, Photos von Fallschirmspringern, Hubschraubern, Baseball-Spielern und dem Präsidenten Kennedy im Siebdruck-Verfahren zitiert und konfrontiert waren. Dann wich er auf die Nachbar-Künste aus.So entwarf er Bühnenbilder und Kostüme für den avantgardistischen Ballett-Meister Merce Cunningham in New York und diente dessen Ensemble während einer Welttournee als Beleuchter. Im ersten Happening des Komponisten John Cage (SPIEGEL 6/1968) versorgte der Maler ein altes Grammophon.In seinem Atelier, einem früheren Kloster, versucht sich Rauschenberg gleichfalls an immer neuen Disziplinen – an experimentellen Theaterspielen und der Verbindung von Kunst und Technik. «Sobald alles anfängt, einem leichtzufallen», motiviert er den stetigen Wandel, «muss man sich ändern.»Verändert erschien der Künstler, der einst mit 15 Cent einen Tag lang darben musste, auch zur Kölner Ausstellungs-Eröffnung: Modisch gelockt und in schneeweissem Mao-Drei), signierte er Dollar-Scheine und verschenkte sie an Studenten.

aus DER SPIEGEL 19/1968
Soundings Press Release
Hyperlink: Soundings MoMA Press Release, 1968
Hyperlink: Robert Rauschenberg – Soundings, 1968

Soundings 

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Bild
Dieter Roth

Lautmalerei

ergrauendes Nippes mit Vogel und Reitern mit Federn

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«1. ERGRAUENDES NIPPES MIT VOGEL UND REITERN MIT FEDERN»aus der 6-teiligen Zeichnungsserie «6 Nippes mit Weiss», 1987; Bleistift und Deckweiss auf Papier, 38 x 45 cm; Courtesy Hauser & Wirth / Privatsammlung Schweiz; © Dieter Roth Estate
«1. ERGRAUENDES NIPPES MIT VOGEL UND REITERN MIT FEDERN»aus der 6-teiligen Zeichnungsserie «6 Nippes mit Weiss», 1987; Bleistift und Deckweiss auf Papier, 38 x 45 cm; Courtesy Hauser & Wirth / Privatsammlung Schweiz; © Dieter Roth Estate
Sound Tossing
Sound Tossing
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Tipp
Hin Van Tran

Lärm+Lärm = Kunst

Soundtossing – eine Art Guerilla-Strassenkunst

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Sound Tossing

Künstler und Architekten nutzen den öffentlichen Raum immer mehr als akustische Bühne. Noch nicht lange auf der Hörfläche ist das «Soundtossing», eine Art Guerilla-Strassenkunst. Lautsprecher werden im öffentlichen Raum angebracht, die dann ihre Geräusche in die Umwelt abgibt.

Dokumentation: Es lebe die Stadtmusik

Hyperlink: Sound Tossing

9

Tipp
Hin Van Tran

Silent Video

Auf der Berlinale feierte der Film «Marina Abramovic. The Artist Is Present» Europa-Premiere. Im Anschluss lud die Künstlerin in die KW-Berlin zu einer «Silent Party».

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Auf der Berlinale feierte der Film «Marina Abramovic. The Artist Is Present» Europa-Premiere. Im Anschluss lud die Künstlerin in die KW-Berlin zu einer «Silent Party». Monopol TV hat den Abend dokumentiert – und mitgeschwiegen.

Hyperlink: Monopol TV

Timm Rautert «Mannesmann-Tally», 1986
Timm Rautert «Mannesmann-Tally», 1986
10

Text
Tom Holert

Tipp
Barbara Mauck

Noisebleed

Ein in jüngster Zeit oftmals zu beobachtender Störfaktor im internationalen Kunstgeschehen ist die ungewollte Überlagerung von unterschiedlichen Tonspuren und Geräuschkulissen zwischen den eigentlich voneinander getrennten Räumen von (Gruppen-)Ausstellungen oder im Dickicht der Messekojen.

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Timm Rautert «Mannesmann-Tally», 1986

Ein in jüngster Zeit oftmals zu beobachtender Störfaktor im internationalen Kunstgeschehen ist die ungewollte Überlagerung von unterschiedlichen Tonspuren und Geräuschkulissen zwischen den eigentlich voneinander getrennten Räumen von (Gruppen-)Ausstellungen oder im Dickicht der Messekojen. Ganz offenkundig handelt es sich hierbei um einen von den beteiligten Kurator/innen, Künstler/innen und Galerist/innen meist nicht einkalkulierten Nebeneffekt des kontinuierlichen Vordringens von Sound-Technologien in den Museums- und Galerieraum. Welche Auswirkungen hat diese auditive Betriebsstörung auf die nach wie vor wirkungsmächtige Vorstellung vom Raum der Kunst als Ort der unbehelligten individuellen Versenkung vor stummen Werken?

«MAN KANN EIN GERÄUSCH HÖREN.» (JOHN CAGE)

Ein Kunstwettbewerb kann auch ein Wettbewerb um ausreichenden und zugleich exklusiven Ätherraum sein. Wie man auf dem Gehörgang des Gerüchts erfuhr, waren erhebliche und wohl auch kostenintensive Umbaumassnahmen notwendig, um für Anri Salas Beitrag zum Preis der Nationalgalerie für junge Kunst im Jahr 2005 die angemessene Akustik zu gewährleisten. Bei dem Video um einen Free-Jazz-Saxofonisten auf dem Dach eines Sozialwohnungsbaus im Märkischen Viertel in Berlin ging es unter anderem um die Wahrnehmung von Klängen in der Differenz von Innenraum und Aussenraum. Sala wurde ein grosser, sich leicht verjüngender Vorführraum eingerichtet, der solche Differenzen erfahrbar machen sollte. Allerdings lag diese Installation auf dem Parcours der Preisausstellung im Hamburger Bahnhof zwischen den Räumen, die Monica Bonvicini und Angela Bulloch, Mitbewerberinnen um den Preis, zugeteilt worden waren. Eine hundertprozentige Isolierung der Saxofonklänge war aufgrund dieses Passagencharakters nicht möglich, sie wanderten unbeabsichtigt, aber trotz aller erdenklichen Vorkehrungen unabänderlich in die Nachbarräume, wo sie sich mit den Klängen mischten, die hier erzeugt wurden – ein Soundpiece von Florian Hecker in Bullochs Installation und das Kettengerassel der Schaukeln und Hängematten in jener von Bonvicini. Die Klang- und Geräuschhäufungen, als die Ausstellungen von zeitgenössischer Kunst zunehmend erlebt werden, sind eine heimliche, aber unaufhaltsam wachsende Herausforderung für Betrachter/innen, Künstler/innen, Kurator/innen, Ausstellungsarchitekt/innen, Techniker/innen, Museumspädagog/innen und andere Akteure des Kunstsystems. Heimlich, weil es sich zwar um ein Problem von Lautstärken, aber nicht um ein lautstark diskutiertes Problem handelt. Unaufhaltsam wachsend, weil trotz Fortbestehen von stummen Genres wie Malerei oder Zeichnung die tongebenden Film- und Videoinstallationen, aber auch die Sound Art im engeren Sinn (falls es diesen geben sollte) weiter zunehmen. Ein potenzielles Dünkelthema ist es zudem. Denn die Betrachtung des Lärms hat seit Arthur Schopenhauers Lärmschutzprogramm («Über Lärm und Geräusch», 1851) auch den Geschmack elitärer, antiurbaner Ansprüche auf Ruhe und In-Ruhe-gelassen-Werden, nicht zuletzt, weil sie im Verdacht steht, das lärmende Volk gleich mitzumeinen. Andererseits: Die suggerierte Nähe zu populären Krachräumen wie Jahrmarkt, Rummelplatz, Spielhölle oder Börsenparkett erscheint besonders im akustischen Trubel der Kunstmessen mit ihren dünnwandigen Holzkojen und dickflüssigen Besuchermassen nicht so weit her geholt. Nur, was leitet man daraus ab?

Vielleicht wird das Thema auch so beharrlich beschwiegen, weil es an all die Unannehmlichkeiten rührt, die dort warten, wo soziale Konflikte, ökonomische Widersprüche, politische Macht und psychologische Muster von Kunst nicht nur repräsentiert oder «reflektiert» werden, sondern selbst als Kräfte eines künstlerischen Wettbewerbs um Aufmerksamkeit (oder auch nur angemessene Rezeptionsbedingungen) in Erscheinung treten. Das heisst, wo Kunstwerke und die sie betreuenden und verwaltenden Instanzen sich als materiell Handelnde erweisen, als performative Vertreter von Interessen, ästhetischen und anderen. Die Kritikerin und Kuratorin Alison Gingeras hat anlässlich der 52. Biennale von Venedig sowohl Kuratoren als auch Künstler dazu aufgefordert, «aktiv und reflexiv mit den Mechanismen des Wettbewerbs umzugehen», andernfalls seien Ereignisse wie die Biennale bald nur noch Gelegenheiten für immer «ausgefeiltere Strategien, den anderen die Show zu stehlen.» [1]. Dass Künstler und Kunstwerke sich in einem Aufmerksamkeitswettbewerb befinden, ist zwar seit der Entstehung des Kunstmarkts und den frühen öffentlichen Bewerbungen um die Gunst des Publikums in den Pariser Salons des 18. Jahrhunderts nicht unbedingt eine Neuigkeit. Aber das Konkurrenzprinzip und dessen performative Ausprägungen in der Praxis des Ausstellungsmachens bleiben in den Diskursen über Kunst tatsächlich auffällig unterbelichtet. Man sollte deshalb endlich genauer hinhören, wie Ausstellungen klingen, wie sie akustisch organisiert sind, welches Konzert sie ergeben. So viel in den letzten Jahren über Sound Art geschrieben und gesprochen wurde, so wenig jedenfalls hörte und las man über den Sound der Kunstausstellung. Es ist leicht, die akustischen Kakofonien der Gruppenausstellungen oder Kunstmessen, die permanenten sonischen Übergriffe auf das Wirkungsterritorium der «Arbeit» nebenan wie Störungen zu behandeln, die sich mit den Mitteln der Ausstellungsarchitektur und kuratorischen Planung auf Dauer schon irgendwie eindämmen lassen. Aber damit schöbe man die strukturellen Ursachen beiseite, weshalb Künstler/innen und Kurator/innen immer wieder an der Aufgabe der Schalldämmung scheitern oder diese gezielt ignorieren – nicht nur dann, wenn ein schwarzer Presslufthammer über den Köpfen der Besucher kreisend lärmt (Monica Bonvicini, «Blind Shot», 2004) und damit das Hörerlebnis der angrenzenden Filminstallationen von Stan Douglas und anderen (im italienischen Pavillon der Biennale von Venedig, 2005) auf eine Weise strukturiert, dass dies vor allem nervt, auch und gerade, weil hier die Störung des Betriebs in alter Avantgardetradition und zum ungezählten Mal zur künstlerischen Intervention geadelt werden soll. In jedem Fall handelt es sich auch um eine Geste, die in den Nebenraum hineingeräuscht: «Hier bin ich», und: «Was willst du dagegen machen?» Die Irritation tritt also ein und auf, wenn man etwas hört, was eigentlich dort, wo man sich befindet, nicht zu hören sein soll. Im Englischen spricht man plastisch vom «bleeding» der Geräusche, die durch die Wände und Räume bluten, nässen, lecken. Das Fliessen von Klängen und Geräuschen ist schwer zu kontrollieren. Das menschliche Ohr ist das vielleicht offenste und unkontrollierbarste Sinnesorgan, jedenfalls weniger leicht zu «fokussieren» als das Auge, die traditionelle Adresse der bildenden Kunst.

Gemäss einer Konvention der Moderne sind Räume, in denen Werke der bildenden Kunst ausgestellt werden, solche der Ruhe. Das kontemplative, ablenkungsfreie Verhältnis zum Kunstwerk ist eine jener Rezeptionsbedingungen, die das bürgerliche Betrachtersubjekt für sich (und die Institution der Kunst zugleich von ihm) verlangt. Die Begegnung mit der Kunst soll geräuschlos verlaufen, das Erleben des ästhetischen Subjekts ein visuelles, aber vor allem ein inneres und innerliches bleiben. Allenfalls das Pumpen des eigenen, aufgewühlten Herzens ist als Geräusch erlaubt. Dass die Museen und Galerien der Moderne sowohl Orte der Konstitution bürgerlicher Öffentlichkeit als auch solche der ästhetischen Isolationsleistungen waren, charakterisiert die Widersprüchlichkeit der asozial-geselligen Subjektivität, die hier produziert werden soll. Ein Traum jedes Kunstfreundes war es deshalb lange, allein im Museum eingeschlossen zu sein, im lautlos – ergriffenen Dialog mit den Werken. Da sich dieser Traum für die meisten aus Gründen ungleich verteilter Privilegien nie erfüllen wird, versuchen die Besucher von Museen und Galerien, sich in virtuelle Blasen der Konzentration zu kleiden, sobald sie sich vor den Kunstwerken installieren. So wenig wie möglich von den anderen Leuten, vom Gesumme ihrer Gespräche, vom Geschrei der Kinder und dem Kreppsohlengequietsche mitzubekommen, ist das Ziel dieser Übungen in gerichteter Aufmerksamkeit. Heute assistieren bei diesem Bedürfnis die Audioguides der Museumsdidaktik. Der/die einzelne Besucher/in wird dann zwar akustisch angetextet, was dem kontemplativen Ideal widerspricht. Aber zumindest ist eine gewisse Abschirmung gegenüber den Mitschauenden gewährleistet.

Die absolute Ruhe im Museum war stets eine ideologische Fiktion, eben weil das Museum ein Ort der Öffentlichkeit sein soll. Immer schon hat die Öffentlichkeit in Gestalt des Publikums die Geräusche in die vorgebliche Stille der Kunsttempel getragen. Und irgendwann fingen auch die Kunstwerke an, Laute zu verursachen, als bewusste Provokation des Betriebs. Mit den Klangskulpturen von Jean Tinguely und anderen Überschreitungen der Schwelle zum Akustischen war es mit der verhängten Dezibel-Stummheit vorbei. Heute sind klingende Werke keine Besonderheit mehr, und sowohl das Rezeptionsverhalten wie die Ausstellungspraxis wurden von ihnen nachhaltig rekonfiguriert. Dabei sollte bedacht werden, dass Sound nicht nur de-, sondern auch reterritorialisierend wirkt. Entsprechend programmiert, kann er Zonen der Bedeutung jenseits aller Semantik abstecken, «einen starken emotionalen und, mit verbesserter Technologie, räumlichen Eindruck schaffen. Mit Sound erreichen Marken-Zonen [brand zones] sensorielle Geschmeidigkeit, Immersion und, in zunehmendem Mass, Simulation.» [2].

Aber auch dort, wo keine ausgefeilten brand-zoning-Soundtechnologien zum Einsatz kommen, sondern eher akustiktechnisches Ungenügen, kuratorische Schlamperei oder eine mehr oder weniger zufällige Poetik der Überlagerung von Sinneseindrücken zu vermelden sind, werden territoriale Ansprüche erhoben oder angefochten. Ein vermeintlich stummer Raum mit Zeichnungen in einer Themenausstellung zu irgendwas erhält in der Nachbarschaft von Geräusche generierenden, multimedialen Installationen eine spezifische akustische Valenz. Hier ereignet sich im Kleinen jene «Krise der Proliferation», von der Jacques Attali in seiner Kritik des musikalischen Kapitalismus spricht. Danach, so könnte man diesen Gedanken weiter spinnen, handelt es sich bei akustischen Interventionen und Intrusionen um Aspekte der «absoluten Verflüssigung des Opferplatzes», des Endes des Zeremoniellen im Bereich der bildenden Kunst. [3].

Andererseits ist das Kunstmuseum durch die Störungsproduktion der Avantgarde als Sakralraum und Aura-Ort seit längerem infrage gestellt. Das Eindringen (bzw. Einbringen) von Geräuschen in dafür nicht vorgesehene Bereiche besitzt deshalb auch schon den Charakter einer neuen Konvention. Zudem leiten solche Interferenzen die Besucher/innen zumindest durch indirekten Zwang dazu an, die unterschiedlichen ästhetischen Strategien im Umgang mit Sound zu berücksichtigen, was von der Feststellung seiner An- oder Abwesenheit bis zu einer differenzierten Typologie des Hörbaren reichen kann. Eine besondere Kompetenz ist gefragt, wo es darum geht, den «richtigen» vom «falschen» Sound zu unterscheiden.

Denn obwohl die meisten, wenn nicht alle Kunstwerke mit Soundanteilen (Klangskulpturen, Videoinstallationen, konzeptuelle Installationen mit Geräuschquellen usw.) so entworfen sind, dass ihre Rezeption unter maximaler Ausblendung werkexterner Sinnesreize und sonstiger Ablenkung vonstatten gehen kann, auf akustischen Inseln, geraten sie in der Realität des Ausstellungsbetriebs immer wieder unter andere Kunstwerke, die dieselbe Ausschliesslichkeit für sich beanspruchen, aber zugleich akustische Signale aussenden, die im vorgesehenen Wirkungsraum des anderen Kunstwerks als unerwünschte Überlagerung oder Interferenz eintreffen. Der Anspruch einer Filminstallation mit Sound oder einer Sound-Art-Installation, die als Werk ohne oder weitgehend ohne visuelle Elemente auskommt, ist dem des stummen Bildes oder der stummen Skulptur nicht unähnlich. Denn auch wenn Klang und Geräusche, Musik und Ambient ein anderes Verhältnis zum physischen Raum haben, sich in diesem auf andere Weise ausbreiten und verteilen als ein (bewegtes oder unbewegtes) Bild oder eine dreidimensionale plastische Anordnung, so gehört zumeist zu den Anweisungen, die die Autorin oder der Autor einer solchen Arbeit dieser beigegeben hat, dass sie sich nicht mit den Sounds anderer klangerzeugender Kunstwerke zu mischen habe.

Fast unvermeidlich kommt es zu jenen Selbstbehauptungskämpfen, wie sie etwa in den White Cubes der Ausstellungen der Abstrakten Expressionisten oder Colourfield-Maler ausbrachen. Hier beansprucht nach Brian O‘Doherty jedes Bild «so viel Umraum für sich, dass die Zone seiner Wirkung nicht mit der des Nachbarbildes in Konflikt gerät.» [4]. Die Praxis des White Cube, der modernistischen Ausstellungskonvention schlechthin, war nicht nur durch den Ausschluss visueller Ablenkungen, etwa architektonischer Ornamente oder farbiger Wände, geprägt, sondern auch durch die Verkennung und Verdrängung des Akustischen. Eine Erweiterung der weissen Schachtel in und durch den Ätherraum war nicht vorgesehen. Die Antwort auf die spezifischen Abgrenzungserfordernisse klingender Kunstwerke konnte jedoch das Niemandsland der weissen Galeriewand nicht länger sein. In Fortführung und Aufhebung des White-Cube-Konzepts mussten andere architektonische Konventionen beliehen werden, das Kino, der Konzertsaal oder das Aufnahmestudio. Aber selbst wenn die Räume des Museums oder der Galerie den Charakter von Besinnungskapellen verloren haben und Künstler/innen und Kurator/innen sie zu Orten von Diskussionen, Performances, Vorträgen, Partys und anderen mehr oder weniger didaktischen, mehr oder weniger spielerischen Events umwidmeten, so führte dies nicht zum Eintritt in das Stadium eines promisken Laisser-Faire zwischen den Werken. Vielmehr wurden neue Konventionen der Konzentration und Separation entwickelt. Die Black Box ist eine der einflussreichsten. Seit den neunziger Jahren nimmt sie sich im White Cube (oder was von diesem übrig geblieben ist) ihren Raum und isoliert diesen gegenüber dem Umraum – mit unterschiedlicher Konsequenz, abhängig von den verwendeten Baumaterialien, dem technischen Equipment und der jeweiligen Lage auf einem Ausstellungsparcours.

Black Boxes mögen nun manchen künstlerischen Anforderungen an Videoprojektionen oder akustisch programmierte Environments genügen; als architektonische Form jedoch werden sie in Kunstmuseen und vor allem -galerien oft als problematisch, weil als zu dominant und manipulativ wahrgenommen. Wohl aus diesem Grund gibt es (noch?) kein reines Black-Box-Museum, allenfalls gesonderte Bereiche in bestehenden Museumsarchitekturen, die für Filminstallationen und Ähnliches reserviert werden.

Obwohl der Kampf um exklusive Akustik und perzeptive Trennschärfe weitgehend einfach passiert, ohne dass (ausserhalb einiger Seminare in Curatorial-Studies-Studiengängen, wie man annehmen darf) eine öffentliche Diskussion darüber geführt würde, reisst die Klage über mangelnde Isolierung, über das Hinüberschwappen der Sounds der Nachbarinstallation, über das Verschmieren mit den akustischen Daten anderer Kunstwerke oder auch der Klimaanlage nicht ab. Dafür gibt es verschiedene Gründe, die dem Fehlen einer geeigneten Black-Box-Architektur in den Museen, die auch keine Lösung aller Probleme bringen würde, vorgelagert sind. Zunächst wäre zu fragen, warum vielen Kurator/innen erst dann auffällt, dass sie mit irritierenden, störenden und unerwünschten akustischen Interferenzen rechnen müssen, wenn die Planung einer Ausstellung bereits abgeschlossen ist und die angelieferten Arbeiten vor Ort darauf warten, installiert zu werden. Technische Behelfe wie Kopfhörer oder akustische Pilzglocken sind oft Verlegenheitslösungen, weil sie auf die Dimension der Verteilung des Klangs im Raum von vornherein verzichten; nicht zu sprechen von den häufigen Defekten der Geräte und den unbequemen Körperhaltungen sowie einer nicht immer gewünschten räumlichen Fixierung der Rezipient/innen. Die Vermeidung von «noisebleed» bei einer Vielzahl tönender Kunstwerke scheitert zumeist an den fehlenden Mitteln der Institutionen, ob öffentlich oder privat, angemessen spezifische Raumsituationen zu schaffen, das heisst: immer wieder aufs Neue zu erfinden und zu bauen. Sie scheitert aber auch an der kuratorischen Planung, die entweder den Soundaspekt selbst dann unterschätzt, wenn es sich um Sound-Art-Ausstellungen handelt, oder einfach generell glaubt, ohne ein Minimum an museologischem Wissen um akustische Organisation auskommen zu können. Schliesslich fehlt die Bereitschaft vieler Künstler/innen, sich mit dem Ausstellungsprojekt, zu dem sie eingeladen worden sind, in der Vorbereitung auch in Hinblick auf die zu erwartenden Soundereignisse der anderen Teilnehmer zu beschäftigen. Stattdessen wird zumeist vorausgesetzt, der eigene Beitrag werde eben optimal präsentiert, so dass «noisebleed» kein Thema ist.

Anders liegt der Fall bei Künstler/innen, die ein Interesse an der Koexistenz und Interferenz mit anderen Soundquellen haben und ihre eigene installative Intervention den jeweils vorgefundenen Bedingungen gemäss von Ausstellung zu Ausstellung variieren. Für seine Ausstellung «The Rock‘s Role (After Ryoanji)» von 2004, die Audio-Rekonstruktion eines Zen-Steingartens in Kyoto (als Hommage an John Cage), lud der Komponist und Sound-Künstler Ron Kuilvila siebzehn Sound-Künstler/innen in den New Yorker Kunstraum Art in General ein. Die Tracks wurden so aufeinander abgestimmt, dass sie in einer beweglichen, kollektiv produzierten Klanglandschaft resultierten. Eine derartige Kollaboration ist weit entfernt von den akustischen Verdrängungsprozessen in den meisten anderen Gruppenausstellungen. Es ist jedoch zweifelhaft, ob sie sich als Modell für den Umgang mit den Schwierigkeiten bei der Planung und Umsetzung von Ausstellungen eignet, in denen die Künstler/innen um Soundzonen und Aufmerksamkeitsräume weitgehend nondiskursiv streiten und weniger die Utopie einer harmonischen Zusammenarbeit als das Nachdenken über die politische Ökonomie der ästhetischen Konkurrenz erforderlich scheint. Dass die Parameter der «optimalen» Präsentation eines Kunstwerks in der Regel weiterhin auf dessen ausschliessliche und ausschliessende Wahrnehmung hinweisen, macht jede deterritorialisierende Streuung von akustischen, visuellen, olfaktorischen und sonstigen Daten zu einem kuratorischen Problem in Hinblick auf gelingende oder misslingende Einhegungen. Je multisensorieller und voluminöser das Werk, desto grösser ist dieses Problem, von dem man sagen muss, dass es auch eines der Produktion von Bedeutungs- und Wertsphären ist. Wie viel Raum wird einem Werk zugestanden? Wie legitim und wie begrenzbar ist seine visuelle und akustische Ausbreitung? Welche Rechte der Autorschaft, aber auch der Rezeption sind wie betroffen? Eine denkbare Reaktion auf diese Problemlage wäre die physische Auflösung der Museen in eine Vielzahl von in sich geschlossenen Einzelarchitekturen, um so Interferenzen zu vermeiden. In Venedig geschieht eine solche Archipelisierung bereits exemplarisch und sehr buchstäblich, wenn während der Biennale einzelne Installationen auf kleinen Inseln in der Lagune gezeigt werden. Eine andere Konsequenz wäre eine politische und ästhetische Reaktion auf die «Krise der Proliferation»: die Ablehnung kuratorischer Kontingenz-Lässigkeiten, die Kritik einer nur zu oft aus Verlegenheit angeschlagenen Rhetorik von Dialog und Kommunikation, die grundsätzliche Offenlegung der Präsentationsabsichten und Rezeptionsbedingungen sowie die Anerkennung unterschiedlicher Grade der Kommensurabilität von Kunstwerken. Denn was stört, stört zumeist aus Gründen.

[1] Alison M. Gingeras, «Stealing the Show», in: Artforum, Bd. 24, Nr. 1, September 2005, S. 265-268, hier: S. 268.
[2] Hiromi Hosoya/Markus Schäfer, «Brand Zone», in: Harvard Design School Guide to Shopping – Project on the City 2, hg. v. Chuihua Judy Chung u.a., Köln 2001, S. 165-172, hier: S. 170.
[3] Vgl. Jacques Attali, Noise. The Political Economy of Music, Minneapolis 1985, S. 45.
[4] Brian O‘Doherty, In der weissen Zelle/Inside the White Cube, Berlin 1996, S. 29
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Text
Dr. C. George Boeree

The Origins of Language

It is an intriguing question, to which we may never have a complete answer: How did we get from animal vocalization (barks, howls, calls...) to human language?

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It is an intriguing question, to which we may never have a complete answer:  How did we get from animal vocalization (barks, howls, calls…) to human language?

Animals often make use of signs, which point to what they represent, but they don’t use symbols, which are arbitrary and conventional.  Examples of signs include sniffles as a sign of an on-coming cold, clouds as a sign of rain, or a scent as a sign of territory.  Symbols include things like the words we use.  Dog, Hund, chien, cane, perro — these are symbols that refer to the creature so named, yet each one contains nothing in it that in anyway indicates that creature.

In addition, language is a system of symbols, with several levels of organization, at least phonetics (the sounds), syntax (the grammar), and semantics (the meanings).

So when did language begin?  At the very beginnings of the genus Homo, perhaps 4 or 5 million years ago?  Or with the advent of modern man, Cro-magnon, some 125,000 years ago?  Did the neanderthal speak?  He had a brain that was larger than ours, but his voice box seems to be higher in his throat, like that of the apes.  We don’t know.

There are many theories about the origins of language.  Many of these have traditional amusing names (invented by Max Müller and George Romanes a century ago), and I will create a couple more where needed.

1. The mama theory.  Language began with the easiest syllables attached to the most significant objects.

2.  The ta-ta theory.  Sir Richard Paget, influenced by Darwin, believed that body movement preceded language.  Language began as an unconscious vocal imitation of these movements — like the way a child’s mouth will move when they use scissors, or my tongue sticks out when I try to play the guitar.  This evolved into the popular idea that language may have derived from gestures.

3.  The bow-wow theory.  Language began as imitations of natural sounds — moo, choo-choo, crash, clang, buzz, bang, meow…  This is more technically refered to as onomatopoeia or echoism.

4.  The pooh-pooh theory.  Language began with interjections, instinctive emotive cries such as oh! for surprise and ouch! for pain.

5.  The ding-dong theory.  Some people, including the famous linguist Max Muller, have pointed out that there is a rather mysterious correspondence between sounds and meanings.  Small, sharp, high things tend to have words with high front vowels in many languages, while big, round, low things tend to have round back vowels!  Compare itsy bitsy teeny weeny with moon, for example.  This is often referred to as sound symbolism.

6.  The yo-he-ho theory.  Language began as rhythmic chants, perhaps ultimately from the grunts of heavy work (heave-ho!).  The linguist A. S. Diamond suggests that these were perhaps calls for assistance or cooperation accompanied by appropriate gestures.  This may relate yo-he-ho to the ding-dong theory, as in such words as cut, break, crush, strike…

7.  The sing-song theory.  Danish linguist Jesperson suggested that language comes out of play, laughter, cooing, courtship, emotional mutterings and the like.  He even suggests that, contrary to other theories, perhaps some of our first words were actually long and musical, rather than the short grunts many assume we started with.

8.  The hey you! theory.  A linguist by the name of Revesz suggested that we have always needed interpersonal contact, and that language began as sounds to signal both identity (here I am!) and belonging (I’m with you!).  We may also cry out in fear, anger, or hurt (help me!).  This is more commonly called the contact theory.

9.  The hocus pocus theory.  My own contribution to these is the idea that language may have had some roots in a sort of magical or religious aspect of our ancestors‘ lives.  Perhaps we began by calling out to game animals with magical sounds, which became their names.

10.  The eureka! theory.  And finally, perhaps language was consciously invented.  Perhaps some ancestor had the idea of assigning arbitrary sounds to mean certain things.  Clearly, once the idea was had, it would catch on like wild-fire!

Another issue is how often language came into being (or was invented).  Perhaps it was invented once, by our earliest ancestors — perhaps the first who had whatever genetic and physiological properties needed to make complex sounds and organize them into strings.  This is called monogenesis.  Or perhaps it was invented many times — polygenesis — by many people.

We can try to reconstruct earlier forms of language, but we can only go so far before cycles of change obliterate any possibility of reconstruction.  Many say we can only go back perhaps 10,000 years before the trail goes cold.  So perhaps we will simply never know.

Perhaps the biggest debate among linguists and others interested in the origins of language is whether we can account for language using only the basic mechanisms of learning, or if we need to postulate some special built-in language-readiness.  The learning-only people (for example, B. F. Skinner) say that childhood conditioning, or maybe modeling, can account for the complexity of language.  The language-acquisition-device (LAD) people (such as Chomsky and Pinker) say that the ease and speed with which children learn language requires something more.

The debate is real only for those people who prefer to take one or the other of these extreme views.  It seems very clear to most that neither is the answer.  Is there some special neural mechanism for language?  Not in the sense of a LAD.

In most mammals, both hemispheres looked very much alike.  Somewhere in humanity’s early years, a few people possibly inherited a mutation that left one hemisphere with a limited capacity.  Instead of neural connections going in every direction, they tended to be organized more linearly. The left hemisphere couldn’t related to things in the usual full-blown multidimensional way.  But – surprise! – that same diminished capacity proved to be very good are ordering things linearly.  And that’s exactly what language needs:  The ability to convert fully dimensional events into linear sequences of sounds, and vice versa.

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Wikipedia

Onomatopoeia

Mrs. Munger's Class was two seasons of brief, 90-second skits on Disney's One Saturday Morning on ABC that featured the talking heads of a middle school yearbook page.

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Mrs. Munger’s Class – Onomatopoeia

«Mrs. Munger’s Class was two seasons of brief, 90-second skits on Disney’s One Saturday Morning on ABC that featured the talking heads of a middle school yearbook page. The kids in the photos would often exchange silly dialogue and insults, while Mrs. Munger would tell them to ‹Simmer down! Simmer! Simmer!› The camera would focus on whoever was speaking on one part of the yearbook page and quickly pan to follow the dialogue. Students would move between the pictures to interact with one another. The show was in black and white, but color was used on occasion (on field trips or to show cosmetics).»

Hyperlink Wikipedia: Mrs. Munger’s Class

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Text
Alexandra Bröhm

Wenn Kleinkinder das Wort ergreifen

Verstehen und sprechen lernen ist kompliziert. Noch weiss man nicht genau, wie Kinder diesen schwierigen Prozess bewältigen. Im Babylabor der Universität Zürich versucht man, dem Geheimnis auf die Spur zukommen.

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Verstehen und sprechen lernen ist kompliziert. Noch weiss man nicht genau, wie Kinder diesen schwierigen Prozess bewältigen. Im Babylabor der Universität Zu?rich versucht man, dem Geheimnis auf die Spur zukommen.

Die kleine Sanna findet Mama spannender: Immer wieder blickt sie nach oben – so, als wolle sie wissen, was Mama von den zwei Barbapapa-ähnlichen Wesen hält, die sich da im Fernsehen gegenseitig schubsen. «Sanna», flötet die Forscherin Miriam Dittmar durchs Mikrophon, und dann, etwas kräftiger und von einer Rassel begleitet: «Sanna, hier!» Sanna, 16 Monate alt, sitzt mit der Mama in einer dunklen Kabine und sollte auf den Monitor schauen. Psychologin Dittmar ist nebenan, beobachtet die zwei auf einem Bildschirm und versucht Sannas Augenbewegungen zu filmen. Im Babylabor der Universität Zürich untersuchen Forscherinnen, wie sich kleine Kinder Sprache aneignen. Noch weiss man nicht alles darüber, was im kindlichen Hirn geschieht, wenn aus Babygebrabbel plötzlich erkennbare Laute werden.Sanna beobachtet, wie die grüne rundliche Figur Anlauf nimmt und die gelbe wegstösst. Aber eigentlich hat das Mädchen keine Lust stillzusitzen. Vielmehr interessiert sie der braune Vorhang, der die Testkabine vom Rest des Raums abtrennt.Wer wissenschaftlich mit Babys arbeitet, braucht Geduld. Hunderte von Kleinkindern sassen bereits in der Kabine und haben sich im Dienste der Forschung Kurzfilme angeschaut. Die Tests sollen zeigen, ob Sanna erst verstehen muss, dass ein Stoss von Figur A die Figur B zur Seite schiebt, bevor sie Worte dafür finden kann.Oder ob der Satz «Anna schubst Tim» Kleinkindern ermöglicht, den beschriebenen Vorgang besser zu verstehen. «Mich interessiert, ob Sprache den Kindern zu begreifen hilft, dass etwas kausal zusammenhängt – oder ob es eher umgekehrt ist», sagt Entwicklungspsychologin Dittmar.

BABYS: UNIVERSALGENIES IN SACHEN SPRACHE

Bis ein Kleinkind seine ersten Worte spricht, hat es bereits Erstaunliches geleistet. Angefangen hat Sanna damit, als sie noch im Bauch ihrer Mutter war. Im letzten Drittel der Schwangerschaft hören Babys. Und sie nehmen die Stimme der Mutter wahr, auf die sie nach der Geburt am intensivsten reagieren. Weil die Geräusche durch die Bauchdecke gedämpft werden, hört das Ungeborene vor allem Melodie und Rhythmus der Muttersprache, was später beim Sprechenlernen eine wichtige Rolle spielt. Der Mensch ist fähig, mit Mund, Zunge und Stimme rund 800 Laute zu bilden. Nicht jede Sprache kennt gleich viele davon: Im Hoch- und im Schweizerdeutschen sind es lediglich 40. Babys sind dabei Universalgenies in Sachen Sprache. Egal, ob sie in Bern, Berlin, Beirut oder Bujumbura zur Welt kommen: Die Fähigkeit, die Laute der Muttersprache wahrzunehmen, ist den Kleinen in die Wiege gelegt. Wie die klingt, spielt dabei noch keine Rolle.Trotzdem zeigen bereits Neugeborene eine Vorliebe für Sprachen, deren Rhythmus jenem ihrer Muttersprache ähnelt. Das hat die Psychologin Janet Werker von der Universität British Columbia herausgefunden. Weil man Babys weder befragen noch ihnen klare Aufgaben stellen kann, haben die Forscher verschiedene Methoden entwickelt, um den versteckten Fähigkeiten der Kleinsten auf die Spur zu kommen. Eine beliebte Methode ist die «Headturn Preference Method», mit der auch Psychologin Werker arbeitete. Man spielt den Babys Wörter vor und zeichnet ihre Kopfbewegungen auf. Dreht das Kind den Kopf zum Geräusch, ist es aufmerksam, schaut es wieder weg, ist etwas anderes, interessanter. Ein beliebtes Hilfsmittel ist auch ein speziell präparierter Schnuller – je heftiger das Baby saugt, umso interessierter ist es. Man meint, Babys verbrächten ihre Tage damit, zu schreien, zu essen oder die Windeln vollzumachen – doch währenddessen leistet ihr Sprachzentrum Enormes: So beginnen sie etwa den konstanten Wortschwall, der an ihre Ohren dringt, in seine Einzelteile zu zerlegen. Etwas, was Erwachsene beim Hören einer fremden Sprache kaum schaffen.Wenn Sannas Mama sagt: «Sanna, komm, wir schauen uns einen Film an», dann klingt das für das kleine Mädchen eher wie «Sannakommwirschaununsnenfilman». Wortabstände existieren nur auf dem Papier – oder wenn wir kurz Luft holen oder mit einem «Äh» nach dem nächsten Wort suchen. Die Psycholinguistin Anne Cutler hat am Babylabor im niederländischen Nimwegen herausgefunden, dass nur gerade neun Prozent der gesprochenen Sprache klar erkennbare einzelne Wörter sind – der Rest ist ein einziger Bandwurm an Lauten.Doch wie schaffen es die Winzlinge da, überhaupt etwas zu lernen? Die Babys behelfen sich mit einem Trick. Sie orientieren sich daran, was sie bereits im Mutterleib wahrnahmen und jetzt immer wieder hören: den besonderen Rhythmus ihrer Muttersprache.Am Babylabor der Universität Potsdam untersuchte Psycholinguistin Babara Höhle, wie sechs Monate alte Kinder auf unterschiedliche Betonungen reagieren. Sie spielte den Kleinen sinnlose Lautfolgen vor, die entweder auf der ersten oder der zweiten Silbe betont waren. Dabei stellte sie fest, dass deutschsprachige Kinder weitaus schneller und deutlicher auf jene Wortfolgen reagierten, die jeweils auf der ersten Silbe betont waren – weil dieser Sprachrhythmus ihnen aus ihrer Muttersprache vertraut ist. Nimmt man im Deutschen an, dass eine betonte Silbe einen Wortanfang markiert, liegt man in ungefähr 90 Prozent der Fälle richtig. Deshalb ziehen die kleinen Sprachstudenten den Schluss: Aha, Mama betont etwas, da hat wohl ein neues Wort angefangen.Das Babylabor am Psychologischen Institut der Universität Zürich gibt es seit vier Jahren. Die Forscherinnen führen hier verschiedene Studien zur Entwicklung kleiner Kinder durch. Miriam Dittmar konzentriert sich im Moment auf das zweite Lebensjahr, in dem die Wortproduktion losgeht. Zwischen 12 und 18 Monaten sprechen die meisten Kinder die ersten Wörter wie «Mama», «Papa» oder «Auto». Ausserdem fangen sie an, Geräusche wie «brummbrumm», «muh» oder «miau» nachzuahmen und damit das Auto, die Kuh oder die Katze zu bezeichnen.

VON «DADADA» ZU «DA IS PUPPE»

Zwei Stunden nach Sanna sind die Zwillinge Amélie und Elina an der Reihe. Die beiden sind ebenfalls 16 Monate alt. Amélie sitzt still auf Mamas Schoss, bekommt grosse Augen, als sie die zwei Figuren auf dem Monitor beobachtet. Zu gerne wüsste man, was in dem kleinen Kopf vor sich geht, während Amélie sieht, wie Figur eins Figur zwei beinahe aus dem Bild stösst. Um diese Frage wenigstens ansatzweise zu beantworten, vermisst Dittmar Amélies Augenbewegungen. Anschliessend errechnet sie, wo Amélie wie lange hingeschaut hat: «Ich möchte wissen, ob sie eine der beiden Figuren deutlich länger anschaut.» Daraus schliesst Dittmar, dass Amélie verstanden hat, dass mit den beiden Figuren etwas passiert und sich eine Handlung aus Ursache und Wirkung zwischen ihnen abspielt. Dittmars Forschung ist nur ein kleines Puzzleteil im grossen Rätsel Spracherwerb. Haben die Babys die Sprache erst mal in einzelne Teile seziert – damit sind sie im ersten Lebenshalbjahr beschäftigt –, konzentrieren sie sich mehr auf die einzelnen Laute. Im Laufe des ersten Jahres verlieren sie die universelle Fähigkeit, alle Laute gleich zu erkennen, und konzentrieren sich auf ihre Muttersprache. Sie lernen, indem sie verlernen. «Ein deutschsprachiges Kind lernt, dass es einen Unterschied macht, ob man ‹leise› oder ‹Reise› sagt», erklärt Sprachforscherin Mona Pohl von der Universität Konstanz. «Im Japanischen dagegen gibt es zwischen L und R keinen Bedeutungsunterschied, weshalb die kleinen Japaner diesen Lautkontrast zu ignorieren beginnen.»Im Alter von sechs bis zwölf Monaten fängt das Baby selbst an, Sprache zu produzieren. Diese Fähigkeiten übt es in scheinbar sinnlosen Silbenfolgen wie «dadada» oder «bababa». Doch schon das Gebrabbel zeigt Merkmale der Muttersprache: Es folgt jenem Rhythmus und jener Melodie, die die Kinder schon vor ihrer Geburt als Klangteppich begleitet haben.Noch vor einigen Jahrzehnten trauten Wissenschaftler den Babys kaum etwas zu. Das Pädagogen-Ehepaar William und Clara Stern leistete Anfang des 20. Jahrhunderts Pionierarbeit auf diesem Gebiet. Das deutschjüdische Paar protokollierte von 1900 bis 1918 ausführlich, wie seine drei Kinder sprechen lernten, und schrieb drei Bücher darüber, die zu Standardwerken wurden. Die Kinder, unter ihnen der Philosoph Gunther Anders, erzählten später, sie hätten von der Forschung ihrer Eltern kaum etwas gemerkt – daher gelten die Tagebücher der Sterns als unvoreingenommenes und authentisches Quellenmaterial.An der US-Universität Carnegie Mellon haben Forscher über die Jahre die umfassende Datenbank Childes aufgebaut. In ihr sind zahlreiche Transkripte von Kindergesprächen gesammelt, darunter auch die ersten Sprechversuche der drei kleinen Sterns.Bereits mit 14 Monaten soll Günther Anders Sätze wie «da is puppe» gesagt haben – er war damit sehr früh dran. Im Durchschnitt fangen Kinder erst um den zweiten Geburtstag herum damit an, kurze Sätze zu bilden.

VON MENSCHEN LERNT MAN, VOM TONBAND NICHT

Schon die ersten Versuche folgen dabei den Grammatikvorgaben der Muttersprache. Ein deutschsprachiges Kleinkind sagt eher «Auto da runterfahren» als «runterfahren Auto da». «Bevor sie selbst komplexe Sätze bilden, haben Kinder bereits eine Menge über die Struktur ihrer Muttersprache gelernt», sagt Mona Pohl von der Uni Konstanz. So habe man gezeigt, dass deutsch- und englischsprachige Kinder im Alter von zwei Jahren unterschiedliche Antworten auf die Frage «Was machst du?» geben. Der englische Junge sagt «eating ice cream», setzt das Verb vor das Objekt, das deutsche Mädchen sagt «Eis essen», setzt also das Objekt wie im Deutschen richtig vor das Verb. Klar ist, dass Kinder nur sprechen lernen, wenn man mit ihnen spricht. Warum das aber nur funktioniert, wenn dies ein Mensch aus Fleisch und Blut tut, leuchtet zwar jedem ein, genau erklären können es die Forscher allerdings noch nicht. In Versuchen an der Universität Seattle fand man heraus, dass englischsprachige Babys ihre Sensibilität für chinesische Laute auch im zweiten Lebenshalbjahr behielten, wenn jemand regelmässig mit ihnen Chinesisch sprach. Hörten sie allerdings chinesische Tonaufnahmen oder schauten chinesisches Fernsehen, blieb dieser Effekt aus. Das Sprachlernzentrum wird nur vom direkten sozialen Austausch angestossen.Das scheint auch die kleine Sanna zu wissen. Während des Tests im Babylabor versucht sie immer wieder, ihre Mutter, die eigentlich nichts sagen darf, ins Geschehen miteinzubeziehen. «Sie ist sehr sozial», sagt Miriam Dittmar über ihre kleine Probandin. Diese bringt damit eine der wichtigsten Voraussetzungen mit, um erfolgreich sprechen zu lernen.

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Bildkolumne
unfolded

unaufgeräumte Komposition

ding dong im atelier, polaroid portrait serie aus dem ding dong #1 produktionszeitraum.

FB

«ding dong – ding dong, wer steht dort vor der tür? vielleicht ist es der postillon und bringt millionen mir?»

– ding dong im atelier

polaroid portrait serie aus dem ding dong #1 produktionszeitraum. aufgenommen im januar und februar 2012 in zürich, hohlstrasse 400 (büro unfolded). die kolumne ist ohne anspruch auf vollständigkeit, dafür aber nicht alphabetisch sortiert (fotografiert mit spectra kameras auf px silver shade uv+ filmen).

«ding dong – ding dong, wer steht dort vor der tür? es sind die nachbarn, besoffen, mit einer kiste bier!»

–hyperlinks (alphabetisch): andrewillimann.ch, christgantenbein.com, derdiedas-magazin.com, edit-bilder.ch, elodiepong.net, florianbuehler.com, frei-kepenek.com, manubeffa.ch, nagli.ch, pieroglina.com, prillviecelicremers.ch, refurnished.ch, rtp.ch, stefanburger.ch, stefan-meier.info, undend.ch, unfolded.ch

«ding dong – ding dong, ist denn keiner hier? ich suche meine wolke und wo ist mein klavier?»

Mrs. Barbara Mauck
Mrs. Barbara Mauck
Mrs. Pia Lanzinger
Mrs. Pia Lanzinger
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Interview
Barbara Mauck

E-Mail Gespräch mit Pia Lanzinger

Ganz herzlich zurück: ich kämpfe gerade mit den Anfangslauten meiner Tochter. Sie lernt gerade sprechen und offensichtlich hatte sie vorher noch nicht realisiert, wie begriffstuzig ihre Familie eigentlich ist.

FB

E-Mail Gespräch mit Pia Lanzinger
>>>>>>> ——– Original-Nachricht ——–
>>>>>>>> Datum: Mon, 05 Mar 2012 12:09:12 +0100
>>>>>>>> Von: Pia Lanzinger <pialanzinger@gmx.de>
>>>>>>>> An: Barbara Mauck <barbaramauck@gmx.net>
>>>>>>>> Betreff: telefon
>>>>>>>>
>>>>>>>> liebe barbara,
>>>>>>>>
>>>>>>>> bin zurück in berlin. hoffe, du bist wieder gesund, ich habe mich
>>>>>>>> erstaunlicherweise immer auf der kippe gehalten…
>>>>>>>> heute nachmittag habe ich eine arbeitssitzung, aber heute abend oder
>>>>>>>> morgen würde es mit einem telefonat gut gehen.
>>>>>>>>
>>>>>>>> ganz herzlichst pia
>>>>>>
>>>>>>
>>>>>>
>>>>>>
>>>>>> Am 09.03.12 12:24 schrieb «Barbara Mauck» unter
>>>>>> <barbaramauck@gmx.net>:
>>>>>>
>>>>>>> Liebe Pia,
>>>>>>>
>>>>>>> nachdem ich gestern überstanden habe, schicke ich Dir kurz vor dem
>>>>>>> Abflug eine erste Mail. Wir können ja, vielleicht wegen der versetzten
>>>>>>> Zeitfenster, doch schauen, dass wir unsere Unterhaltung ein wenig über
>>>>>>> das Wochenende und den Wochenanfang ziehen. Was meinst Du:
>>>>>>> kann es losgehen?
>>>>>>> Es geht in der ersten Ausgabe um Lautmalerei, um Onomatopoesie im
>>>>>>> weitesten Sinne. Es könnte auch um DingDong, um Anfangsgeräusche gehen. Du bist
>>>>>>> also sehr frei, hier zu assoziieren. Im Mittelpunkt unserer Unterhaltung kann
>>>>>>> Deine Arbeit stehen. Du kannst aber auch alles andere, was Dich beschäftigt,
>>>>>>> hier ins Gespräch einbringen. Ist gut?
>>>>>>> Was ich mich gefragt habe, als Du netterweise sagtest, ich könnte
>>>>>>> dieses kleine Experiment mit Dir gemeinsam durchführen, war, wo – wenn Du
>>>>>>> ein Projekt beginnst – Deine Ideen ihren Anfang nehmen? Gerade bist Du ja mit
>>>>>>> einer Arbeit beschäftigt, in der Schrift, Lesbares, ein Bestandteil ist. Wie
>>>>>>> wichtig ist, das könnte für mich eine Frage sein, das Wort im Bild? Was
>>>>>>> transportiert es visuell, was vielleicht mit visuellen Mitteln nicht transportiert
>>>>>>> werden konnte. Das zunächst, bevor ich zu den Füssen komme…
>>>>>>>
>>>>>>> Dir ganz herzliche Grüsse vom Flughafen – das Boarding beginnt,
>>>>>>> Barbara
>>>>>>
>>>>>>
>>>>>>
>>>>>>
>>>>>>
>>>>> ——– Original-Nachricht ——–
>>>>>> Datum: Fri, 09 Mar 2012 17:07:12 +0100
>>>>>> Von: Pia Lanzinger <pialanzinger@gmx.de>
>>>>>> An: Barbara Mauck <barbaramauck@gmx.net>
>>>>>> Betreff: Re: telefon
>>>>>
>>>>>> Liebe Barbara,
>>>>>>
>>>>>> als ich 2007 das Hallenbad City in Zürich mit Plastiktüten über den Schuhe
>>>>>> durchstreifen und fotografieren durfte, klang mir das übliche Baderauschen
>>>>>> mitsamt Halleffekten in den Ohren. Das Setting schien mir irgendwie perfekt
>>>>>> und vollständig; das Hallenbad als ausgesprochenes Bauwerk der Moderne mit
>>>>>> seiner souveränen Ästhetik schien keiner bildnerischen Ergänzung mehr zu
>>>>>> bedürfen. Auffallend waren die Leihtücher, die überall auftauchten.
>>>>>> So kam mir die Idee zu «Lesestoff für den Barfussbereich».
>>>>>> Ich habe dann über die Jahre Literaturzitate zum Thema Schwimmen, Körper und
>>>>>> Bewegung gesammelt, die ich in die entworfenen Badetücher eingeweben lasse,
>>>>>> wobei die Rückseiten die Schrift spiegelverkehrt zeigen. Die Verteilung
>>>>>> dieser literarischen Objekte im Raum, die sich von den anderen Badetüchern
>>>>>> hoffentlich doch deutlich abheben werden, korrespondiert mit den Personen,
>>>>>> die sich im Bad aufhalten und mit ihren Bewegungen: Mal liegen sie auf
>>>>>> Stufen, mal hängen sie an Geländern und mal wandern sie um Körper
>>>>>> gewickelt durch das Bad. Mal liegen sie einzeln, mal in Gruppen. Durch diese
>>>>>> Formationsmöglichkeiten werden im Schwimmbad immer neue und unterschiedliche
>>>>>> visuelle Konstellationen erzeugt ­ ein performatives Moment, das die Nutzer
>>>>>> des Bades in das Kunstwerk subtil mit einbezieht.
>>>>>>
>>>>>> Neben der dynamisch-dekorativen Wirkung markieren die eingewebten Texte
>>>>>> einen literarischen Raum, in dem das Schwimmen als moderne
>>>>>> Erfahrungsdimension zur Sprache kommt. Denn literarische Zitate haben
>>>>>> einen spielerischen und metaphorischen Charakter. Ein Ausschnitt aus der
>>>>>> Literatur kann die Leser zur Fantasie anregen und ihre mehr oder weniger
>>>>>> alltäglichen Erfahrungen in einen grösseren Rahmen stellen.
>>>>>>
>>>>>> Und vielleicht passiert es ja auch hin und wieder, dass ein Badegast
>>>>>> einem anderen ein Zitat laut verliest. Dann würden sich die Ausflüge in die
>>>>>> Literatur der Moderne im Hallenbad auch akkustisch verbreiten.
>>>>>>
>>>>>> Herzliche Grüsse Pia
>>>>>>
>>>> Am 09.03.12 18:10 schrieb «Barbara Mauck» unter <barbaramauck@gmx.net>:
>>>>
>>>>> Liebe Pia, doch, doch: genau so geht das?
>>>>>
>>>>> Noch einmal zurück zu den Anfängen. Beim Hallenbad City in Zürich kam also die
>>>>> Idee beim Begehen des Ortes, für den Du die Arbeit planen wolltest. Mich würde
>>>>> interessieren, ob das exemplarisch für Deine Arbeitsweise ist, dass Ideen aus
>>>>> der Beschäftigung mit dem Ort erwachsen. Hat es andere Anfänge gegeben? Ist
>>>>> der Anfang einer Arbeit anders, wenn es sich um Wettbewerbe im öffentlichen
>>>>> Raum oder um Arbeiten handelt, die im Kontext von Ausstellungen entstehen?
>>>>>
>>>>> Und dann: mir gefällt die Idee, dass in den visuellen Konstellationen auch
>>>>> neue Sinnkontexte der Zitate auf den Tüchern erzeugt werden. Wäre diese
>>>>> Öffnung z.B. durch Bildzitate nicht möglich gewesen? Oder provokativ: ist das
>>>>> Bild weniger offen als das Wort?
>>>>> Ganz herzlich zurück: ich kämpfe gerade mit den Anfangslauten meiner Tochter.
>>>>> Sie lernt gerade sprechen und offensichtlich hatte sie vorher noch nicht realisiert,
>>>>> wie begriffstuzig ihre Familie eigentlich ist.
>>>>>
>>>>> Apropos begriffstutzig: wäre das ein Wort, mit dem man Kunstwerke beschreiben könnte?
>>>>>
>>>>> Barbara
>>>>>>
>>>>>>
>>>>>>
>>>>>>
>>>>>>
>>> ——– Original-Nachricht ——–
>>>> Datum: Sat, 10 Mar 2012 11:07:10 +0100
>>>> Von: Pia Lanzinger <pialanzinger@gmx.de>
>>>> An: Barbara Mauck <barbaramauck@gmx.net>
>>>> Betreff: Re: telefon
>>>
>>>> Liebe Barbara,
>>>>
>>>> ja, es gibt auch andere Anfänge, z.B. auf dem Sofa, wenn ich mich mit
>>>> Literatur zu einem bestimmten Thema oder Ort auseinandersetze. Ob die
>>>> Arbeiten dann im öffentlichen Raum oder am Ende eher im musealen Rahmen zu
>>>> sehen sind, manchmal übrigens auch beides, ist dabei nicht entscheidend.
>>>> Allerdings arbeite ich im öffentlichen Raum häufiger mit Leuten vor Ort
>>>> zusammen, und beziehe sie aktiv in meine Projekte mit ein.
>>>> Mich interessiert nicht die Trennung des reinen Bildes von Text oder der
>>>> Ausschluss von Sprache. Ganz im Gegenteil: In fast allen meinen Arbeiten
>>>> kombiniere ich in unterschiedlicher Weise beides miteinander. So ist die
>>>> Auseinandersetzung mit Menschen – Gespräche und Interviews – meist
>>>> der Ausgangspunkt meiner Recherchen. Zum Beispiel in meiner
>>>> 2-Kanal-Videoinstallation «New German Washout», die 2008 für das
>>>> Kunstmuseum Wolfsburg entstand. Ich habe mich hier mit der Situation in
>>>> Nachkriegsdeutschland, speziell in Wolfsburg beschäftigt und hatte die
>>>> Gelegenheit, mit BewohnerInnen zu sprechen, die die Zeiten des Umbruchs und
>>>> Neubeginns in ihrer ganzen Dramatik mitgetragen haben. Viele kamen als
>>>> Flüchtlinge aus dem Osten Deutschlands, um für VW zu arbeiten. Auf der
>>>> Basis der Interviews mit diesen Zeitzeugen schrieb ich Kurzgeschichten, die
>>>> schliesslich in die heutigen Wohnungen wieder einführt wurden, indem die
>>>> Erzählungen als Nachrichtentext im Fernsehen gelesen wurden.
>>>> So erhielten sie eine scheinbare Objektivität, das heisst, sie rückten ein gutes
>>>> Stück von den realen Personen in ihren Wohnungen ab. Im Film sehen wir die
>>>> Protagonisten in Strassenkleidung wie zu Besuch in ihren Wohnzimmern zwischen
>>>> all den Möbeln und Dingen sitzen, die ihr gelebtes Leben in sich aufgenommen
>>>> haben. Wir sehen, wie sie heute wohnen und hören, wie es war, als sie vor
>>>> sechzig Jahren in Wolfsburg ankamen.
>>>>
>>>> Doch nun nochmals zurück zu «Lesestoff für den Barfussbereich»: Tatsächlich
>>>> habe ich ganz am Anfang auch mal Bilder auf Badetüchern ausgetestet, kam
>>>> aber zu dem Ergebnis, dass in diesem Fall literarische Zitate mehr
>>>> gedanklichen Spielraum für die Badegäste eröffnen, die schliesslich
>>>> jedoch wiederum Bilder imaginieren werden, wenn sie die Texte lesen.
>>>>
>>>> Pia
>>>>
>>>> meine Form von performativer Kunst verzichtet nicht auf Zeichen oder
>>>> Techniken der Mediatisierung, doch mein besonderer Schwerpuntk ist die
>>>> Herausstellung des Widerständigen, Unberechbaren
>>>>
>>>>
>> Am 10.03.12 12:35 schrieb «Barbara Mauck» unter <barbaramauck@gmx.net>:
>>>
>>> Liebe Pia, herzlichen Dank für Deine Antworten – ich bin froh, dass Du
>>> zwischen Deinen Arbeitstreffen Zeit findest, mir zu antworten.
>>>
>>> Das Washout-Beispiel hat mich darüber nachdenken lassen, dass wir einmal
>>> darüber sprechen könnten, wie das Zusammenspiel von Bild und Text bei
>>> künstlerischen Arbeiten im Verhältnis von Werk und Titel in Erscheinung tritt.
>>> Wird Bedeutung im Schleudergang zentrifugiert oder im Schongang
>>> aufbereitet? Wie ist das bei Dir? Kommen die Titel beim Arbeiten? Sind sie Teil des
>>> Arbeitsprozesses oder entstehen sie im Nachgang? Gewinnen manche Arbeiten erst
>>> in der Benennung eine Bedeutungsebene, die Dir im Arbeitsprozess selbst nicht
>>> bewusst gewesen ist, die nicht auf der Hand lag? Oder entstehen manche
>>> Arbeiten in ihrer visuell sichtbaren Form manchmal nur über ein Wortspiel,
>>> über eine verbale Flapsigkeit? Gibt es vielleicht auch Arbeiten, derer man nur
>>> über den Titel am Ende wieder Herr zu werden vermag? Wie ist es z. B. mit
>>> dem «Washout» gewesen, der ja einerseits im Englischen einen Reinfall, im
>>> Wortklang aber auch ein Reinwaschen impliziert? Und wie bei anderen
>>> Arbeiten? Gäbe es Arbeiten, die Du o.T. betiteln würdest?
>>>
>>> Die Titelverweigerung in der Kunst lässt mich an Melville’s Figur Bartleby
>>> denken: einem Schreiber bei einem Rechtsanwalt, der mit stillem Fleiss
>>> unermüdlich Verträge kopiert, aber schon bald jede andere Tätigkeit mit den
>>> Worten ablehnt: «Ich möchte lieber nicht», «I would prefer not to». Das
>>> Interessante ist, dass die Geschichte dadurch im Sichtbaren transparent, in
>>> ihren Hintergründen aber rätselhaft bleibt. Kann das Visuelle vielleicht, wie
>>> Bartleby in der sanften Verweigerung von kommunikativen Mitteln das
>>> Kontrollsystem der Firma ins Wanken bringt, in der Verweigerung einer
>>> Benennung politisch werden?
>>>
>>> Dir herzliche Grüsse, Barbara
>>>
>>>
> ——– Original-Nachricht ——–
>> Datum: Mon, 12 Mar 2012 13:20:33 +0100
>> Von: Pia Lanzinger <pialanzinger@gmx.de>
>> An: Barbara Mauck <barbaramauck@gmx.net>
>> Betreff: Re: telefon
>
>> Liebe Barbara,
>>
>> ich denke, es war sicher einmal ein wichtiger Schritt für KünstlerInnen, die
>> primäre Erfahrung bildlicher Qualitäten von irreführenden Interpretationen
>> frei zu halten, in der Hoffnung so eine unvoreingenommene Wahrnehmung zu
>> ermöglichen. Doch für mich ist das Nicht-Benennen von Arbeiten heute keine
>> Strategie – das geheimnisvolle Schweigen wurde dann ja auch schnell wieder
>> zum obligatorischen Standard – und schon gar kein Befreiungsschlag mehr.
>> Im Gegenteil: Es ist doch eine Möglichkeit, den BetrachterInnen gleich zu
>> Beginn eine gewisse Idee zu geben, was auf sie zukommt. Oft sind
>> konzeptionelle recherchebasierte Arbeiten doch so komplex, das es für die
>> RezipientInnen eine Herausforderung darstellt, sich die verschiedenen Eben
>> in einer kurzen Zeitspanne zu erschliessen. Ich gebe meinen Arbeiten
>> eigentlich immer Titel, es scheint mir eine vertane Chance, das zur
>> Konvention gewordene «o.T.» zu benutzen. Manchmal habe ich eine Liste mit
>> an die 30 Titelideen, bis ich mich dann für einen entscheide.
>>
>> Vielleicht haben KünstlerInnen nach dem Zweiten Weltkrieg die Betitelung von
>> Kunstwerken auch deswegen verweigert, um den ihnen vorgegebenen
>> Bedeutungskontext zu hinterfragen, der weitgehend bestimmte, was und wie im
>> Medium der Kunst kommuniziert werden sollte. Die dabei geäusserten Ansprüche
>> auf eine eigene Definitionshoheit haben sich jedoch nicht erfüllt. Wohl aus
>> diesem Grund hat der Stellenwert von Kontexten und Konditionierungen bei
>> späteren Generationen mehr Bedeutung erfahren und sie
>> haben die Auseinandersetzung mit Mechanismen und Restriktionen, die das
>> Kunstsystem regulieren, schrittweise vertieft.
>>
>> Meine Arbeit «New German Washout» thematisiert den radikalen gesellschaftlichen Neubeginn,
>> der durch den Transfer von Kriegstechnologien die Beschleunigung und Standardisierung
>> des Alltagslebens bewirkte.
>> Paradigmatisch dafür steht die Waschmaschine – eine metaphorische
>> Säuberungs- und Verdrängungsmaschine – als Strukturelement eines reibungslos
>> funktionierenden Privatbereichs. Man hoffte, durch die rituelle Reinigung
>> die Drohung eines erneuten Krieges zu bannen und gleichzeitig die
>> Schuldgefühle wegzuwischen, die von der nationalsozialistischen
>> Vergangenheit herrührten. Was sich letztlich natürlich als «Reinfall» erwies.
>> Ich empfinde es als Glücksfall, diesen Titel gefunden zu haben, der so viele
>> Konnotationen, auch etwa die Anspielung auf die amerikanische Leitkultur,
>> in sich vereint.
>>
>> Herzlichst Pia
>>
>>
>>
>>
Am 12.03.12 16:25 schrieb «Barbara Mauck» unter <barbaramauck@gmx.net>:

> Liebe Pia,
>
> herzlichen Dank für Deine ausführliche Antwort. Gerne würde ich wissen, wie so
> eine Liste aussieht. Aber das ist sicherlich ein gut gehütetes GEheimnis. In
> jedem Fall: ich lerne unseren Austausch sehr zu schätzen und hoffe, es ist
> nicht allzuviel «Arbeit» für Dich, nebenbei immer noch Fragen beantworten zu
> müssen…
>
> Ich hatte Dir ja versprochen irgendwann noch auf die Füsse zu sprechen zu
> kommen. Kannst Du mir – ich bin im Aufbruch in Richtung Schweiz – kurz etwas
> dazu sagen? Die Arbeit adressiert im Titel «Lesestoff für den Barfussbereich»
> explizit zwei andere Sinne, und anders als Kunst in der Regel gerade nicht die
> Augen an. Und wenn ich das lese, was Du mir geantwortet hast, spiegelt der
> Titel somit sehr klar die Herangehensweise wider, mit der Du Dir den Ort und
> die Arbeit angeeignet hast: Du bist gelaufen und Du hast gelesen. Der Titel
> ist also fast lautmalerisch für die Art, wie Du künstlerisch vorgehst.
>
> Wie wichtig ist also, wäre meine Frage, das Visuelle? Welche Bedeutung hat das
> Bild beim Erinnern? (Deine Arbeiten umkreisen ja oftmals auch die Frage einer
> gemeinsamen Erinnerung)? Denkst Du in Bildern oder in Worten oder in Tönen?
> Und wie erinnerst Du Dich? Für
>
> Fragen über Fragen – und sehr herzlich,
> Barbara
>

Liebe Barbara,

sorry, gestern war ich schon ab dem späten Nachmittag unterwegs und deshalb nicht vor dem Computer.

Also ich möchte doch nur ungern meine kreativen Momente weder zwischen mir und meinen AdressatInnen noch zwischen verschiedenen Sinnen aufteilen. Ich denke, diese Haltung bringe ich in meinem spielerischen Umgang mit den Begrifflichkeiten und Medien, die ich verwende, hoffentlich auch zum Ausdruck. Über so manche Arten von Spartendenken und Selbsterfahrungsexpertentum kann ich eigentlich nur schmunzeln, und ich hoffe, die Leute werden auch verstehen, dass der Lesestoff über den Barfussbereich hinausreicht, und nicht darin isoliert bleibt. Und so ähnlich sehe ich das auch generell für die Verbindungen zwischen Bildern und Wörtern. Es geht mir um ein Spiel, das einen gewissen Ernst beinhaltet, eben nicht nur beliebig sein will, und dazu gehört auch, dass Vieles durcheinandergeht und sich überlagert.

In meinem Projekt «Tres piezas para barrenderos» («Drei Stücke für Strassenkehrer») in Mexiko-Stadt (2010) mussten die PassantInnen des Centro Histórico alle ihre Sinne einsetzen, um die inszenierten Auftritte der Strassenkehrer aufzunehmen. Diejenigen, die damit beauftragt sind, ihren Müll zu entfernen, stehen plötzlich auf drei verschieden zugeschnittenen Bühnen: Auf der podestartigen Bühne erfährt man aus den Lautsprechern die Lebens- und Arbeitsgeschichte der Barrenderos, auf der runden Bühne stellen sie sich selbst als tendenziell unsichtbare soziale Gruppe dar und strecken z.B. ihre Besen mit geballter Faust in die Luft oder beschnüffeln sich gegenseitig (ein Verhalten das PassentInnen hin- und wieder gegenüber den Barrenderos praktizieren, um ihnen zu zeigen, dass sie stinken könnten), und auf der rechteckigen Bühne präsentieren und singen sie Lieder, die einerseits den Stolz auf ihre Tätigkeit widerspiegeln, andererseits die schlechten Konditionen anprangern. Die PassantInnen und KonsumentInnen des historischen Zentrums waren also mit ungewöhnlichen Bildern, Tönen und Wörtern konfrontiert, und nahmen so die Barrenderos hoffentlich endlich einmal als Personen zur Kenntnis, die wiederum durch die inszenierten Auftritte eine Beachtung erfuhren, die sie in ihrer Funktion respektiert.

Herzlichst Pia

Pia Lanzinger lebt und arbeitet in Berlin

Ausbildung
1984 – 1990 Studium der Kommunikationswissenschaft, Amerikanischen Kulturgeschichte und Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität, München,
Magister Artium 1990
1982 – 1984 Ausbildung an der Bayerischen Staatslehranstalt für Photographie, München,
Gesellenbrief 1984

Stipendien/Förderungen
2011 3-monatiges Stipendium in Gyeonggi Creation Center, Südkorea
«Kunst fürs Dorf – Dörfer für Kunst», Petze/Niedersachsen, Deutsche Stiftung Kulturlandschaft
2010 Projektförderung, Stiftung Kunstfonds
2009 3-monatiges Stipendium in den Künstlerhäusern Worpswede
2008 Arbeitsstipendium zur Förderung der künstlerischen Entwicklung, Stiftung Kunstfonds

Kunst am Bau/Kunst im öffentlichen Raum (gewonnene Wettbewerbe)
2007 Lesestoff für den Barfussbereich, 1. Preis beim Kunst-am-Bau-Wettbewerb Hallenbad City, Zürich/Schweiz, Realisierung 2011/12
2007 GeschichtsKIOSK – Sammle Geschichte!, 1. Preis beim Kunst-im-öffentlichen-Raum-Wettbewerb «Software der Erinnerung» der Stadt Braunschweig (zusammen mit Arnold Dreyblatt)

Kuratorische und weitere Tätigkeiten
2010 Jurymitglied: Künstlerisches Erinnerungszeichen «Das Robert Koch-Institut im Nationalsozialismus», Berlin
2002 – 2008 Mitglied von Quivid (von 2002 – 05 stellvertretendes Mitglied), der Kommission für Kunst am Bau und im öffentlichen Raum des Baureferats München

Barbara Mauck ist 1969 in Wolfenbüttel/D geboren und hat 1988 in England Abitur gemacht. Nach einer Ausbildung zur Typografin in Deutschland arbeitete sie als Grafikerin in unterschiedlichen Büros. Von 1993 – 1999 studierte sie Freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und Anglistik, Pädagogik und Psychologie an der Technischen Universität Braunschweig. Von 2001 – 2003 war sie Fellow am Graduiertenkolleg «Repräsentation-Rhetorik-Wissen» der Europa-Universität Frankfurt/O. und an der New York University. Zur Zeit schliesst sie ihre Dissertation an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig ab.
Barbara Mauck publiziert regelmässig und unterrichtet mit Schwerpunkt Theorie der zeitgenössischen Kunst an unterschiedlichen Hochschulen im In- und Ausland. Von 2004 bis 2006 konzipierte und leitete sie die Sommerakademie am Zentrum Paul Klee in Bern. Seit 2004 nimmt Barbara Mauck im Rahmen von Semester- und Diplomgesprächen an der Lehre der Hochschule der Künste Bern teil. 2009 wurde sie zur Leiterin des Fachbereichs Gestaltung und Kunst gewählt.

 

Mrs. Barbara MauckMrs. Pia Lanzinger

 

16

Text
Rouven Krüger

Tipp
Barbara Mauck

Zur Sache, Schätzchen

Und Martin hat an diesem Morgen, beziehungsweise Mittag, keinen Bock auf Aufstehen. In der Nacht hat er auf der gegenüberliegenden Strassenseite einen Einbruch in ein Fernsehgeschäft beobachtet, ist jedoch nicht eingeschritten, sondern hat weitergepennt.

FB

ES WIRD BÖSE ENDEN! 
I. Inhalt

Mit der in der Überschrift zu findenden selbsterfüllenden Prophezeiung lässt Martin (Werner Enke) jede Kritik an sich abperlen. Dieser Film zeigt 24 Stunden aus dem Leben dieses «Gammlers» aus dem Schwabinger Milieu. Mit Gammler wurden Ende der 60er Jahre junge Leute tituliert, die keine Lust hatten sich Konventionen wie ordentlicher Frisur, noch ordentlicherer Kleidung und einwandfreiem Benehmen zu unterwerfen. Sozusagen ein Vorläufer einer Null-Bock-Generation. Und Martin hat an diesem Morgen, beziehungsweise Mittag, keinen Bock auf Aufstehen. In der Nacht hat er auf der gegenüberliegenden Strassenseite einen Einbruch in ein Fernsehgeschäft beobachtet, ist jedoch nicht eingeschritten, sondern hat weitergepennt. Geweckt wird er von seinem Freund und «Manager» Henry (Henry van Lyck). Die beiden Slacker schlendern ziellos durch das sommerliche München und gehen schliesslich zur Polizei, um den Einbruch der vergangenen Nacht zu melden. Doch als Martin den Staatsapparat zu spüren kriegt, antwortet er auf die Fragen des Polizisten nur mit frechen Sprüchen und sinnlosen Antworten und stellt so alles auf den Kopf. Henry und Martin verabschieden sich auf französisch, wodurch Martin unter Verdacht gerät, etwas mit dem Einbruchdiebstahl zu tun zu haben. Sie gehen ins Schwimmbad, um ohne Druck Texte zu dichten, die sie bis zum Nachmittag bei ihrem Arbeitgeber Block abliefern sollen. Doch Martin ist abgeschlafft und hat keinen Bock. Stattdessen beobachtet er, natürlich ohne einzuschreiten, wie Barbara (Uschi Glas), eine knackige, privilegierte Tochter von guten Eltern, in eine Glasscherbe tritt. Mit Anteilnahme kommt er ins Gespräch und beeindruckt sie mit seiner Pseudophilosophie und seinem Überschreiten von Konventionen. Barbara und Martin gehen in den Zoo, wo sie in einer grandiosen Verfolgungsjagd eine kleine Ziege in einem Kinderwagen entführen. Auf dem Weg nach Hause definiert Martin mittels vieler Beispiele was «Fummeln» ist. Inzwischen treibt sich Henry auf einer Party seines Arbeitgebers Block herum und leiert diesem einen Vorschuss aus der Tasche. Barbara und Martin durchstreifen immer noch die Gegend, bis sie von der Polizei aufgegriffen werden. Martin soll erneut aussagen. Doch Barbara gelingt es, die Polizisten durch einen Striptease, siehe das Bild, abzulenken, so dass beide fliehen können. Am Abend kommt es in Martins Wohnung aufgrund der Verführungskünste Martins mittels eines Daumenkinos und Sprücheklopferei zu einer Extrem-Fummelei, das heisst Martin kriegt Barbara in die Kiste. Zur gleichen Zeit erreicht die Party bei Block ihren Höhepunkt. Nachdem Barbara wieder nach Hause gegangen ist, kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen Martin und dessen Freundin Anita. Als die Polizei in Martins Wohnung auftaucht, kann Martin es nicht lassen und provoziert die Polizisten solange mit einer ungeladenen Waffe, bis ein Polizist schiesst. Leicht verletzt wird Martin abgeführt. Es gibt noch ein Alternativende, das ich vor circa 5 Jahren in einem Programmkino sah. Hier flieht Martin und fährt mit einem Auto gegen einen Baum, steigt dann aber unverletzt aus dem Wagen. 

II. Filmhistorische Betrachtung

Dieser Streifen ist Portrait und Hommage an den Gammler, Berufsanarcho und Salonrevoluzzer der späten 60er Jahre. Einerseits lehnen Martin und Henry das System ab, andererseits melken sie den Verleger schwachsinniger Texte und legen gutbürgerliche Mädchen flach. Diese Eulenspiegeliade (eigene Wortschöpfung) ist das Paradepferd des so genannten Neuen Deutschen Films. Durch diesen Film wurde die sich erst aktuellst in der BILD-«Zeitung» fast nackig gemachte Uschi Glas zum «Schätzchen der Nation» und drehte ihren einzig erträglichen Film (ich lasse mich gerne eines anderen belehren, Karl May – Verfilmungen zählen nicht). Das Spielfilmdebüt der Bremer Filmemacherin May Spils aus dem Jahr 1968 räumte neben dem Prädikat «wertvoll» noch die Goldene Leinwand 1968 ab. Darüber hinaus gab es auch noch die deutschen Filmpreise in Gold für die Dialoge (an May Spils und Werner Enke) und für den besten Nachwuchsdarsteller (an Werner Enke). Dieser charmante Werner Enke ist heute noch als Tausendsassa tätig und hat gerade vor circa einem halben Jahr seine Daumenkinogeschichten veröffentlicht. In den 70er Jahren war er noch Hauptdarsteller in den Filmen «Nicht fummeln. Liebling» (1970), «Hau drauf, Kleiner» (1974) und «Wehe, wenn Schwarzenbeck kommt» von 1979. Regisseurin war in diesen Streifen wie auch bei dem hier besprochenen Werk immer seine Lebensgefährtin May Spils. Produziert wurde dieser 80 Minuten lange Schwarzweiss-Film von Peter Schröder für die Peter Schamoni Produktion. 

III. Mein Tipp

Meine Meinung über diesen leichthändig inszenierten Film ist wohl bereits zwischen den Zeilen herauszulesen. Da das öffentlich-rechtliche Fernsehen lieber auf andere Pferde setzt, hat man die Chance den Film im einen oder anderen Programmkino zu sehen. Wenn man den Film nicht im Kino sieht, muss man wohl auf einen Versandhandel im Internet zurückgreifen, wo der Film als DVD für ungefähr 15 € erhältlich ist. Die Sprücheklopfereien und Wortschöpfungen von Martin beziehungsweise Enke wie zum Beispiel «Fummler», «abgeschlafft», etc. sind durchweg amüsant und stilbildend. Selbst Uschi Glas ist knackig und nett anzuschauen. Allein das Ende, welches Godards «Ausser Atem» zitiert, zeigt, dass Enke eigentlich das Zeug zum westdeutschen Jean-Paul Belmondo gehabt hat (der ostdeutsche wurde dann ja Winfried Glatzeder mit «Die Legende von Paul und Paula»). Wer Frechheit, Wortwitz und attraktiven Frauen in leichter sommerlicher Bekleidung nicht gänzlich gleichgültig gegenübersteht wird seine Freude an dem Film haben. Dieser Film ist DIE Anleitung, wie ein Sommertag nahezu perfekt zu verbringen ist … 

Zur Sache, Schätzchen
BRD 1967Regie: May Spils
Kamera: Klaus König
Musik: Kristian Schulze
Darsteller: Werner Enke, Uschi Glas, Henry van Lyck, Inge Marschall, Helmut Brasch
80 Minuten
Erstaufführung: 4.1.1968 

17

Text
John Furnival

Ha-Ha!

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FB

Ha-Ha!

Ha-Ha!

Ha-H!

Ha-!

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John Furnival

 

18

Tipp
Hin Van Tran

Beat of the Day

«Beim Beatboxing oder Beatboxen werden Drumcomputerbeats – zuweilen auch Scratches oder Schlagzeug- und andere Perkussionsrhythmen, seltener auch weitere Instrumente und andere Klänge – mit dem Mund, der Nase und dem Rachen imitiert.»

FB

«Beim Beatboxing oder Beatboxen werden Drumcomputerbeats – zuweilen auch Scratches oder Schlagzeug- und andere Perkussionsrhythmen, seltener auch weitere Instrumente und andere Klänge – mit dem Mund, der Nase und dem Rachen imitiert.»

Hyperlink: Wikipedia Beatboxing


Beatbox Tutorial Folge 1: Die Bassdrum
Beatbox Tutorial Folge 2: Die Hi-Hat
Beatbox-Tutorial Folge 3: Die Snare
Beatbox-Tutorial Folge 4: Das Echo
Beatbox-Tutorial Folge 5: Die Atmung
Beatbox-Tutorial Folge 6: schnelles Sound-Set
Beatbox-Tutorial Folge 7: BONKA!
Beatbox-Tutorial Folge 8: «Bist Du bekifft?»
Beatbox-Tutorial Folge 9: Beat mit Melodie
Beatbox-Tutorial Folge 10: Vokabelsammlung
Beatbox-Tutorial Folge 11: Spaziergang durch den Mund
Beatbox-Tutorial Folge 12: Sounds für den Alltag
Beatbox-Tutorial Folge Folge 13: Soundeffekte für den Alltag
Beatbox-Tutorial Folge Folge 14: Musikalische Grundausrichtung
Beatbox-Tutorial Folge 15: Nutze Deinen Atem

19

Texte et interview
Hin Van Tran

Lord of Sounds + Foley

Foley is a term that describes the process of live recording of sound effects that are created by a Foley artist […]

FB

«Foley is a term that describes the process of live recording of sound effects that are created by a Foley artist, which are added in post production to enhance the quality of audio for films, television, video, video games and radio.»

Hyperlink: Wikipedia Foley 

20

Text
Tim Drake

Fight Scenes

Der amerikanische Fernsehsender ABC benötigte im Jahre 1965 eine spezielle TV-Serie, die das Programm füllen sollte. Sofort kam die Idee, eine Superheldenserie zu produzieren. Offen war nur die Frage, welcher Comicheld den Bildschirm betreten darf. Zur Auswahl standen Superman, Batman und Dick Tracy.

FB

History – Wie alles begann…

Der amerikanische Fernsehsender ABC benötigte im Jahre 1965 ein spezielle TV-Serie, die das Programm füllen sollte. Sofort kam die Idee, eine Superheldenserie zu produzieren.Offen war nur die Frage, welcher Comicheld den Bildschirm betreten darf. Zur Auswahl standen Superman, Batman und Dick Tracy.Wie uns die Vergangenheit zeigt, haben sich die Filmleute für Batman entschieden. ABC beauftragte einen gewissen William Dozier (Bild) mit der Batmanserie. Dieser war es, der die tollen Gags und Gimmicks der Serie erfand. Er war es auch, der für die Besetzung der Figuren verantwortlich war. William Dozier arbeitete schon bei vielen TV-Serien mit, wie z. B. Raumschiff Enterprise, Bonanza, Lost in Space oder Mission Impossible.Alle Serien (Enterprise, Bonanza, etc.) und Batman wurden in ein und dem selben Filmstudio gedreht. Als dann die Besetzung und die Stories fest standen, wurde gleich mit den Dreharbeiten begonnen.Jede Folge verschlang über $75.000. Allein die Batcave Kulisse kostete $800.000, was damals für eine TV-Produktion ziemlich viel Geld war. Es wurden spezielle Farben benutzt, denn das Farbsystem im Fernsehen war damals noch sehr neu und Batman war die erste Fernsehsendung in True Colours.Die Serie war ein Hit. Als sie am Mittwoch, den 12. Januar 1966, startete, landete sie sofort auf Platz 10, der 100 erfolgreichsten Fernsehshows und gleich am nächsten Tag auf Platz 5 und so ging es immer weiter. Batman war einfach der Hit im amerikanischen Fernsehen. Die ganze Familie versammelte sich um Punkt 7 Uhr vor dem Bildschirm und verfolgte die neuen Abenteuer von Batman und Robin.«Batman» war so populär, dass sogar die Tageszeitungen davon berichteten. Batman war nicht mehr zu stoppen, viele Teenager tanzten auf der Strasse den Batdance oder den kultigen Batusi (den übrigens John Travolta in «Pulp Fiction» kopierte).1968 war dann Schluss mit der erfolgreichen Serie. Zwar war die Serie noch immer die Nummer 1 auf der Hitliste, aber den Storyschreibern fielen keine vernünftigen Geschichten mehr ein (naja, war die Batmanserie eigentlich überhaupt vernünftig?). Jedenfalls nahm man sich den Spruch «Wenn es am schönsten ist, soll man lieber gehen…!» zu Herzen und beendete die Serie. Dadurch wurde Batman –Die Serie – entgültig zum unsterblichen Kultobjekt der Filmgeschichte. Viele lästern über die Serie, aber ebenso viele verehren sie, ob sie nun grosse Filmkunst schuf oder nur unterhaltsamen Müll. Alle sind sich einig, niemand will jemals diese durch und durch kultige TV-Serie missen.